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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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tropfen auf einer mit Hexenmehl (semen lycopodii) bestrichenen
Fläche liegt, so nimmt der eine und der andere ungefähr die Form
ACB (Fig. 16.) an. Die Oberfläche eines Flüssigen besteht allemal
dadurch als Oberfläche, daß in ihr gar kein Druck des flüssigen
Körpers statt findet; in den Puncten B oder A ist, bloß in Bezie-
hung auf die Schwere, ein Druck, welchen die höher liegenden
Theilchen ausüben, gewiß wirksam, und dieser muß also, wie das
Bestehen der Oberfläche in dieser Form zeigt, durch eine entgegen-
wirkende Kraft zernichtet werden. Da die Oberfläche auch bei C
eine schwache Wölbung hat, so verstärkt der bei C nach innen ge-
richtete Druck noch den durch die Schwere hervorgebrachten Druck;
aber bei A und B ist die Krümmung der Oberfläche viel stärker,
als in C, daher ist der nach innen gerichtete Zug der die convexe
Oberfläche bildenden Theile sehr viel stärker als in C, und aus-
reichend, jenen beiden vereinigten Pressungen das Gleichgewicht zu
halten. Daß eben hierauf die Gestalt der gewölbten Oberfläche
beruht, die wir Wasser in einem am Rande trockenen Gefäße
annehmen sehen, wenn es sich über den Rand erhebt, erhellt nun
von selbst. Der entgegengesetzte Fall findet da statt, wo eine Me-
tallplatte auf die Oberfläche AB (Fig. 17.) des Wassers gelegt
und durch eine fremde Kraft hinaufwärts gezogen wird. Hat man
hier AB sich vollkommen befeuchten lassen und bringt nun vermit-
telst einiger auf die Waageschale E gelegten Gewichte eine aufwärts
ziehende Kraft an, so hebt sich eine Wassermasse mit AB über die
eigentliche Wasserfläche CD hervor. Sie nimmt an den Seiten
eine concave Oberfläche an, so wie die Figur zeigt; denn da die
Wassertheile mit bedeutender Gewalt gegen den festen Körper AB
gezogen und dadurch so erhalten werden, daß sie selbst in n, in der
Horizontalfläche CD, gar keinen Druck ausüben, so ist oberhalb a
ein hinaufwärts gehender Zug, der an der Seiten-Oberfläche als
ein Zug nach innen sich zeigen würde, wenn nicht die hohle Ober-
fläche sich so bildete, daß der hinauswärts, gegen die hohle Oberfläche
zu, gerichtete Zug jenem genau gleich wäre. Die Kraft, mit welcher
eine solche Platte von Marmor oder Glas AB am Wasser fest-
hängt, ist so bedeutend, daß sie nach G. G. Schmidts Versuchen
51, nach Parrots Versuche 55 Gran auf den Quadratzoll be-
trägt, und Schmidts Untersuchung zeigt, daß dies mit der

B 2

tropfen auf einer mit Hexenmehl (semen lycopodii) beſtrichenen
Flaͤche liegt, ſo nimmt der eine und der andere ungefaͤhr die Form
ACB (Fig. 16.) an. Die Oberflaͤche eines Fluͤſſigen beſteht allemal
dadurch als Oberflaͤche, daß in ihr gar kein Druck des fluͤſſigen
Koͤrpers ſtatt findet; in den Puncten B oder A iſt, bloß in Bezie-
hung auf die Schwere, ein Druck, welchen die hoͤher liegenden
Theilchen ausuͤben, gewiß wirkſam, und dieſer muß alſo, wie das
Beſtehen der Oberflaͤche in dieſer Form zeigt, durch eine entgegen-
wirkende Kraft zernichtet werden. Da die Oberflaͤche auch bei C
eine ſchwache Woͤlbung hat, ſo verſtaͤrkt der bei C nach innen ge-
richtete Druck noch den durch die Schwere hervorgebrachten Druck;
aber bei A und B iſt die Kruͤmmung der Oberflaͤche viel ſtaͤrker,
als in C, daher iſt der nach innen gerichtete Zug der die convexe
Oberflaͤche bildenden Theile ſehr viel ſtaͤrker als in C, und aus-
reichend, jenen beiden vereinigten Preſſungen das Gleichgewicht zu
halten. Daß eben hierauf die Geſtalt der gewoͤlbten Oberflaͤche
beruht, die wir Waſſer in einem am Rande trockenen Gefaͤße
annehmen ſehen, wenn es ſich uͤber den Rand erhebt, erhellt nun
von ſelbſt. Der entgegengeſetzte Fall findet da ſtatt, wo eine Me-
tallplatte auf die Oberflaͤche AB (Fig. 17.) des Waſſers gelegt
und durch eine fremde Kraft hinaufwaͤrts gezogen wird. Hat man
hier AB ſich vollkommen befeuchten laſſen und bringt nun vermit-
telſt einiger auf die Waageſchale E gelegten Gewichte eine aufwaͤrts
ziehende Kraft an, ſo hebt ſich eine Waſſermaſſe mit AB uͤber die
eigentliche Waſſerflaͤche CD hervor. Sie nimmt an den Seiten
eine concave Oberflaͤche an, ſo wie die Figur zeigt; denn da die
Waſſertheile mit bedeutender Gewalt gegen den feſten Koͤrper AB
gezogen und dadurch ſo erhalten werden, daß ſie ſelbſt in n, in der
Horizontalflaͤche CD, gar keinen Druck ausuͤben, ſo iſt oberhalb a
ein hinaufwaͤrts gehender Zug, der an der Seiten-Oberflaͤche als
ein Zug nach innen ſich zeigen wuͤrde, wenn nicht die hohle Ober-
flaͤche ſich ſo bildete, daß der hinauswaͤrts, gegen die hohle Oberflaͤche
zu, gerichtete Zug jenem genau gleich waͤre. Die Kraft, mit welcher
eine ſolche Platte von Marmor oder Glas AB am Waſſer feſt-
haͤngt, iſt ſo bedeutend, daß ſie nach G. G. Schmidts Verſuchen
51, nach Parrots Verſuche 55 Gran auf den Quadratzoll be-
traͤgt, und Schmidts Unterſuchung zeigt, daß dies mit der

B 2
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[19/0033] tropfen auf einer mit Hexenmehl (semen lycopodii) beſtrichenen Flaͤche liegt, ſo nimmt der eine und der andere ungefaͤhr die Form ACB (Fig. 16.) an. Die Oberflaͤche eines Fluͤſſigen beſteht allemal dadurch als Oberflaͤche, daß in ihr gar kein Druck des fluͤſſigen Koͤrpers ſtatt findet; in den Puncten B oder A iſt, bloß in Bezie- hung auf die Schwere, ein Druck, welchen die hoͤher liegenden Theilchen ausuͤben, gewiß wirkſam, und dieſer muß alſo, wie das Beſtehen der Oberflaͤche in dieſer Form zeigt, durch eine entgegen- wirkende Kraft zernichtet werden. Da die Oberflaͤche auch bei C eine ſchwache Woͤlbung hat, ſo verſtaͤrkt der bei C nach innen ge- richtete Druck noch den durch die Schwere hervorgebrachten Druck; aber bei A und B iſt die Kruͤmmung der Oberflaͤche viel ſtaͤrker, als in C, daher iſt der nach innen gerichtete Zug der die convexe Oberflaͤche bildenden Theile ſehr viel ſtaͤrker als in C, und aus- reichend, jenen beiden vereinigten Preſſungen das Gleichgewicht zu halten. Daß eben hierauf die Geſtalt der gewoͤlbten Oberflaͤche beruht, die wir Waſſer in einem am Rande trockenen Gefaͤße annehmen ſehen, wenn es ſich uͤber den Rand erhebt, erhellt nun von ſelbſt. Der entgegengeſetzte Fall findet da ſtatt, wo eine Me- tallplatte auf die Oberflaͤche AB (Fig. 17.) des Waſſers gelegt und durch eine fremde Kraft hinaufwaͤrts gezogen wird. Hat man hier AB ſich vollkommen befeuchten laſſen und bringt nun vermit- telſt einiger auf die Waageſchale E gelegten Gewichte eine aufwaͤrts ziehende Kraft an, ſo hebt ſich eine Waſſermaſſe mit AB uͤber die eigentliche Waſſerflaͤche CD hervor. Sie nimmt an den Seiten eine concave Oberflaͤche an, ſo wie die Figur zeigt; denn da die Waſſertheile mit bedeutender Gewalt gegen den feſten Koͤrper AB gezogen und dadurch ſo erhalten werden, daß ſie ſelbſt in n, in der Horizontalflaͤche CD, gar keinen Druck ausuͤben, ſo iſt oberhalb a ein hinaufwaͤrts gehender Zug, der an der Seiten-Oberflaͤche als ein Zug nach innen ſich zeigen wuͤrde, wenn nicht die hohle Ober- flaͤche ſich ſo bildete, daß der hinauswaͤrts, gegen die hohle Oberflaͤche zu, gerichtete Zug jenem genau gleich waͤre. Die Kraft, mit welcher eine ſolche Platte von Marmor oder Glas AB am Waſſer feſt- haͤngt, iſt ſo bedeutend, daß ſie nach G. G. Schmidts Verſuchen 51, nach Parrots Verſuche 55 Gran auf den Quadratzoll be- traͤgt, und Schmidts Unterſuchung zeigt, daß dies mit der B 2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/33>, abgerufen am 27.04.2024.