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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Krallenaffen. -- Uistiti.
hält sich zuweilen mit den Hinterfüßen allein, abwärts gerichtet, an oder dehnt den Körper, an den
Vorderfüßen befestigt, wie ein fauler Mensch. Bei warmem Sonnenschein reinigen sich die Gespielen
gegenseitig mit den Vorderpfoten und Zähnen nach Affenart, bald neben einander am Gitter hängend,
bald auf dem Boden, wobei einer von beiden lang ausgestreckt auf dem Rücken liegt. Dabei lassen sie
ein geringes Zwitschern und einen girrenden Laut hören. Mit demselben Girren pflegten die Thiere
des Abends beinahe auf Schlag sechs Uhr in eine ihrer blos mit Stroh gefütterten Seitenhütten ihres
Käfigs zusammenzukriechen und ließen sich vor Morgens sechs oder sieben Uhr nicht wieder sehen, auch
keinen Laut von sich hören. Selten kam einmal einer während der Schlafzeit hervor, um einige Noth-
durft zu verrichten, wobei sie nie ihr Nest verunreinigten. Die übrigen elf oder zwölf Stunden waren
sie immer munter und außerhalb der Nester beschäftigt, bald mehr, bald weniger in Bewegung und
dabei ziemlich laut. Außer ihrem gewöhnlichen Girren ließen sie, sonderlich, wenn sie auf Nahrung
aufmerksam gemacht wurden, eine ihren französischen Namen "Uistiti" ziemlich genau ausdrückende,
stärker tönende Stimme hören, oft mehrere Male hinter einander. Wenn sie gesättigt ruhten oder
sich sonnten, stießen die Aeltesten zuweilen mit weit aufgesperrtem Rachen ein langes, eintöniges,
außerordentlich durchdringendes und den Ohren wehthuendes Pfeifen aus und waren auch durch
Scheuchen und Rufen davon nicht abzubringen. Sahen sie etwas Ungewöhnliches, z. B. Hunde,
Krähen
etc., so machten sie ein wiederholtes, absetzendes Geschnatter, fast wie eine Elster, und
warfen dabei den Obertheil des Leibes mit dem eingezogenen Kopfe jedesmal hin und her, wie ein
Mensch, der lauernd nach etwas sieht und den rechten Gesichtspunkt sucht. Noch ein anderes kuarren-
des und zuweilen grunzendes Geschelte ließen die alten Männchen vernehmen, wenn man sie ärgerte,
oder ihnen Etwas von weitem darbot und nicht geben wollte. Dabei verlängerten sie das Gesicht,
wie andere Affen, wenn sie zornig werden, stotterten in ungewöhnlicher Weise und suchten den Stören-
fried mit den Vorderpfoten zu greifen und zu kratzen, wurden aber sehr ängstlich, wenn man die Pfote
erhaschte und außer dem Käfige festhielt. Fast ebenso knarrten die Kleinen, erst im selbigen Sommer
Gebornen, welche den Alten weder an Vollhaarigkeit, noch an Größe glichen, wenn sie sich unter ein-
ander oder mit den Alten um einen Leckerbissen zankten, und eben diese ließen, wenn sie den Kürzern
zogen, einen klagenden Laut hören, welcher dem Miauen einer jungen Katze ähnelte.

"Alle Nahrung nehmen diese Affen mit dem Maule an, und, wenn sie durch das Gitter nicht
dazu kommen können, ist das Ergreifen derselben mit den Vordertatzen sehr ungeschickt, weil deren
Daumen den anderen Fingern nicht entgegensteht. Bissen, welche sie nicht auf einmal genießen
können, halten sie daher mehr mit den eingeschlagenen Fingern gegen den Handballen (wie es die
Eichhörnchen thun), als mit dem Daumen fest, aber an den Hinterfüßen ist der stärkere und allein
mit einem Nagel versehene Daumen zum Anhalten sehr geschickt. Sie trinken auf allen Vieren sitzend
mit ausgestrecktem oder zusammengezogenem Leibe, entweder wie eine Katze leckend, oder mit ein-
getauchten Lippen und schlürfend. So fraßen sie auch das erweichte Brod, welches man in die ihnen
vorgesetzte Milch legte und eben als gewöhnliches Futter gab. Nach Zucker waren sie ungemein be-
gierig und konnten ihn mit ihren stumpfen Zähnen recht hurtig nagen, obgleich sie sonst nicht stark
und auch im größten Zorne kaum durch die Haut bissen. Auf Fliegen, Schmetterlinge und
Spinnen waren sie sehr begierig. Von allem andern Futter fraßen sie mit Mäßigung, doch war
ihr Geschmack dabei sehr verschieden; denn das, was einigen wohlschmeckte, wollten andere nicht an-
nehmen. Namentlich ein in Petersburg gebornes und dort groß gewordenes Weibchen wollte ver-
schiedene Dinge nicht genießen, welche den anderen angenehm waren.

"Die sonst bei Affen so gemeine Schlüpfrigkeit war bei diesen Thieren gar nicht anstößig. Man
sah sie außerhalb ihrer Nester nie etwas Unanständiges begehen; nur wenn man sie zornig machte
oder reizte, spritzten sie ihren Harn von sich, und zwar die Männchen mehr gegen weibliche Personen,
als gegen Männer. Des Morgens waren sie alle sehr unsauber, weil sie ihren über Nacht auf-
gesammelten Harn und Unrath, soweit sie konnten und oft einige Fuß weit zu spritzen und zu schleu-
dern suchten, während sie zu anderen Zeiten denselben ohne Umstände in das Heu des Käfigs ablegten.

Die Affen. Krallenaffen. — Uiſtiti.
hält ſich zuweilen mit den Hinterfüßen allein, abwärts gerichtet, an oder dehnt den Körper, an den
Vorderfüßen befeſtigt, wie ein fauler Menſch. Bei warmem Sonnenſchein reinigen ſich die Geſpielen
gegenſeitig mit den Vorderpfoten und Zähnen nach Affenart, bald neben einander am Gitter hängend,
bald auf dem Boden, wobei einer von beiden lang ausgeſtreckt auf dem Rücken liegt. Dabei laſſen ſie
ein geringes Zwitſchern und einen girrenden Laut hören. Mit demſelben Girren pflegten die Thiere
des Abends beinahe auf Schlag ſechs Uhr in eine ihrer blos mit Stroh gefütterten Seitenhütten ihres
Käfigs zuſammenzukriechen und ließen ſich vor Morgens ſechs oder ſieben Uhr nicht wieder ſehen, auch
keinen Laut von ſich hören. Selten kam einmal einer während der Schlafzeit hervor, um einige Noth-
durft zu verrichten, wobei ſie nie ihr Neſt verunreinigten. Die übrigen elf oder zwölf Stunden waren
ſie immer munter und außerhalb der Neſter beſchäftigt, bald mehr, bald weniger in Bewegung und
dabei ziemlich laut. Außer ihrem gewöhnlichen Girren ließen ſie, ſonderlich, wenn ſie auf Nahrung
aufmerkſam gemacht wurden, eine ihren franzöſiſchen Namen „Uiſtiti‟ ziemlich genau ausdrückende,
ſtärker tönende Stimme hören, oft mehrere Male hinter einander. Wenn ſie geſättigt ruhten oder
ſich ſonnten, ſtießen die Aelteſten zuweilen mit weit aufgeſperrtem Rachen ein langes, eintöniges,
außerordentlich durchdringendes und den Ohren wehthuendes Pfeifen aus und waren auch durch
Scheuchen und Rufen davon nicht abzubringen. Sahen ſie etwas Ungewöhnliches, z. B. Hunde,
Krähen
ꝛc., ſo machten ſie ein wiederholtes, abſetzendes Geſchnatter, faſt wie eine Elſter, und
warfen dabei den Obertheil des Leibes mit dem eingezogenen Kopfe jedesmal hin und her, wie ein
Menſch, der lauernd nach etwas ſieht und den rechten Geſichtspunkt ſucht. Noch ein anderes kuarren-
des und zuweilen grunzendes Geſchelte ließen die alten Männchen vernehmen, wenn man ſie ärgerte,
oder ihnen Etwas von weitem darbot und nicht geben wollte. Dabei verlängerten ſie das Geſicht,
wie andere Affen, wenn ſie zornig werden, ſtotterten in ungewöhnlicher Weiſe und ſuchten den Stören-
fried mit den Vorderpfoten zu greifen und zu kratzen, wurden aber ſehr ängſtlich, wenn man die Pfote
erhaſchte und außer dem Käfige feſthielt. Faſt ebenſo knarrten die Kleinen, erſt im ſelbigen Sommer
Gebornen, welche den Alten weder an Vollhaarigkeit, noch an Größe glichen, wenn ſie ſich unter ein-
ander oder mit den Alten um einen Leckerbiſſen zankten, und eben dieſe ließen, wenn ſie den Kürzern
zogen, einen klagenden Laut hören, welcher dem Miauen einer jungen Katze ähnelte.

„Alle Nahrung nehmen dieſe Affen mit dem Maule an, und, wenn ſie durch das Gitter nicht
dazu kommen können, iſt das Ergreifen derſelben mit den Vordertatzen ſehr ungeſchickt, weil deren
Daumen den anderen Fingern nicht entgegenſteht. Biſſen, welche ſie nicht auf einmal genießen
können, halten ſie daher mehr mit den eingeſchlagenen Fingern gegen den Handballen (wie es die
Eichhörnchen thun), als mit dem Daumen feſt, aber an den Hinterfüßen iſt der ſtärkere und allein
mit einem Nagel verſehene Daumen zum Anhalten ſehr geſchickt. Sie trinken auf allen Vieren ſitzend
mit ausgeſtrecktem oder zuſammengezogenem Leibe, entweder wie eine Katze leckend, oder mit ein-
getauchten Lippen und ſchlürfend. So fraßen ſie auch das erweichte Brod, welches man in die ihnen
vorgeſetzte Milch legte und eben als gewöhnliches Futter gab. Nach Zucker waren ſie ungemein be-
gierig und konnten ihn mit ihren ſtumpfen Zähnen recht hurtig nagen, obgleich ſie ſonſt nicht ſtark
und auch im größten Zorne kaum durch die Haut biſſen. Auf Fliegen, Schmetterlinge und
Spinnen waren ſie ſehr begierig. Von allem andern Futter fraßen ſie mit Mäßigung, doch war
ihr Geſchmack dabei ſehr verſchieden; denn das, was einigen wohlſchmeckte, wollten andere nicht an-
nehmen. Namentlich ein in Petersburg gebornes und dort groß gewordenes Weibchen wollte ver-
ſchiedene Dinge nicht genießen, welche den anderen angenehm waren.

„Die ſonſt bei Affen ſo gemeine Schlüpfrigkeit war bei dieſen Thieren gar nicht anſtößig. Man
ſah ſie außerhalb ihrer Neſter nie etwas Unanſtändiges begehen; nur wenn man ſie zornig machte
oder reizte, ſpritzten ſie ihren Harn von ſich, und zwar die Männchen mehr gegen weibliche Perſonen,
als gegen Männer. Des Morgens waren ſie alle ſehr unſauber, weil ſie ihren über Nacht auf-
geſammelten Harn und Unrath, ſoweit ſie konnten und oft einige Fuß weit zu ſpritzen und zu ſchleu-
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[128/0186] Die Affen. Krallenaffen. — Uiſtiti. hält ſich zuweilen mit den Hinterfüßen allein, abwärts gerichtet, an oder dehnt den Körper, an den Vorderfüßen befeſtigt, wie ein fauler Menſch. Bei warmem Sonnenſchein reinigen ſich die Geſpielen gegenſeitig mit den Vorderpfoten und Zähnen nach Affenart, bald neben einander am Gitter hängend, bald auf dem Boden, wobei einer von beiden lang ausgeſtreckt auf dem Rücken liegt. Dabei laſſen ſie ein geringes Zwitſchern und einen girrenden Laut hören. Mit demſelben Girren pflegten die Thiere des Abends beinahe auf Schlag ſechs Uhr in eine ihrer blos mit Stroh gefütterten Seitenhütten ihres Käfigs zuſammenzukriechen und ließen ſich vor Morgens ſechs oder ſieben Uhr nicht wieder ſehen, auch keinen Laut von ſich hören. Selten kam einmal einer während der Schlafzeit hervor, um einige Noth- durft zu verrichten, wobei ſie nie ihr Neſt verunreinigten. Die übrigen elf oder zwölf Stunden waren ſie immer munter und außerhalb der Neſter beſchäftigt, bald mehr, bald weniger in Bewegung und dabei ziemlich laut. Außer ihrem gewöhnlichen Girren ließen ſie, ſonderlich, wenn ſie auf Nahrung aufmerkſam gemacht wurden, eine ihren franzöſiſchen Namen „Uiſtiti‟ ziemlich genau ausdrückende, ſtärker tönende Stimme hören, oft mehrere Male hinter einander. Wenn ſie geſättigt ruhten oder ſich ſonnten, ſtießen die Aelteſten zuweilen mit weit aufgeſperrtem Rachen ein langes, eintöniges, außerordentlich durchdringendes und den Ohren wehthuendes Pfeifen aus und waren auch durch Scheuchen und Rufen davon nicht abzubringen. Sahen ſie etwas Ungewöhnliches, z. B. Hunde, Krähen ꝛc., ſo machten ſie ein wiederholtes, abſetzendes Geſchnatter, faſt wie eine Elſter, und warfen dabei den Obertheil des Leibes mit dem eingezogenen Kopfe jedesmal hin und her, wie ein Menſch, der lauernd nach etwas ſieht und den rechten Geſichtspunkt ſucht. Noch ein anderes kuarren- des und zuweilen grunzendes Geſchelte ließen die alten Männchen vernehmen, wenn man ſie ärgerte, oder ihnen Etwas von weitem darbot und nicht geben wollte. Dabei verlängerten ſie das Geſicht, wie andere Affen, wenn ſie zornig werden, ſtotterten in ungewöhnlicher Weiſe und ſuchten den Stören- fried mit den Vorderpfoten zu greifen und zu kratzen, wurden aber ſehr ängſtlich, wenn man die Pfote erhaſchte und außer dem Käfige feſthielt. Faſt ebenſo knarrten die Kleinen, erſt im ſelbigen Sommer Gebornen, welche den Alten weder an Vollhaarigkeit, noch an Größe glichen, wenn ſie ſich unter ein- ander oder mit den Alten um einen Leckerbiſſen zankten, und eben dieſe ließen, wenn ſie den Kürzern zogen, einen klagenden Laut hören, welcher dem Miauen einer jungen Katze ähnelte. „Alle Nahrung nehmen dieſe Affen mit dem Maule an, und, wenn ſie durch das Gitter nicht dazu kommen können, iſt das Ergreifen derſelben mit den Vordertatzen ſehr ungeſchickt, weil deren Daumen den anderen Fingern nicht entgegenſteht. Biſſen, welche ſie nicht auf einmal genießen können, halten ſie daher mehr mit den eingeſchlagenen Fingern gegen den Handballen (wie es die Eichhörnchen thun), als mit dem Daumen feſt, aber an den Hinterfüßen iſt der ſtärkere und allein mit einem Nagel verſehene Daumen zum Anhalten ſehr geſchickt. Sie trinken auf allen Vieren ſitzend mit ausgeſtrecktem oder zuſammengezogenem Leibe, entweder wie eine Katze leckend, oder mit ein- getauchten Lippen und ſchlürfend. So fraßen ſie auch das erweichte Brod, welches man in die ihnen vorgeſetzte Milch legte und eben als gewöhnliches Futter gab. Nach Zucker waren ſie ungemein be- gierig und konnten ihn mit ihren ſtumpfen Zähnen recht hurtig nagen, obgleich ſie ſonſt nicht ſtark und auch im größten Zorne kaum durch die Haut biſſen. Auf Fliegen, Schmetterlinge und Spinnen waren ſie ſehr begierig. Von allem andern Futter fraßen ſie mit Mäßigung, doch war ihr Geſchmack dabei ſehr verſchieden; denn das, was einigen wohlſchmeckte, wollten andere nicht an- nehmen. Namentlich ein in Petersburg gebornes und dort groß gewordenes Weibchen wollte ver- ſchiedene Dinge nicht genießen, welche den anderen angenehm waren. „Die ſonſt bei Affen ſo gemeine Schlüpfrigkeit war bei dieſen Thieren gar nicht anſtößig. Man ſah ſie außerhalb ihrer Neſter nie etwas Unanſtändiges begehen; nur wenn man ſie zornig machte oder reizte, ſpritzten ſie ihren Harn von ſich, und zwar die Männchen mehr gegen weibliche Perſonen, als gegen Männer. Des Morgens waren ſie alle ſehr unſauber, weil ſie ihren über Nacht auf- geſammelten Harn und Unrath, ſoweit ſie konnten und oft einige Fuß weit zu ſpritzen und zu ſchleu- dern ſuchten, während ſie zu anderen Zeiten denſelben ohne Umſtände in das Heu des Käfigs ablegten.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/186>, abgerufen am 30.04.2024.