Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.aber man muß Feinde haben, um Freunde zu finden, Ich habe mir das gemerkt. Die Lacher will Abends. So eben habe ich die Abendzeitung, aber man muß Feinde haben, um Freunde zu finden, Ich habe mir das gemerkt. Die Lacher will Abends. So eben habe ich die Abendzeitung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0135" n="121"/> aber man muß Feinde haben, um Freunde zu finden,<lb/> man muß haſſen, um lieben zu können. Rouſſeau<lb/> haßte und liebte Keinen, darum ſtand er allein; er<lb/> verſchonte Jeden, darum wurde er nicht verſchont;<lb/> er verfolgte Keinen, darum wurde er von Allen ver¬<lb/> folgt. Gott und Welt, Himmel und Erde verthei¬<lb/> digte er, aber ſich ſelbſt wußte er nicht zu vertheidi¬<lb/> gen. Das ſchien ihm ſchnöder Lohn für freien Liebes¬<lb/> dienſt, und den verſchmähte er. Darum ging er zu<lb/> Grunde. Alle Blitze ſeiner Beredtſamkeit gebrauchte<lb/> er für Andere; für ſich ſelbſt war er wehrlos und<lb/> ſtumm. Einmal ſagt er in ſeinen Bekenntniſſen: „Hätte<lb/> ich meine Kraft gebrauchen wollen gegen meine Feinde,<lb/> ich hätte gewiß die Lacher auf meine Seite gehabt.“</p><lb/> <p>Ich habe mir das gemerkt. Die Lacher will<lb/> ich auf meiner Seite ziehen; <hi rendition="#g">die Lacher</hi>, die gutes<lb/> Herz und gute Fäuſte haben, und nicht die feinen<lb/><hi rendition="#g">Lächler</hi>, die, ob ſie zwar tauſendmal mir recht<lb/> gäben, doch tauſendmale mich todtſchlagen ließen, ohne<lb/> die Hand für mich aufzuheben; aber mir immerfort<lb/> recht gäben und immerfort lächeln würden. Göttliche<lb/> Grobheit! vor dir falle ich nieder.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Abends</hi>. So eben habe ich die Abendzeitung,<lb/> den Meſſager, geleſen. Geſtern war ſie noch mini¬<lb/> ſteriell, heute hat ſie die gewechſelt. Die<lb/> Actionairs haben ſich nicht gut geſtanden bei dem<lb/> bisherigen Miniſterialismus der Zeitung, und haben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0135]
aber man muß Feinde haben, um Freunde zu finden,
man muß haſſen, um lieben zu können. Rouſſeau
haßte und liebte Keinen, darum ſtand er allein; er
verſchonte Jeden, darum wurde er nicht verſchont;
er verfolgte Keinen, darum wurde er von Allen ver¬
folgt. Gott und Welt, Himmel und Erde verthei¬
digte er, aber ſich ſelbſt wußte er nicht zu vertheidi¬
gen. Das ſchien ihm ſchnöder Lohn für freien Liebes¬
dienſt, und den verſchmähte er. Darum ging er zu
Grunde. Alle Blitze ſeiner Beredtſamkeit gebrauchte
er für Andere; für ſich ſelbſt war er wehrlos und
ſtumm. Einmal ſagt er in ſeinen Bekenntniſſen: „Hätte
ich meine Kraft gebrauchen wollen gegen meine Feinde,
ich hätte gewiß die Lacher auf meine Seite gehabt.“
Ich habe mir das gemerkt. Die Lacher will
ich auf meiner Seite ziehen; die Lacher, die gutes
Herz und gute Fäuſte haben, und nicht die feinen
Lächler, die, ob ſie zwar tauſendmal mir recht
gäben, doch tauſendmale mich todtſchlagen ließen, ohne
die Hand für mich aufzuheben; aber mir immerfort
recht gäben und immerfort lächeln würden. Göttliche
Grobheit! vor dir falle ich nieder.
Abends. So eben habe ich die Abendzeitung,
den Meſſager, geleſen. Geſtern war ſie noch mini¬
ſteriell, heute hat ſie die gewechſelt. Die
Actionairs haben ſich nicht gut geſtanden bei dem
bisherigen Miniſterialismus der Zeitung, und haben
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