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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Berechnung sehr nahe übereinstimmt, wenn man diese auf die
Höhe gründet, zu welcher das Wasser in Haarröhrchen steigt; bei
Weingeist beträgt sie gegen Glas 33 Gran, bei Oel gegen Glas
41 Gran; bei Quecksilber gegen eine polirte Zinnplatte sogar 497
Gran *). Nach Gay-Lussacs Versuchen **) für Wasser gegen
eine Glasscheibe 53 1/3 Gran.

Zu den kleinen, aber recht anziehenden Versuchen, die hier
ihre Erklärung finden, gehört auch noch der, wo man stählerne
Nähnadeln auf Wasser schwimmen läßt. Die Nadeln müssen ganz
trocken und frei von Rost seyn; wenn man sie dann sehr vorsichtig
auf die Oberfläche des Wassers legt, so drücken sie um sich das
Wasser zurück und liegen in dieser Höhlung auf der Oberfläche.
Sind mehrere einander nahe auf das Wasser gelegt, so gehen sie
zu einander hin, legen sich parallel und kommen nach einigen Oscil-
lationen, durch welche sie neben einander hin und her gehen, zur
Ruhe. Die glatte Oberfläche des Stahles nämlich hält die Luft-
theilchen so fest an sich, daß sie nicht leicht eine Benetzung zuläßt,
und die einander stark anziehenden Wassertheilchen, die von der
Stahlfläche schwächer angezogen werden, bilden bei e eine convexe
Oberfläche (Fig. 18.). Der Punct b leidet offenbar einen Druck
durch die aufliegende Nadel von außen, durch die Wassersäule de
von innen her, und beide Pressungen heben einander auf; die
Wassertheilchen bei c leiden, tiefer liegend als d, einen Druck der
kleinen, höher stehenden Wassersäule; aber die Anziehungskraft,
welche die Flüssigkeit auf sich selbst an einer convexen Oberfläche e
ausübt, ist nach innen gerichtet und zerstört jenen Druck. So ruht
der viel schwerere Körper auf dem leichtern Wasser, so lange er sich
nicht benetzt, und so lange sein Gewicht nicht mehr beträgt, als das
von ihm und der ihn umgebenden Höhlung aus der Stelle getrie-
bene Wasser. Aehnliche Versuche gelingen, wenn man Nadeln
und ähnliche Körper auf eine Wasser-Oberfläche bringt, die mit
Aether oder Terpentin-Oel bedeckt ist.

Sie sehen aus diesen mannigfaltigen Erscheinungen, theils
wie folgenreich die von Laplace richtig aufgefaßte Betrachtung

*) G. G. Schmidts Lehrb. S. 271. 273.
**) Gilb. Ann. XXXIII. 317.

Berechnung ſehr nahe uͤbereinſtimmt, wenn man dieſe auf die
Hoͤhe gruͤndet, zu welcher das Waſſer in Haarroͤhrchen ſteigt; bei
Weingeiſt betraͤgt ſie gegen Glas 33 Gran, bei Oel gegen Glas
41 Gran; bei Queckſilber gegen eine polirte Zinnplatte ſogar 497
Gran *). Nach Gay-Luſſacs Verſuchen **) fuͤr Waſſer gegen
eine Glasſcheibe 53⅓ Gran.

Zu den kleinen, aber recht anziehenden Verſuchen, die hier
ihre Erklaͤrung finden, gehoͤrt auch noch der, wo man ſtaͤhlerne
Naͤhnadeln auf Waſſer ſchwimmen laͤßt. Die Nadeln muͤſſen ganz
trocken und frei von Roſt ſeyn; wenn man ſie dann ſehr vorſichtig
auf die Oberflaͤche des Waſſers legt, ſo druͤcken ſie um ſich das
Waſſer zuruͤck und liegen in dieſer Hoͤhlung auf der Oberflaͤche.
Sind mehrere einander nahe auf das Waſſer gelegt, ſo gehen ſie
zu einander hin, legen ſich parallel und kommen nach einigen Oſcil-
lationen, durch welche ſie neben einander hin und her gehen, zur
Ruhe. Die glatte Oberflaͤche des Stahles naͤmlich haͤlt die Luft-
theilchen ſo feſt an ſich, daß ſie nicht leicht eine Benetzung zulaͤßt,
und die einander ſtark anziehenden Waſſertheilchen, die von der
Stahlflaͤche ſchwaͤcher angezogen werden, bilden bei e eine convexe
Oberflaͤche (Fig. 18.). Der Punct b leidet offenbar einen Druck
durch die aufliegende Nadel von außen, durch die Waſſerſaͤule de
von innen her, und beide Preſſungen heben einander auf; die
Waſſertheilchen bei c leiden, tiefer liegend als d, einen Druck der
kleinen, hoͤher ſtehenden Waſſerſaͤule; aber die Anziehungskraft,
welche die Fluͤſſigkeit auf ſich ſelbſt an einer convexen Oberflaͤche e
ausuͤbt, iſt nach innen gerichtet und zerſtoͤrt jenen Druck. So ruht
der viel ſchwerere Koͤrper auf dem leichtern Waſſer, ſo lange er ſich
nicht benetzt, und ſo lange ſein Gewicht nicht mehr betraͤgt, als das
von ihm und der ihn umgebenden Hoͤhlung aus der Stelle getrie-
bene Waſſer. Aehnliche Verſuche gelingen, wenn man Nadeln
und aͤhnliche Koͤrper auf eine Waſſer-Oberflaͤche bringt, die mit
Aether oder Terpentin-Oel bedeckt iſt.

Sie ſehen aus dieſen mannigfaltigen Erſcheinungen, theils
wie folgenreich die von Laplace richtig aufgefaßte Betrachtung

*) G. G. Schmidts Lehrb. S. 271. 273.
**) Gilb. Ann. XXXIII. 317.
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[20/0034] Berechnung ſehr nahe uͤbereinſtimmt, wenn man dieſe auf die Hoͤhe gruͤndet, zu welcher das Waſſer in Haarroͤhrchen ſteigt; bei Weingeiſt betraͤgt ſie gegen Glas 33 Gran, bei Oel gegen Glas 41 Gran; bei Queckſilber gegen eine polirte Zinnplatte ſogar 497 Gran *). Nach Gay-Luſſacs Verſuchen **) fuͤr Waſſer gegen eine Glasſcheibe 53⅓ Gran. Zu den kleinen, aber recht anziehenden Verſuchen, die hier ihre Erklaͤrung finden, gehoͤrt auch noch der, wo man ſtaͤhlerne Naͤhnadeln auf Waſſer ſchwimmen laͤßt. Die Nadeln muͤſſen ganz trocken und frei von Roſt ſeyn; wenn man ſie dann ſehr vorſichtig auf die Oberflaͤche des Waſſers legt, ſo druͤcken ſie um ſich das Waſſer zuruͤck und liegen in dieſer Hoͤhlung auf der Oberflaͤche. Sind mehrere einander nahe auf das Waſſer gelegt, ſo gehen ſie zu einander hin, legen ſich parallel und kommen nach einigen Oſcil- lationen, durch welche ſie neben einander hin und her gehen, zur Ruhe. Die glatte Oberflaͤche des Stahles naͤmlich haͤlt die Luft- theilchen ſo feſt an ſich, daß ſie nicht leicht eine Benetzung zulaͤßt, und die einander ſtark anziehenden Waſſertheilchen, die von der Stahlflaͤche ſchwaͤcher angezogen werden, bilden bei e eine convexe Oberflaͤche (Fig. 18.). Der Punct b leidet offenbar einen Druck durch die aufliegende Nadel von außen, durch die Waſſerſaͤule de von innen her, und beide Preſſungen heben einander auf; die Waſſertheilchen bei c leiden, tiefer liegend als d, einen Druck der kleinen, hoͤher ſtehenden Waſſerſaͤule; aber die Anziehungskraft, welche die Fluͤſſigkeit auf ſich ſelbſt an einer convexen Oberflaͤche e ausuͤbt, iſt nach innen gerichtet und zerſtoͤrt jenen Druck. So ruht der viel ſchwerere Koͤrper auf dem leichtern Waſſer, ſo lange er ſich nicht benetzt, und ſo lange ſein Gewicht nicht mehr betraͤgt, als das von ihm und der ihn umgebenden Hoͤhlung aus der Stelle getrie- bene Waſſer. Aehnliche Verſuche gelingen, wenn man Nadeln und aͤhnliche Koͤrper auf eine Waſſer-Oberflaͤche bringt, die mit Aether oder Terpentin-Oel bedeckt iſt. Sie ſehen aus dieſen mannigfaltigen Erſcheinungen, theils wie folgenreich die von Laplace richtig aufgefaßte Betrachtung *) G. G. Schmidts Lehrb. S. 271. 273. **) Gilb. Ann. XXXIII. 317.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/34>, abgerufen am 27.04.2024.