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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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gottesfürchtig beizuwohnen und ein Huhn an dem sogenann¬
ten Hühnerabend abzuliefern hat. Auch sollen dieselben sol¬
chen Braut- und Leichenzügen mit ihren Namen bezeichnen¬
den Blumen geschmückt beiwohnen und derlei Blumen zu
Füßen des Grabes erhalten, mit der kindlichen Liebesmei¬
nung, diese möchten dort statt ihrer beten, wenn sie selbst
nicht anwesend seyn könnten. -- Eine jede erstgeborne Toch¬
ter meiner Nachkommen nimmt mit ihren mündigen Jahren
das Amt der Ordensgeneralin und den Titel: "das arme
Kind von Hennegau" an und hat an ihrem Gürtel als Braut
und als Leiche acht Bänder von amaranthfarbigem Linnen¬
band befestiget, welche die Ordensgespielinnen anfassen, wenn
sie dem Zuge folgen. Sie gehen in dem Grand Cortege dicht
hinter den drei Klosterfrauen von Lilienthal. -- Sie haben
dies Alles zu erfüllen bei Verlust ihrer Rechte.

Diese unsre Erklärung soll bei Braut- und Leichenzügen
den Ordensgespielinnen jedesmal vorgelesen werden. -- So¬
dann sind die Pflichten der Klosterfrauen von Lilienthal zu
lesen und dieselben aufzurufen, worauf die Ordensgespielin¬
nen oder deren Lehnserben aufgerufen und von ihnen die
Pflichthühner abgeliefert werden sollen.

Gegeben in unserm Kabinetchen im Jahr, da man
sang:

"Gott grüß dich Mond und Sternenschein,
Entlaubet ist das Fensterlein!"

Pflichten der Klosterfrauen von Lilienthal.

Als ich am Tage nach Johanni des Jahres 1318 den
drei Fräulein zur Lilien auf Gottes höhere Mahnung und
ihr dringendes Bitten das Kloster Lilienthal gründete und
ausstattete, wurde dieses Kloster Lilienthal verpflichtet, den
Braut- und Leichenzug jeder Gräfin von Hennegau und Lehns¬
huldinn von Vadutz, welche das Kleinod auf den Schultern
trägt, von drei Klosterjungfrauen begleiten zu lassen und auf

gottesfuͤrchtig beizuwohnen und ein Huhn an dem ſogenann¬
ten Huͤhnerabend abzuliefern hat. Auch ſollen dieſelben ſol¬
chen Braut- und Leichenzuͤgen mit ihren Namen bezeichnen¬
den Blumen geſchmuͤckt beiwohnen und derlei Blumen zu
Fuͤßen des Grabes erhalten, mit der kindlichen Liebesmei¬
nung, dieſe moͤchten dort ſtatt ihrer beten, wenn ſie ſelbſt
nicht anweſend ſeyn koͤnnten. — Eine jede erſtgeborne Toch¬
ter meiner Nachkommen nimmt mit ihren muͤndigen Jahren
das Amt der Ordensgeneralin und den Titel: „das arme
Kind von Hennegau“ an und hat an ihrem Guͤrtel als Braut
und als Leiche acht Baͤnder von amaranthfarbigem Linnen¬
band befeſtiget, welche die Ordensgeſpielinnen anfaſſen, wenn
ſie dem Zuge folgen. Sie gehen in dem Grand Cortege dicht
hinter den drei Kloſterfrauen von Lilienthal. — Sie haben
dies Alles zu erfuͤllen bei Verluſt ihrer Rechte.

Dieſe unſre Erklaͤrung ſoll bei Braut- und Leichenzuͤgen
den Ordensgeſpielinnen jedesmal vorgeleſen werden. — So¬
dann ſind die Pflichten der Kloſterfrauen von Lilienthal zu
leſen und dieſelben aufzurufen, worauf die Ordensgeſpielin¬
nen oder deren Lehnserben aufgerufen und von ihnen die
Pflichthuͤhner abgeliefert werden ſollen.

Gegeben in unſerm Kabinetchen im Jahr, da man
ſang:

„Gott gruͤß dich Mond und Sternenſchein,
Entlaubet iſt das Fenſterlein!“

Pflichten der Kloſterfrauen von Lilienthal.

Als ich am Tage nach Johanni des Jahres 1318 den
drei Fraͤulein zur Lilien auf Gottes hoͤhere Mahnung und
ihr dringendes Bitten das Kloſter Lilienthal gruͤndete und
ausſtattete, wurde dieſes Kloſter Lilienthal verpflichtet, den
Braut- und Leichenzug jeder Graͤfin von Hennegau und Lehns¬
huldinn von Vadutz, welche das Kleinod auf den Schultern
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[208/0260] gottesfuͤrchtig beizuwohnen und ein Huhn an dem ſogenann¬ ten Huͤhnerabend abzuliefern hat. Auch ſollen dieſelben ſol¬ chen Braut- und Leichenzuͤgen mit ihren Namen bezeichnen¬ den Blumen geſchmuͤckt beiwohnen und derlei Blumen zu Fuͤßen des Grabes erhalten, mit der kindlichen Liebesmei¬ nung, dieſe moͤchten dort ſtatt ihrer beten, wenn ſie ſelbſt nicht anweſend ſeyn koͤnnten. — Eine jede erſtgeborne Toch¬ ter meiner Nachkommen nimmt mit ihren muͤndigen Jahren das Amt der Ordensgeneralin und den Titel: „das arme Kind von Hennegau“ an und hat an ihrem Guͤrtel als Braut und als Leiche acht Baͤnder von amaranthfarbigem Linnen¬ band befeſtiget, welche die Ordensgeſpielinnen anfaſſen, wenn ſie dem Zuge folgen. Sie gehen in dem Grand Cortege dicht hinter den drei Kloſterfrauen von Lilienthal. — Sie haben dies Alles zu erfuͤllen bei Verluſt ihrer Rechte. Dieſe unſre Erklaͤrung ſoll bei Braut- und Leichenzuͤgen den Ordensgeſpielinnen jedesmal vorgeleſen werden. — So¬ dann ſind die Pflichten der Kloſterfrauen von Lilienthal zu leſen und dieſelben aufzurufen, worauf die Ordensgeſpielin¬ nen oder deren Lehnserben aufgerufen und von ihnen die Pflichthuͤhner abgeliefert werden ſollen. Gegeben in unſerm Kabinetchen im Jahr, da man ſang: „Gott gruͤß dich Mond und Sternenſchein, Entlaubet iſt das Fenſterlein!“ Pflichten der Kloſterfrauen von Lilienthal. Als ich am Tage nach Johanni des Jahres 1318 den drei Fraͤulein zur Lilien auf Gottes hoͤhere Mahnung und ihr dringendes Bitten das Kloſter Lilienthal gruͤndete und ausſtattete, wurde dieſes Kloſter Lilienthal verpflichtet, den Braut- und Leichenzug jeder Graͤfin von Hennegau und Lehns¬ huldinn von Vadutz, welche das Kleinod auf den Schultern traͤgt, von drei Kloſterjungfrauen begleiten zu laſſen und auf

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/260>, abgerufen am 15.05.2024.