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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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fahrungen. Er fand daß Kupferbleche von Zoll, also reichlich 1/2
Linie dick zu hohlen Röhren geformt, eine doppelt so große Festig-
keit erhielten, wenn man sie mit einer doppelt so dicken Lage star-
ken Papiers, wohl geleimt, überklebte; ferner daß ein aus Pa-
pierlagen mit gutem Leim zusammengeklebter Cylinder bei einem
Querschnitte von 1 Quadratzoll 30000 Pfund zu tragen im Stan-
de war; ein ebenso aus guten Hanffäden zusammengeleimter Cy-
linder trug sogar 92000 Pfund *).

In Rücksicht auf diesen Zusammenhang oder auf die Cohä-
sion bieten die Körper eine höchst mannigfaltige Verschiedenheit
dar, indem einige dem Zerreißen, andre dem Zerbrechen, andre
dem Eindringen in ihre Oberfläche größern Widerstand leisten.
Wir unterscheiden daher harte und weiche Körper, und selbst
der weiche Körper, das ist derjenige, dessen Oberfläche ziemlich
leicht Eindrücke annimmt, kann dennoch dem Zerreißen (wie z. B.
das Holz) einen großen Widerstand leisten. Hart nennen wir näm-
lich die Körper, die jedem Hineindringen in ihre Oberfläche starken
Widerstand darbieten. Der Stahl ist härter als Eisen, der Dia-
mant so hart, daß kein andrer Körper seine Oberfläche durch Ein-
ritzen angreift, und dennoch kann der geschickte Künstler, wenn
er die Lage der Blättchen, aus denen der als Crystall gebildete
Diamant besteht, richtig wahrnimmt, diese Blätter abspalten, so
daß die Härte hauptsächlich nur auf dem festen Zusammenhange
der Theilchen jedes solchen Blättchens beruht. -- Der weiche Kör-
per nimmt dagegen leicht Eindrücke in seine Oberfläche an, und
läßt sich leicht andre Formen geben. Diese große Härte der Körper
ist oft mit Sprödigkeit verbunden, welche sich dadurch äußert,
daß eine geringe Beugung sogleich ein Zerbrechen bewirkt. Die
Sprödigkeit bei bedeutender Härte beruht also darauf, daß die ge-
genseitige Attraction der Theilchen zwar bei der Lage, welche wir
die natürliche Lage nennen können, sehr groß ist, aber in starkem
Grade vermindert wird, sobald es nur gelungen ist, die Theilchen
sehr wenig aus dieser natürlichen Lage herauszurücken. Biegsam,
von einer zähen Beschaffenheit sind dagegen die Körper dann, wenn
sie eine Aenderung der Gestalt, ohne zu zerbrechen oder zu zerrei-

*) Gilb. Ann. XII. 389.

fahrungen. Er fand daß Kupferbleche von Zoll, alſo reichlich ½
Linie dick zu hohlen Roͤhren geformt, eine doppelt ſo große Feſtig-
keit erhielten, wenn man ſie mit einer doppelt ſo dicken Lage ſtar-
ken Papiers, wohl geleimt, uͤberklebte; ferner daß ein aus Pa-
pierlagen mit gutem Leim zuſammengeklebter Cylinder bei einem
Querſchnitte von 1 Quadratzoll 30000 Pfund zu tragen im Stan-
de war; ein ebenſo aus guten Hanffaͤden zuſammengeleimter Cy-
linder trug ſogar 92000 Pfund *).

In Ruͤckſicht auf dieſen Zuſammenhang oder auf die Cohaͤ-
ſion bieten die Koͤrper eine hoͤchſt mannigfaltige Verſchiedenheit
dar, indem einige dem Zerreißen, andre dem Zerbrechen, andre
dem Eindringen in ihre Oberflaͤche groͤßern Widerſtand leiſten.
Wir unterſcheiden daher harte und weiche Koͤrper, und ſelbſt
der weiche Koͤrper, das iſt derjenige, deſſen Oberflaͤche ziemlich
leicht Eindruͤcke annimmt, kann dennoch dem Zerreißen (wie z. B.
das Holz) einen großen Widerſtand leiſten. Hart nennen wir naͤm-
lich die Koͤrper, die jedem Hineindringen in ihre Oberflaͤche ſtarken
Widerſtand darbieten. Der Stahl iſt haͤrter als Eiſen, der Dia-
mant ſo hart, daß kein andrer Koͤrper ſeine Oberflaͤche durch Ein-
ritzen angreift, und dennoch kann der geſchickte Kuͤnſtler, wenn
er die Lage der Blaͤttchen, aus denen der als Cryſtall gebildete
Diamant beſteht, richtig wahrnimmt, dieſe Blaͤtter abſpalten, ſo
daß die Haͤrte hauptſaͤchlich nur auf dem feſten Zuſammenhange
der Theilchen jedes ſolchen Blaͤttchens beruht. — Der weiche Koͤr-
per nimmt dagegen leicht Eindruͤcke in ſeine Oberflaͤche an, und
laͤßt ſich leicht andre Formen geben. Dieſe große Haͤrte der Koͤrper
iſt oft mit Sproͤdigkeit verbunden, welche ſich dadurch aͤußert,
daß eine geringe Beugung ſogleich ein Zerbrechen bewirkt. Die
Sproͤdigkeit bei bedeutender Haͤrte beruht alſo darauf, daß die ge-
genſeitige Attraction der Theilchen zwar bei der Lage, welche wir
die natuͤrliche Lage nennen koͤnnen, ſehr groß iſt, aber in ſtarkem
Grade vermindert wird, ſobald es nur gelungen iſt, die Theilchen
ſehr wenig aus dieſer natuͤrlichen Lage herauszuruͤcken. Biegſam,
von einer zaͤhen Beſchaffenheit ſind dagegen die Koͤrper dann, wenn
ſie eine Aenderung der Geſtalt, ohne zu zerbrechen oder zu zerrei-

*) Gilb. Ann. XII. 389.
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[21/0043] fahrungen. Er fand daß Kupferbleche von [FORMEL] Zoll, alſo reichlich ½ Linie dick zu hohlen Roͤhren geformt, eine doppelt ſo große Feſtig- keit erhielten, wenn man ſie mit einer doppelt ſo dicken Lage ſtar- ken Papiers, wohl geleimt, uͤberklebte; ferner daß ein aus Pa- pierlagen mit gutem Leim zuſammengeklebter Cylinder bei einem Querſchnitte von 1 Quadratzoll 30000 Pfund zu tragen im Stan- de war; ein ebenſo aus guten Hanffaͤden zuſammengeleimter Cy- linder trug ſogar 92000 Pfund *). In Ruͤckſicht auf dieſen Zuſammenhang oder auf die Cohaͤ- ſion bieten die Koͤrper eine hoͤchſt mannigfaltige Verſchiedenheit dar, indem einige dem Zerreißen, andre dem Zerbrechen, andre dem Eindringen in ihre Oberflaͤche groͤßern Widerſtand leiſten. Wir unterſcheiden daher harte und weiche Koͤrper, und ſelbſt der weiche Koͤrper, das iſt derjenige, deſſen Oberflaͤche ziemlich leicht Eindruͤcke annimmt, kann dennoch dem Zerreißen (wie z. B. das Holz) einen großen Widerſtand leiſten. Hart nennen wir naͤm- lich die Koͤrper, die jedem Hineindringen in ihre Oberflaͤche ſtarken Widerſtand darbieten. Der Stahl iſt haͤrter als Eiſen, der Dia- mant ſo hart, daß kein andrer Koͤrper ſeine Oberflaͤche durch Ein- ritzen angreift, und dennoch kann der geſchickte Kuͤnſtler, wenn er die Lage der Blaͤttchen, aus denen der als Cryſtall gebildete Diamant beſteht, richtig wahrnimmt, dieſe Blaͤtter abſpalten, ſo daß die Haͤrte hauptſaͤchlich nur auf dem feſten Zuſammenhange der Theilchen jedes ſolchen Blaͤttchens beruht. — Der weiche Koͤr- per nimmt dagegen leicht Eindruͤcke in ſeine Oberflaͤche an, und laͤßt ſich leicht andre Formen geben. Dieſe große Haͤrte der Koͤrper iſt oft mit Sproͤdigkeit verbunden, welche ſich dadurch aͤußert, daß eine geringe Beugung ſogleich ein Zerbrechen bewirkt. Die Sproͤdigkeit bei bedeutender Haͤrte beruht alſo darauf, daß die ge- genſeitige Attraction der Theilchen zwar bei der Lage, welche wir die natuͤrliche Lage nennen koͤnnen, ſehr groß iſt, aber in ſtarkem Grade vermindert wird, ſobald es nur gelungen iſt, die Theilchen ſehr wenig aus dieſer natuͤrlichen Lage herauszuruͤcken. Biegſam, von einer zaͤhen Beſchaffenheit ſind dagegen die Koͤrper dann, wenn ſie eine Aenderung der Geſtalt, ohne zu zerbrechen oder zu zerrei- *) Gilb. Ann. XII. 389.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/43>, abgerufen am 29.04.2024.