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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeiner Ameisenlöwe.
diese drohenden Zangen, in der vorstehenden Abbildung und würden bei näherer Untersuchung
ihren merkwürdigen Bau richtig deuten. Der obere Theil derselben stellt den innen dreizähnigen
Oberkiefer dar, welcher an der Unterseite ausgehöhlt ist, um die feinen, borstenförmigen Unter-
kieferhälften aufzunehmen, mit welchen zusammen der Saugapparat hergestellt ist. Die Taster an
letzteren fehlen, die der Lippe dagegen bestehen aus einem auffallend großen, elliptischen Grund-
gliede, dem drei kleinere, cylindrische Glieder folgen, und befinden sich nicht zwischen den Kiefern,
vorwärts gerichtet, sondern seitlich unter ihnen. An den Ecken des großen, nahezu herzförmigen
Kopfes sitzen je sieben Augen und Fühler, welche die Länge der Lippentaster nicht erreichen. Die
Beine enden in zwei große Krallen ohne Haftlappen. Am plumpen Körper fallen der halsartig
verdünnte Vorderbrustring, die starke Behaarung, welche seitwärts an Warzen büschelartig auftritt,
und die buckelige Höhe der Hinterleibswurzel sogleich in die Augen. Das letzte kugelige Leibes-
glied läuft nicht in Hornplättchen, sondern in beborstete Warzen aus. Der eben beschriebene
"Ameisenlöwe" legt unter stoßweisen, rückwärts gerichteten Bewegungen seinen Trichter an. Er
beginnt den Bau mit einem kreisförmigen Graben, dessen Größe durch seine eigene bedingt wird
und dessen Außenrand gleichzeitig den der künftigen Wohnung absteckt. Jn der Mitte steht dem-
nach ein stumpfer Sandkegel, welchen er auf eine eben so fördernde, wie sinnreiche Weise zu
beseitigen versteht. Er wühlt sich da, wo er den ersten Kreis eben vollendete, mit dem Hinter-
leibe in den Sand und in einer immer enger werdenden Schraubenlinie zurückweichend, bringt er
mit dem nach innen liegenden Vorderfuße den Sand auf seinen breiten, schauselartigen Kopf und
wirst ihn mit demselben so gewandt und mit solcher Gewalt über den Außenrand des ersten
Grabens, daß er mehrere Zoll weit wegfliegt. Dann und wann ruht er aus, ist er aber bei der
Arbeit, so erzeugen die flinken Bewegungen einen ununterbrochenen Sandregen. Der innere Kegel
nimmt mit jedem Umgange immer mehr ab, wie sich von selbst versteht, und schwindet vollständig
mit der Ankunft des kleinen Minengräbers im Mittelpunkte, wo er sich mit Ausschluß der Zangen
einwühlt und Platz greift. Um sich die Arbeit, welche eine bedeutende Muskelkraft in Anspruch
nimmt, zu erleichtern, geht er nicht von Anfang bis zu Ende in derselben Richtung, sondern
dreht sich von Zeit zu Zeit um, damit einmal das linke Bein Handlangerdienste verrichte, wenn
es bisher das rechte gethan hatte. Kommen gröbere Sandkörner in den Weg, was nicht aus-
bleibt, so werden sie einzeln aufgeladen, noch größere, welche sich nicht werfen lassen, wohl gar
auf dem Rücken hinausgetragen. Man hat beobachtet, daß in dieser Hinsicht mißlungene Versuche
öfter wiederholt wurden und daß erst dann, wenn sich alle Bemühungen erfolglos zeigten, ein
anderer Platz in der Nachbarschaft ausgesucht wurde, um hier die Arbeit in Erwartung eines
glücklicheren Erfolges von vorn zu beginnen. Weil der Körperbau den Ameisenlöwen zu weiteren
Wanderungen nicht befähigt, so forgte die umsichtige Mutter schon dafür, daß sie nur an solchen
Stellen ihre Eier in den Sand ausstreute, wo der Nachkommenschaft die Möglichkeit gegeben ist,
den zum ferneren Gedeihen nöthigen Bau ausführen zu können. Es bedarf wohl kaum der
Erinnerung, daß der Ameisenlöwe nicht ein und denselben Trichter für immer bewohnt; wird er
größer, so bedarf er eines umfangreicheren, ganz abgesehen von Unglücksfällen mancherlei Art,
welche denselben zerstören oder von dem Mangel an Nahrung, welche zur Anlage eines neuen auf-
fordern. Der Trichter einer erwachsenen Larve mißt ungefähr zwei Zoll in die Tiefe und etwa
drei Zoll im Durchmesser des obern Randes, doch sind diese Verhältnisse nicht beständig und
richten sich gewiß theilweise nach der Beschaffenheit des Bodens. Nicht immer erlangt der unten
im Grunde des Trichters verborgene Räuber seine Beute ohne Mühe und Kraftanstrengung; eine
kleine Raupe, Assel, Spinne und andere größere Thiere, welche so unglücklich waren, in den
Abgrund zu rutschen oder durch einen Sandregen zum Herabgleiten gebracht wurden, wenn für
sie noch Aussicht vorhanden war, sich oben zu erhalten, setzen natürlich mehr Widerstand entgegen,
und wehren sich tapferer als eine Ameise oder ein ihr gleich großes Käferchen. Bonnet erzählt
ein interessantes Beispiel, welches nicht minder die Zähigkeit des Ameisenlöwen, als die rührende

Gemeiner Ameiſenlöwe.
dieſe drohenden Zangen, in der vorſtehenden Abbildung und würden bei näherer Unterſuchung
ihren merkwürdigen Bau richtig deuten. Der obere Theil derſelben ſtellt den innen dreizähnigen
Oberkiefer dar, welcher an der Unterſeite ausgehöhlt iſt, um die feinen, borſtenförmigen Unter-
kieferhälften aufzunehmen, mit welchen zuſammen der Saugapparat hergeſtellt iſt. Die Taſter an
letzteren fehlen, die der Lippe dagegen beſtehen aus einem auffallend großen, elliptiſchen Grund-
gliede, dem drei kleinere, cylindriſche Glieder folgen, und befinden ſich nicht zwiſchen den Kiefern,
vorwärts gerichtet, ſondern ſeitlich unter ihnen. An den Ecken des großen, nahezu herzförmigen
Kopfes ſitzen je ſieben Augen und Fühler, welche die Länge der Lippentaſter nicht erreichen. Die
Beine enden in zwei große Krallen ohne Haftlappen. Am plumpen Körper fallen der halsartig
verdünnte Vorderbruſtring, die ſtarke Behaarung, welche ſeitwärts an Warzen büſchelartig auftritt,
und die buckelige Höhe der Hinterleibswurzel ſogleich in die Augen. Das letzte kugelige Leibes-
glied läuft nicht in Hornplättchen, ſondern in beborſtete Warzen aus. Der eben beſchriebene
„Ameiſenlöwe“ legt unter ſtoßweiſen, rückwärts gerichteten Bewegungen ſeinen Trichter an. Er
beginnt den Bau mit einem kreisförmigen Graben, deſſen Größe durch ſeine eigene bedingt wird
und deſſen Außenrand gleichzeitig den der künftigen Wohnung abſteckt. Jn der Mitte ſteht dem-
nach ein ſtumpfer Sandkegel, welchen er auf eine eben ſo fördernde, wie ſinnreiche Weiſe zu
beſeitigen verſteht. Er wühlt ſich da, wo er den erſten Kreis eben vollendete, mit dem Hinter-
leibe in den Sand und in einer immer enger werdenden Schraubenlinie zurückweichend, bringt er
mit dem nach innen liegenden Vorderfuße den Sand auf ſeinen breiten, ſchauſelartigen Kopf und
wirſt ihn mit demſelben ſo gewandt und mit ſolcher Gewalt über den Außenrand des erſten
Grabens, daß er mehrere Zoll weit wegfliegt. Dann und wann ruht er aus, iſt er aber bei der
Arbeit, ſo erzeugen die flinken Bewegungen einen ununterbrochenen Sandregen. Der innere Kegel
nimmt mit jedem Umgange immer mehr ab, wie ſich von ſelbſt verſteht, und ſchwindet vollſtändig
mit der Ankunft des kleinen Minengräbers im Mittelpunkte, wo er ſich mit Ausſchluß der Zangen
einwühlt und Platz greift. Um ſich die Arbeit, welche eine bedeutende Muskelkraft in Anſpruch
nimmt, zu erleichtern, geht er nicht von Anfang bis zu Ende in derſelben Richtung, ſondern
dreht ſich von Zeit zu Zeit um, damit einmal das linke Bein Handlangerdienſte verrichte, wenn
es bisher das rechte gethan hatte. Kommen gröbere Sandkörner in den Weg, was nicht aus-
bleibt, ſo werden ſie einzeln aufgeladen, noch größere, welche ſich nicht werfen laſſen, wohl gar
auf dem Rücken hinausgetragen. Man hat beobachtet, daß in dieſer Hinſicht mißlungene Verſuche
öfter wiederholt wurden und daß erſt dann, wenn ſich alle Bemühungen erfolglos zeigten, ein
anderer Platz in der Nachbarſchaft ausgeſucht wurde, um hier die Arbeit in Erwartung eines
glücklicheren Erfolges von vorn zu beginnen. Weil der Körperbau den Ameiſenlöwen zu weiteren
Wanderungen nicht befähigt, ſo forgte die umſichtige Mutter ſchon dafür, daß ſie nur an ſolchen
Stellen ihre Eier in den Sand ausſtreute, wo der Nachkommenſchaft die Möglichkeit gegeben iſt,
den zum ferneren Gedeihen nöthigen Bau ausführen zu können. Es bedarf wohl kaum der
Erinnerung, daß der Ameiſenlöwe nicht ein und denſelben Trichter für immer bewohnt; wird er
größer, ſo bedarf er eines umfangreicheren, ganz abgeſehen von Unglücksfällen mancherlei Art,
welche denſelben zerſtören oder von dem Mangel an Nahrung, welche zur Anlage eines neuen auf-
fordern. Der Trichter einer erwachſenen Larve mißt ungefähr zwei Zoll in die Tiefe und etwa
drei Zoll im Durchmeſſer des obern Randes, doch ſind dieſe Verhältniſſe nicht beſtändig und
richten ſich gewiß theilweiſe nach der Beſchaffenheit des Bodens. Nicht immer erlangt der unten
im Grunde des Trichters verborgene Räuber ſeine Beute ohne Mühe und Kraftanſtrengung; eine
kleine Raupe, Aſſel, Spinne und andere größere Thiere, welche ſo unglücklich waren, in den
Abgrund zu rutſchen oder durch einen Sandregen zum Herabgleiten gebracht wurden, wenn für
ſie noch Ausſicht vorhanden war, ſich oben zu erhalten, ſetzen natürlich mehr Widerſtand entgegen,
und wehren ſich tapferer als eine Ameiſe oder ein ihr gleich großes Käferchen. Bonnet erzählt
ein intereſſantes Beiſpiel, welches nicht minder die Zähigkeit des Ameiſenlöwen, als die rührende

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[423/0449] Gemeiner Ameiſenlöwe. dieſe drohenden Zangen, in der vorſtehenden Abbildung und würden bei näherer Unterſuchung ihren merkwürdigen Bau richtig deuten. Der obere Theil derſelben ſtellt den innen dreizähnigen Oberkiefer dar, welcher an der Unterſeite ausgehöhlt iſt, um die feinen, borſtenförmigen Unter- kieferhälften aufzunehmen, mit welchen zuſammen der Saugapparat hergeſtellt iſt. Die Taſter an letzteren fehlen, die der Lippe dagegen beſtehen aus einem auffallend großen, elliptiſchen Grund- gliede, dem drei kleinere, cylindriſche Glieder folgen, und befinden ſich nicht zwiſchen den Kiefern, vorwärts gerichtet, ſondern ſeitlich unter ihnen. An den Ecken des großen, nahezu herzförmigen Kopfes ſitzen je ſieben Augen und Fühler, welche die Länge der Lippentaſter nicht erreichen. Die Beine enden in zwei große Krallen ohne Haftlappen. Am plumpen Körper fallen der halsartig verdünnte Vorderbruſtring, die ſtarke Behaarung, welche ſeitwärts an Warzen büſchelartig auftritt, und die buckelige Höhe der Hinterleibswurzel ſogleich in die Augen. Das letzte kugelige Leibes- glied läuft nicht in Hornplättchen, ſondern in beborſtete Warzen aus. Der eben beſchriebene „Ameiſenlöwe“ legt unter ſtoßweiſen, rückwärts gerichteten Bewegungen ſeinen Trichter an. Er beginnt den Bau mit einem kreisförmigen Graben, deſſen Größe durch ſeine eigene bedingt wird und deſſen Außenrand gleichzeitig den der künftigen Wohnung abſteckt. Jn der Mitte ſteht dem- nach ein ſtumpfer Sandkegel, welchen er auf eine eben ſo fördernde, wie ſinnreiche Weiſe zu beſeitigen verſteht. Er wühlt ſich da, wo er den erſten Kreis eben vollendete, mit dem Hinter- leibe in den Sand und in einer immer enger werdenden Schraubenlinie zurückweichend, bringt er mit dem nach innen liegenden Vorderfuße den Sand auf ſeinen breiten, ſchauſelartigen Kopf und wirſt ihn mit demſelben ſo gewandt und mit ſolcher Gewalt über den Außenrand des erſten Grabens, daß er mehrere Zoll weit wegfliegt. Dann und wann ruht er aus, iſt er aber bei der Arbeit, ſo erzeugen die flinken Bewegungen einen ununterbrochenen Sandregen. Der innere Kegel nimmt mit jedem Umgange immer mehr ab, wie ſich von ſelbſt verſteht, und ſchwindet vollſtändig mit der Ankunft des kleinen Minengräbers im Mittelpunkte, wo er ſich mit Ausſchluß der Zangen einwühlt und Platz greift. Um ſich die Arbeit, welche eine bedeutende Muskelkraft in Anſpruch nimmt, zu erleichtern, geht er nicht von Anfang bis zu Ende in derſelben Richtung, ſondern dreht ſich von Zeit zu Zeit um, damit einmal das linke Bein Handlangerdienſte verrichte, wenn es bisher das rechte gethan hatte. Kommen gröbere Sandkörner in den Weg, was nicht aus- bleibt, ſo werden ſie einzeln aufgeladen, noch größere, welche ſich nicht werfen laſſen, wohl gar auf dem Rücken hinausgetragen. Man hat beobachtet, daß in dieſer Hinſicht mißlungene Verſuche öfter wiederholt wurden und daß erſt dann, wenn ſich alle Bemühungen erfolglos zeigten, ein anderer Platz in der Nachbarſchaft ausgeſucht wurde, um hier die Arbeit in Erwartung eines glücklicheren Erfolges von vorn zu beginnen. Weil der Körperbau den Ameiſenlöwen zu weiteren Wanderungen nicht befähigt, ſo forgte die umſichtige Mutter ſchon dafür, daß ſie nur an ſolchen Stellen ihre Eier in den Sand ausſtreute, wo der Nachkommenſchaft die Möglichkeit gegeben iſt, den zum ferneren Gedeihen nöthigen Bau ausführen zu können. Es bedarf wohl kaum der Erinnerung, daß der Ameiſenlöwe nicht ein und denſelben Trichter für immer bewohnt; wird er größer, ſo bedarf er eines umfangreicheren, ganz abgeſehen von Unglücksfällen mancherlei Art, welche denſelben zerſtören oder von dem Mangel an Nahrung, welche zur Anlage eines neuen auf- fordern. Der Trichter einer erwachſenen Larve mißt ungefähr zwei Zoll in die Tiefe und etwa drei Zoll im Durchmeſſer des obern Randes, doch ſind dieſe Verhältniſſe nicht beſtändig und richten ſich gewiß theilweiſe nach der Beſchaffenheit des Bodens. Nicht immer erlangt der unten im Grunde des Trichters verborgene Räuber ſeine Beute ohne Mühe und Kraftanſtrengung; eine kleine Raupe, Aſſel, Spinne und andere größere Thiere, welche ſo unglücklich waren, in den Abgrund zu rutſchen oder durch einen Sandregen zum Herabgleiten gebracht wurden, wenn für ſie noch Ausſicht vorhanden war, ſich oben zu erhalten, ſetzen natürlich mehr Widerſtand entgegen, und wehren ſich tapferer als eine Ameiſe oder ein ihr gleich großes Käferchen. Bonnet erzählt ein intereſſantes Beiſpiel, welches nicht minder die Zähigkeit des Ameiſenlöwen, als die rührende

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/449>, abgerufen am 29.04.2024.