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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Lebensweise. Fortpflanzung. Erziehung.
Jhr Harn verunreinigt Alles, was er berührt, mit einem widerlichen, moschus- oder amberartigen,
aber zugleich fauligen Gestank, und so reinlich man sie auch mit fast täglichem Wechsel des Heues und
Auswaschen des Käfigbodens zu halten sucht, verursachen sie doch, zumal in kleineren Zimmern,
einen durchdringenden Uebelgeruch, welcher der Gesundheit sehr nachtheilig zu sein scheint. Wenigstens
haben Leute, welche mit diesen Affen das Zimmer Tag und Nacht theilten, schon mehrere Male Faul-
fieber bekommen. Jhre Nester hielten die Thiere stets trocken und reinlich."

"Als Affen, die eigentlich in Südamerika zu Hause sind, hätte man die Saguinchen für weit
frostiger halten können, als sie es wirklich sind. Jn den kalten Herbsttagen, in denen ich sie bei mir
hatte, hielten sie im ungeheizten Zimmer, wo sie am Fenster standen, bei Wärmegraden aus, welche
beständig dem Gefrierpunkt nahe waren. Freilich suchten sie alsdann die Sonne oder die Nachbar-
schaft des neben sie gestellten Feuerbeckens, bei welchem sie sich, am Käfig hängend, Stunden lang
wärmten. Sehr sonderbar ist, daß ihnen hier in Petersburg die große Hitze unangenehm ist. Jhr
Herr versicherte, daß er sie bei heißen Sommertagen öfters in krampfhaften Zuckungen habe nieder-
fallen sehen, welches ihnen sonst nur sehr selten widerfährt. Uebrigens ist es wahrhaft rührend anzu-
sehen, wie sich die Gesunden augenblicklich mit einem derartig Erkrankten beschäftigen und wie sie
bemüht sind, um ihm zu Hilfe zu kommen."

"Das Weibchen trägt ungefähr drei (?) Monate und kann zweimal im Jahre werfen. Die
Mutter hat hier nun schon seit nicht ganz zwei Jahren das dritte Mal, auf jeden Wurf zwei Junge,
und zwar größtentheils Männchen gebracht, und diese sind alle glücklich aufgewachsen, und nur zwei
sind nach erreichtem vollkommenen Wachsthum gestorben. Die Jungen, welche die ersten Wochen
hindurch ganz kahl sind, lassen sich von der Mutter immer umhertragen und klammern sich gleich
hinter den großen, mit weißen, langen Haaren umpflanzten Ohren so dicht und versteckt an, daß man
nur den Kopf mit den munteren Augen zu sehen glaubt. Wenn die Mutter ihrer überdrüssig ist, reißt
sie dieselben ab und wirft sie dem Männchen auf den Hals, oder schlägt und zankt auf dieses los, bis
es die Jungen aufnimmt. Nachdem diese Haare bekommen haben, sucht sie die Alte, etwa nach
einem Monat oder sechs Wochen, zu entwöhnen und schützt sie auch vor ihren erwachsenen Brüdern
nicht mehr. Mit letzteren nämlich und auch unter sich selbst gerathen sie oft in Streit, wobei der
Schwächere zuweilen unterliegt und manchmal von den anderen fast erwürgt wird."

Diese ausführliche Lebensschilderung der kleinen Affen ist besonders aus dem Grunde wichtig,
weil sie das bisher Mitgetheilte, auf den Beobachtungen anderer Naturforscher Beruhende, theilweise
widerlegt. Man sieht daraus, wie viele Beobachtungen über ein einziges Thier gemacht werden
müssen, ehe der Naturforscher ein klares und vollkommen richtiges Bild von dem Wesen und Treiben
eines Thieres erhält.

Die alten Uistitis zeigen sehr wenig Verstand, wohl aber viel Mißtrauen und achten deshalb auf
Alles genau. Sie unterscheiden kaum die Personen und andere Wesen, selbst ihre Wärter nicht.

Leider überleben diese zierlichen Thiere bei uns selten mehrere Winter; denn gewöhnlich dauern
sie nur bei vortrefflicher Pflege einige Jahre aus. Jn ihrer Heimat können sie ziemlich lange in der
Gefangenschaft gehalten werden, und wenn sie sterben, ist es auch nicht schwer, andere zu bekommen.
Man schießt die Alte mit der Kugel oder mit einem Pfeile und nimmt das Junge mit nach Hause.
Es klammert sich augenblicklich nach dem Tode seiner Pflegerin fest an seinen neuen Beschützer an und
scheint schon nach wenig Tagen sich vollkommen an denselben gewöhnt zu haben.

Der letzte Affe, welchen wir hier zu betrachten haben, ist ein Midasaffe und zwar der Binche
oder rothschwänzige Midas (Midas Oedipus). Er und seine Verwandten sind kleine, sehr zier-
liche Thierchen. Der Binche ist blos sechs Zoll, sein Schwanz fast doppelt so lang. Alle Arten sind
sehr schön gestaltete und auch hübsch gezeichnete Geschöpfe. Der Pelz des Löwenäffchens z. B. ist
falb oder röthlichgelblich, die Spitzen der Haare goldig. Dieselbe Farbe hat auch die Mähne. Die
Haare um das Gesicht herum aber sind braun, und vom Gesicht aus zieht sich ein schwarzbrauner

Brehm, Thierleben. 9

Lebensweiſe. Fortpflanzung. Erziehung.
Jhr Harn verunreinigt Alles, was er berührt, mit einem widerlichen, moſchus- oder amberartigen,
aber zugleich fauligen Geſtank, und ſo reinlich man ſie auch mit faſt täglichem Wechſel des Heues und
Auswaſchen des Käfigbodens zu halten ſucht, verurſachen ſie doch, zumal in kleineren Zimmern,
einen durchdringenden Uebelgeruch, welcher der Geſundheit ſehr nachtheilig zu ſein ſcheint. Wenigſtens
haben Leute, welche mit dieſen Affen das Zimmer Tag und Nacht theilten, ſchon mehrere Male Faul-
fieber bekommen. Jhre Neſter hielten die Thiere ſtets trocken und reinlich.‟

„Als Affen, die eigentlich in Südamerika zu Hauſe ſind, hätte man die Saguinchen für weit
froſtiger halten können, als ſie es wirklich ſind. Jn den kalten Herbſttagen, in denen ich ſie bei mir
hatte, hielten ſie im ungeheizten Zimmer, wo ſie am Fenſter ſtanden, bei Wärmegraden aus, welche
beſtändig dem Gefrierpunkt nahe waren. Freilich ſuchten ſie alsdann die Sonne oder die Nachbar-
ſchaft des neben ſie geſtellten Feuerbeckens, bei welchem ſie ſich, am Käfig hängend, Stunden lang
wärmten. Sehr ſonderbar iſt, daß ihnen hier in Petersburg die große Hitze unangenehm iſt. Jhr
Herr verſicherte, daß er ſie bei heißen Sommertagen öfters in krampfhaften Zuckungen habe nieder-
fallen ſehen, welches ihnen ſonſt nur ſehr ſelten widerfährt. Uebrigens iſt es wahrhaft rührend anzu-
ſehen, wie ſich die Geſunden augenblicklich mit einem derartig Erkrankten beſchäftigen und wie ſie
bemüht ſind, um ihm zu Hilfe zu kommen.‟

„Das Weibchen trägt ungefähr drei (?) Monate und kann zweimal im Jahre werfen. Die
Mutter hat hier nun ſchon ſeit nicht ganz zwei Jahren das dritte Mal, auf jeden Wurf zwei Junge,
und zwar größtentheils Männchen gebracht, und dieſe ſind alle glücklich aufgewachſen, und nur zwei
ſind nach erreichtem vollkommenen Wachsthum geſtorben. Die Jungen, welche die erſten Wochen
hindurch ganz kahl ſind, laſſen ſich von der Mutter immer umhertragen und klammern ſich gleich
hinter den großen, mit weißen, langen Haaren umpflanzten Ohren ſo dicht und verſteckt an, daß man
nur den Kopf mit den munteren Augen zu ſehen glaubt. Wenn die Mutter ihrer überdrüſſig iſt, reißt
ſie dieſelben ab und wirft ſie dem Männchen auf den Hals, oder ſchlägt und zankt auf dieſes los, bis
es die Jungen aufnimmt. Nachdem dieſe Haare bekommen haben, ſucht ſie die Alte, etwa nach
einem Monat oder ſechs Wochen, zu entwöhnen und ſchützt ſie auch vor ihren erwachſenen Brüdern
nicht mehr. Mit letzteren nämlich und auch unter ſich ſelbſt gerathen ſie oft in Streit, wobei der
Schwächere zuweilen unterliegt und manchmal von den anderen faſt erwürgt wird.‟

Dieſe ausführliche Lebensſchilderung der kleinen Affen iſt beſonders aus dem Grunde wichtig,
weil ſie das bisher Mitgetheilte, auf den Beobachtungen anderer Naturforſcher Beruhende, theilweiſe
widerlegt. Man ſieht daraus, wie viele Beobachtungen über ein einziges Thier gemacht werden
müſſen, ehe der Naturforſcher ein klares und vollkommen richtiges Bild von dem Weſen und Treiben
eines Thieres erhält.

Die alten Uiſtitis zeigen ſehr wenig Verſtand, wohl aber viel Mißtrauen und achten deshalb auf
Alles genau. Sie unterſcheiden kaum die Perſonen und andere Weſen, ſelbſt ihre Wärter nicht.

Leider überleben dieſe zierlichen Thiere bei uns ſelten mehrere Winter; denn gewöhnlich dauern
ſie nur bei vortrefflicher Pflege einige Jahre aus. Jn ihrer Heimat können ſie ziemlich lange in der
Gefangenſchaft gehalten werden, und wenn ſie ſterben, iſt es auch nicht ſchwer, andere zu bekommen.
Man ſchießt die Alte mit der Kugel oder mit einem Pfeile und nimmt das Junge mit nach Hauſe.
Es klammert ſich augenblicklich nach dem Tode ſeiner Pflegerin feſt an ſeinen neuen Beſchützer an und
ſcheint ſchon nach wenig Tagen ſich vollkommen an denſelben gewöhnt zu haben.

Der letzte Affe, welchen wir hier zu betrachten haben, iſt ein Midasaffe und zwar der Binche
oder rothſchwänzige Midas (Midas Oedipus). Er und ſeine Verwandten ſind kleine, ſehr zier-
liche Thierchen. Der Binche iſt blos ſechs Zoll, ſein Schwanz faſt doppelt ſo lang. Alle Arten ſind
ſehr ſchön geſtaltete und auch hübſch gezeichnete Geſchöpfe. Der Pelz des Löwenäffchens z. B. iſt
falb oder röthlichgelblich, die Spitzen der Haare goldig. Dieſelbe Farbe hat auch die Mähne. Die
Haare um das Geſicht herum aber ſind braun, und vom Geſicht aus zieht ſich ein ſchwarzbrauner

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[129/0187] Lebensweiſe. Fortpflanzung. Erziehung. Jhr Harn verunreinigt Alles, was er berührt, mit einem widerlichen, moſchus- oder amberartigen, aber zugleich fauligen Geſtank, und ſo reinlich man ſie auch mit faſt täglichem Wechſel des Heues und Auswaſchen des Käfigbodens zu halten ſucht, verurſachen ſie doch, zumal in kleineren Zimmern, einen durchdringenden Uebelgeruch, welcher der Geſundheit ſehr nachtheilig zu ſein ſcheint. Wenigſtens haben Leute, welche mit dieſen Affen das Zimmer Tag und Nacht theilten, ſchon mehrere Male Faul- fieber bekommen. Jhre Neſter hielten die Thiere ſtets trocken und reinlich.‟ „Als Affen, die eigentlich in Südamerika zu Hauſe ſind, hätte man die Saguinchen für weit froſtiger halten können, als ſie es wirklich ſind. Jn den kalten Herbſttagen, in denen ich ſie bei mir hatte, hielten ſie im ungeheizten Zimmer, wo ſie am Fenſter ſtanden, bei Wärmegraden aus, welche beſtändig dem Gefrierpunkt nahe waren. Freilich ſuchten ſie alsdann die Sonne oder die Nachbar- ſchaft des neben ſie geſtellten Feuerbeckens, bei welchem ſie ſich, am Käfig hängend, Stunden lang wärmten. Sehr ſonderbar iſt, daß ihnen hier in Petersburg die große Hitze unangenehm iſt. Jhr Herr verſicherte, daß er ſie bei heißen Sommertagen öfters in krampfhaften Zuckungen habe nieder- fallen ſehen, welches ihnen ſonſt nur ſehr ſelten widerfährt. Uebrigens iſt es wahrhaft rührend anzu- ſehen, wie ſich die Geſunden augenblicklich mit einem derartig Erkrankten beſchäftigen und wie ſie bemüht ſind, um ihm zu Hilfe zu kommen.‟ „Das Weibchen trägt ungefähr drei (?) Monate und kann zweimal im Jahre werfen. Die Mutter hat hier nun ſchon ſeit nicht ganz zwei Jahren das dritte Mal, auf jeden Wurf zwei Junge, und zwar größtentheils Männchen gebracht, und dieſe ſind alle glücklich aufgewachſen, und nur zwei ſind nach erreichtem vollkommenen Wachsthum geſtorben. Die Jungen, welche die erſten Wochen hindurch ganz kahl ſind, laſſen ſich von der Mutter immer umhertragen und klammern ſich gleich hinter den großen, mit weißen, langen Haaren umpflanzten Ohren ſo dicht und verſteckt an, daß man nur den Kopf mit den munteren Augen zu ſehen glaubt. Wenn die Mutter ihrer überdrüſſig iſt, reißt ſie dieſelben ab und wirft ſie dem Männchen auf den Hals, oder ſchlägt und zankt auf dieſes los, bis es die Jungen aufnimmt. Nachdem dieſe Haare bekommen haben, ſucht ſie die Alte, etwa nach einem Monat oder ſechs Wochen, zu entwöhnen und ſchützt ſie auch vor ihren erwachſenen Brüdern nicht mehr. Mit letzteren nämlich und auch unter ſich ſelbſt gerathen ſie oft in Streit, wobei der Schwächere zuweilen unterliegt und manchmal von den anderen faſt erwürgt wird.‟ Dieſe ausführliche Lebensſchilderung der kleinen Affen iſt beſonders aus dem Grunde wichtig, weil ſie das bisher Mitgetheilte, auf den Beobachtungen anderer Naturforſcher Beruhende, theilweiſe widerlegt. Man ſieht daraus, wie viele Beobachtungen über ein einziges Thier gemacht werden müſſen, ehe der Naturforſcher ein klares und vollkommen richtiges Bild von dem Weſen und Treiben eines Thieres erhält. Die alten Uiſtitis zeigen ſehr wenig Verſtand, wohl aber viel Mißtrauen und achten deshalb auf Alles genau. Sie unterſcheiden kaum die Perſonen und andere Weſen, ſelbſt ihre Wärter nicht. Leider überleben dieſe zierlichen Thiere bei uns ſelten mehrere Winter; denn gewöhnlich dauern ſie nur bei vortrefflicher Pflege einige Jahre aus. Jn ihrer Heimat können ſie ziemlich lange in der Gefangenſchaft gehalten werden, und wenn ſie ſterben, iſt es auch nicht ſchwer, andere zu bekommen. Man ſchießt die Alte mit der Kugel oder mit einem Pfeile und nimmt das Junge mit nach Hauſe. Es klammert ſich augenblicklich nach dem Tode ſeiner Pflegerin feſt an ſeinen neuen Beſchützer an und ſcheint ſchon nach wenig Tagen ſich vollkommen an denſelben gewöhnt zu haben. Der letzte Affe, welchen wir hier zu betrachten haben, iſt ein Midasaffe und zwar der Binche oder rothſchwänzige Midas (Midas Oedipus). Er und ſeine Verwandten ſind kleine, ſehr zier- liche Thierchen. Der Binche iſt blos ſechs Zoll, ſein Schwanz faſt doppelt ſo lang. Alle Arten ſind ſehr ſchön geſtaltete und auch hübſch gezeichnete Geſchöpfe. Der Pelz des Löwenäffchens z. B. iſt falb oder röthlichgelblich, die Spitzen der Haare goldig. Dieſelbe Farbe hat auch die Mähne. Die Haare um das Geſicht herum aber ſind braun, und vom Geſicht aus zieht ſich ein ſchwarzbrauner Brehm, Thierleben. 9

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/187>, abgerufen am 30.04.2024.