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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬
stet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber spä¬
ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine
leere Floskel gebraucht, um etwas zu sagen, und daß
der Freund Recht gehabt. Selbst Heine, der doch
so fein ist in seinen Ausdrücken, und ein plumpes
Wort gar nicht verstehen sollte, bemerkte, als er sah,
wie ich mich lustig machte, über ein anderes jener
rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und
hätte ich mich blind gelesen, ich hätte die Perfidie
nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die
entweder selbst zur rohen Menge gehören, oder aus
Erfahrung besser wissen als ich, wie man auf
sie wirkt.

Die ministeriellen Blätter, die Hofzeitungen,
warum schreiben sie denn so plump, warum schimp¬
fen sie so pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬
heit? Glauben Sie, weil sie nicht fein zu seyn ver¬
stehen? O nein! Sie verstehen es nur zu gut.
Wenn sie einen Streit unter sich haben, Hof gegen
Hof, Fürst gegen Fürst, Macht gegen Macht, dann
kocht selbst ihr heftigster Zorn nie so stark über, daß
der trübe Schaum der Wuth zum Vorschein käme.
Haß im Herzen, haben sie die liebevollsten Worte
auf den Lippen und mit der ausgesuchtesten Höflich¬
keit stoßen sie dem Feinde ein schönes Schwert in die
Brust. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬

immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬
ſtet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber ſpä¬
ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine
leere Floskel gebraucht, um etwas zu ſagen, und daß
der Freund Recht gehabt. Selbſt Heine, der doch
ſo fein iſt in ſeinen Ausdrücken, und ein plumpes
Wort gar nicht verſtehen ſollte, bemerkte, als er ſah,
wie ich mich luſtig machte, über ein anderes jener
rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und
hätte ich mich blind geleſen, ich hätte die Perfidie
nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die
entweder ſelbſt zur rohen Menge gehören, oder aus
Erfahrung beſſer wiſſen als ich, wie man auf
ſie wirkt.

Die miniſteriellen Blätter, die Hofzeitungen,
warum ſchreiben ſie denn ſo plump, warum ſchimp¬
fen ſie ſo pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬
heit? Glauben Sie, weil ſie nicht fein zu ſeyn ver¬
ſtehen? O nein! Sie verſtehen es nur zu gut.
Wenn ſie einen Streit unter ſich haben, Hof gegen
Hof, Fürſt gegen Fürſt, Macht gegen Macht, dann
kocht ſelbſt ihr heftigſter Zorn nie ſo ſtark über, daß
der trübe Schaum der Wuth zum Vorſchein käme.
Haß im Herzen, haben ſie die liebevollſten Worte
auf den Lippen und mit der ausgeſuchteſten Höflich¬
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Bruſt. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬

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[117/0131] immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬ ſtet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber ſpä¬ ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine leere Floskel gebraucht, um etwas zu ſagen, und daß der Freund Recht gehabt. Selbſt Heine, der doch ſo fein iſt in ſeinen Ausdrücken, und ein plumpes Wort gar nicht verſtehen ſollte, bemerkte, als er ſah, wie ich mich luſtig machte, über ein anderes jener rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und hätte ich mich blind geleſen, ich hätte die Perfidie nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die entweder ſelbſt zur rohen Menge gehören, oder aus Erfahrung beſſer wiſſen als ich, wie man auf ſie wirkt. Die miniſteriellen Blätter, die Hofzeitungen, warum ſchreiben ſie denn ſo plump, warum ſchimp¬ fen ſie ſo pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬ heit? Glauben Sie, weil ſie nicht fein zu ſeyn ver¬ ſtehen? O nein! Sie verſtehen es nur zu gut. Wenn ſie einen Streit unter ſich haben, Hof gegen Hof, Fürſt gegen Fürſt, Macht gegen Macht, dann kocht ſelbſt ihr heftigſter Zorn nie ſo ſtark über, daß der trübe Schaum der Wuth zum Vorſchein käme. Haß im Herzen, haben ſie die liebevollſten Worte auf den Lippen und mit der ausgeſuchteſten Höflich¬ keit ſtoßen ſie dem Feinde ein ſchönes Schwert in die Bruſt. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/131>, abgerufen am 28.04.2024.