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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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[Gleich. 91] § 12. Innere Reibung.
bewegung im Gase wird in der Zeiteinheit durch die Flächen-
einheit das Bewegungsmoment G mehr nach abwärts als nach
aufwärts getragen. Daher wird während der Zeit d t die
Grösse S m x durch die Molekularbewegung um den Betrag
G o d t
vermehrt, während M unverändert bleibt. o ist dabei der
Flächeninhalt des Querschnittes unseres Gascylinders. Daher
wird x durch die Molekularbewegung um
[Formel 1] vermehrt. Dieselbe Vermehrung würde eintreten, wenn die
Kraft M d x / d t auf das Gas wirken würde. Soll der Zustand
stationär sein, so muss eine gleich grosse aber entgegengesetzt
gerichtete Kraft von aussen auf die Gasmasse M wirken.
Diese kann nur vom Boden ausgehen, und da Wirkung und
Gegenwirkung gleich sind, wird umgekehrt das Gas auf den
Boden in der positiven Abscissenrichtung die Kraft
[Formel 2] ausüben. Diese Kraft heisst die Gasreibung. Sie ist der
Fläche o und dem Differentialquotienten der tangentialen
Geschwindigkeit u nach der Normalen z proportional.

Der Proportionalitätsfactor heisst der Reibungscoefficient.
Er hat den Werth:
91) R = k r c l.

Für Luft von 15° C. und dem Normalbarometerstand er-
gaben die Experimente von Maxwell1), O. E. Meyer2) und
Kundt und Warburg3) fast übereinstimmend
[Formel 3] .
Da sich Sauerstoff und Stickstoff ziemlich ähnlich verhalten
und die Formel ohnedies nur angenähert richtig ist, können
wir dies auch gleich der Reibungsconstante des Stickstoffes
setzen. Für diesen fanden wir bei [Formel 4] . Da man hat

1) Phil. trans. 1866. Vol. 156. p. 249. Scient. pap. Bd. II. p. 24.
2) Pogg. Ann. 1873. Bd. 148. S. 226.
3) Pogg. Ann. 1875. Bd. 155. S. 539.
Boltzmann, Gastheorie. 6

[Gleich. 91] § 12. Innere Reibung.
bewegung im Gase wird in der Zeiteinheit durch die Flächen-
einheit das Bewegungsmoment Γ mehr nach abwärts als nach
aufwärts getragen. Daher wird während der Zeit d t die
Grösse Σ m ξ durch die Molekularbewegung um den Betrag
Γ ω d t
vermehrt, während M unverändert bleibt. ω ist dabei der
Flächeninhalt des Querschnittes unseres Gascylinders. Daher
wird x durch die Molekularbewegung um
[Formel 1] vermehrt. Dieselbe Vermehrung würde eintreten, wenn die
Kraft M d x / d t auf das Gas wirken würde. Soll der Zustand
stationär sein, so muss eine gleich grosse aber entgegengesetzt
gerichtete Kraft von aussen auf die Gasmasse M wirken.
Diese kann nur vom Boden ausgehen, und da Wirkung und
Gegenwirkung gleich sind, wird umgekehrt das Gas auf den
Boden in der positiven Abscissenrichtung die Kraft
[Formel 2] ausüben. Diese Kraft heisst die Gasreibung. Sie ist der
Fläche ω und dem Differentialquotienten der tangentialen
Geschwindigkeit u nach der Normalen z proportional.

Der Proportionalitätsfactor heisst der Reibungscoëfficient.
Er hat den Werth:
91) R = k ϱ c λ.

Für Luft von 15° C. und dem Normalbarometerstand er-
gaben die Experimente von Maxwell1), O. E. Meyer2) und
Kundt und Warburg3) fast übereinstimmend
[Formel 3] .
Da sich Sauerstoff und Stickstoff ziemlich ähnlich verhalten
und die Formel ohnedies nur angenähert richtig ist, können
wir dies auch gleich der Reibungsconstante des Stickstoffes
setzen. Für diesen fanden wir bei [Formel 4] . Da man hat

1) Phil. trans. 1866. Vol. 156. p. 249. Scient. pap. Bd. II. p. 24.
2) Pogg. Ann. 1873. Bd. 148. S. 226.
3) Pogg. Ann. 1875. Bd. 155. S. 539.
Boltzmann, Gastheorie. 6
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[81/0095] [Gleich. 91] § 12. Innere Reibung. bewegung im Gase wird in der Zeiteinheit durch die Flächen- einheit das Bewegungsmoment Γ mehr nach abwärts als nach aufwärts getragen. Daher wird während der Zeit d t die Grösse Σ m ξ durch die Molekularbewegung um den Betrag Γ ω d t vermehrt, während M unverändert bleibt. ω ist dabei der Flächeninhalt des Querschnittes unseres Gascylinders. Daher wird x durch die Molekularbewegung um [FORMEL] vermehrt. Dieselbe Vermehrung würde eintreten, wenn die Kraft M d x / d t auf das Gas wirken würde. Soll der Zustand stationär sein, so muss eine gleich grosse aber entgegengesetzt gerichtete Kraft von aussen auf die Gasmasse M wirken. Diese kann nur vom Boden ausgehen, und da Wirkung und Gegenwirkung gleich sind, wird umgekehrt das Gas auf den Boden in der positiven Abscissenrichtung die Kraft [FORMEL] ausüben. Diese Kraft heisst die Gasreibung. Sie ist der Fläche ω und dem Differentialquotienten der tangentialen Geschwindigkeit u nach der Normalen z proportional. Der Proportionalitätsfactor heisst der Reibungscoëfficient. Er hat den Werth: 91) R = k ϱ c λ. Für Luft von 15° C. und dem Normalbarometerstand er- gaben die Experimente von Maxwell 1), O. E. Meyer 2) und Kundt und Warburg 3) fast übereinstimmend [FORMEL]. Da sich Sauerstoff und Stickstoff ziemlich ähnlich verhalten und die Formel ohnedies nur angenähert richtig ist, können wir dies auch gleich der Reibungsconstante des Stickstoffes setzen. Für diesen fanden wir bei [FORMEL]. Da man hat 1) Phil. trans. 1866. Vol. 156. p. 249. Scient. pap. Bd. II. p. 24. 2) Pogg. Ann. 1873. Bd. 148. S. 226. 3) Pogg. Ann. 1875. Bd. 155. S. 539. Boltzmann, Gastheorie. 6

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/95>, abgerufen am 26.04.2024.