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Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708.

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Beschreibung.
sammlen sich die Vornehmsten des Landes oder Dorf-
fes/ und befragen sich bey den Geistlichen was zu thun
sey/ damit sie von ihrer Plage befreyet werden/ welche
denn nach Gelegenheit der Zeit antworten; da selbi-
ges an Statt eines Oraculs aufgenommen/ und über
das gantze Land kund gemachet wird/ damit sich einjeder
der gegebenen Antwort gemäß in Thun oder Lassen
betragen könne/ so gemeiniglich sehr lächerlich heraus-
kommt/ nicht destoweniger Ubertretere in harte Geld-
Straffe verfallen.

Wenn auch der Fischfang sehr schlecht/ opffern sie
dem Meer; so fast allezeit in dem Monat Augusto
oder September zu geschehen pfleget/ angesehen sie
aus der Erfahrenheit wissen/ daß um diese Zeit die
meisten Fische gefangen werden/ gleichwol schreiben
sie dieses alleine ihrem opffern zu. Ja es ist fast kein
Dorff welches nicht sein nahe gelegenes Gehöltze hat/
daselbst die Vornehmsten zum opffern sich einfinden/
entweder für alle insgemein/ oder auch für sich ins be-
sondere. Dergleichen Gehöltze halten sie für heilig/
haben auch ausdrückliche Befehle/ damit sie niemand
entheilige/ oder mit abhauen derer Zweige beschädi-
ge/ dafern man nicht über die angesetzte Straffe sich
einen allgemeinen Fluch auf den Hals ziehen wolle.

So hat auch einjeder er sey männliches oder weib-
liches Geschlechtes seinen besonderem Götzen/ dem sie
zu Ehren einen gewissen Tag in der Wochen an wel-
chem sie nemlich gebohren/ widmen/ welchen sie Bos-
sum
nennen/ oder auf Portugiesisch Santedag, und
an selbigem sich alles Palmenweins enthalten/ in weis-
ser Kleidung erscheinen/ und zum Zeichen ihrer Rein-
ligkeit sich mit weisser Erde reiben. Ohne diesen bege-

hen

Beſchreibung.
ſammlen ſich die Vornehmſten des Landes oder Dorf-
fes/ und befragen ſich bey den Geiſtlichen was zu thun
ſey/ damit ſie von ihrer Plage befreyet werden/ welche
denn nach Gelegenheit der Zeit antworten; da ſelbi-
ges an Statt eines Oraculs aufgenommen/ und uͤber
das gantze Land kund gemachet wird/ damit ſich einjeder
der gegebenen Antwort gemaͤß in Thun oder Laſſen
betragen koͤnne/ ſo gemeiniglich ſehr laͤcherlich heraus-
kommt/ nicht deſtoweniger Ubertretere in harte Geld-
Straffe verfallen.

Wenn auch der Fiſchfang ſehr ſchlecht/ opffern ſie
dem Meer; ſo faſt allezeit in dem Monat Auguſto
oder September zu geſchehen pfleget/ angeſehen ſie
aus der Erfahrenheit wiſſen/ daß um dieſe Zeit die
meiſten Fiſche gefangen werden/ gleichwol ſchreiben
ſie dieſes alleine ihrem opffern zu. Ja es iſt faſt kein
Dorff welches nicht ſein nahe gelegenes Gehoͤltze hat/
daſelbſt die Vornehmſten zum opffern ſich einfinden/
entweder fuͤr alle insgemein/ oder auch fuͤr ſich ins be-
ſondere. Dergleichen Gehoͤltze halten ſie fuͤr heilig/
haben auch ausdruͤckliche Befehle/ damit ſie niemand
entheilige/ oder mit abhauen derer Zweige beſchaͤdi-
ge/ dafern man nicht uͤber die angeſetzte Straffe ſich
einen allgemeinen Fluch auf den Hals ziehen wolle.

So hat auch einjeder er ſey maͤnnliches oder weib-
liches Geſchlechtes ſeinen beſonderem Goͤtzen/ dem ſie
zu Ehren einen gewiſſen Tag in der Wochen an wel-
chem ſie nemlich gebohren/ widmen/ welchen ſie Boſ-
ſum
nennen/ oder auf Portugieſiſch Santedag, und
an ſelbigem ſich alles Palmenweins enthalten/ in weiſ-
ſer Kleidung erſcheinen/ und zum Zeichen ihrer Rein-
ligkeit ſich mit weiſſer Erde reiben. Ohne dieſen bege-

hen
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[186/0230] Beſchreibung. ſammlen ſich die Vornehmſten des Landes oder Dorf- fes/ und befragen ſich bey den Geiſtlichen was zu thun ſey/ damit ſie von ihrer Plage befreyet werden/ welche denn nach Gelegenheit der Zeit antworten; da ſelbi- ges an Statt eines Oraculs aufgenommen/ und uͤber das gantze Land kund gemachet wird/ damit ſich einjeder der gegebenen Antwort gemaͤß in Thun oder Laſſen betragen koͤnne/ ſo gemeiniglich ſehr laͤcherlich heraus- kommt/ nicht deſtoweniger Ubertretere in harte Geld- Straffe verfallen. Wenn auch der Fiſchfang ſehr ſchlecht/ opffern ſie dem Meer; ſo faſt allezeit in dem Monat Auguſto oder September zu geſchehen pfleget/ angeſehen ſie aus der Erfahrenheit wiſſen/ daß um dieſe Zeit die meiſten Fiſche gefangen werden/ gleichwol ſchreiben ſie dieſes alleine ihrem opffern zu. Ja es iſt faſt kein Dorff welches nicht ſein nahe gelegenes Gehoͤltze hat/ daſelbſt die Vornehmſten zum opffern ſich einfinden/ entweder fuͤr alle insgemein/ oder auch fuͤr ſich ins be- ſondere. Dergleichen Gehoͤltze halten ſie fuͤr heilig/ haben auch ausdruͤckliche Befehle/ damit ſie niemand entheilige/ oder mit abhauen derer Zweige beſchaͤdi- ge/ dafern man nicht uͤber die angeſetzte Straffe ſich einen allgemeinen Fluch auf den Hals ziehen wolle. So hat auch einjeder er ſey maͤnnliches oder weib- liches Geſchlechtes ſeinen beſonderem Goͤtzen/ dem ſie zu Ehren einen gewiſſen Tag in der Wochen an wel- chem ſie nemlich gebohren/ widmen/ welchen ſie Boſ- ſum nennen/ oder auf Portugieſiſch Santedag, und an ſelbigem ſich alles Palmenweins enthalten/ in weiſ- ſer Kleidung erſcheinen/ und zum Zeichen ihrer Rein- ligkeit ſich mit weiſſer Erde reiben. Ohne dieſen bege- hen

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Zitationshilfe: Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708/230>, abgerufen am 28.04.2024.