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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.
einzelnen Stämmen aus einem persönlichen in einen territorialen
Verband umgewandelt hat. An Stelle der Tausendschaft trat, nach-
dem diese zum Gau geworden, als entsprechender Heerkörper das von
seinem princeps geführte und nach Hunderten gegliederte Gauvolk.

Als Schlachtordnung war den Germanen die keilförmige Auf-
stellung eigentümlich 4. Kämpften mehrere Völkerschaften neben
einander, so bildete jede von ihnen einen besonderen Keil, der somit
die taktische Einheit der civitas darstellte 5. Die einzelnen Keile
hatten ihre eigenen Feldzeichen, als welche vorzugsweise Tierbilder
dienten, die während des Friedens in heiligen Hainen aufbewahrt
wurden 6. Alamannische Glossen überliefern uns für tribus 7 das uralte
Wort chumbirra. Verwandt mit ahd. cumbal, ags. cumbor, Feldzeichen,
bedeutet es eigentlich (etwa dem späteren Heerschild entsprechend)
die dem Feldzeichen folgende Heeresabteilung, die als tribus ge-
dacht ist 8.

Innerhalb der einzelnen Heeresabteilungen wurde die Ordnung
durch die Bande der Verwandtschaft, wie schon oben ausgeführt
worden ist, in der Weise bestimmt, dass die Verwandten neben
einander kämpften 9.

Die Kraft der germanischen Heere lag nach dem Urteil des
Tacitus hauptsächlich im Fussvolk. Besonders wird es als die starke
Seite der chattischen Truppen hervorgehoben 10. Doch sind einzelne
Völkerschaften, so die Tenkterer, durch ihre Reiterei berühmt. Die
Bataver gelten für die besten Reiter im römischen Heere. Allent-
halben haben wir uns nach der Darstellung des Tacitus die principes

4 Tacitus, Germania c. 6: Acies per cuneos componitur.
5 Scherer in den Berliner Sitzungsber. 1884 S 572. Die Gruppierung des
Heeres nach Völkerschaften bezeugt schon Caesar, De bello gall. I 51. Tacitus,
Hist. IV 16: Canninefates, Frisios, Batavos propriis cuneis componit; V 18: Bructe-
rorum cuneus tranatavit. S. oben S 38 Anm 22.
6 Arnold, Urzeit S 282. Tacitus, Germ. c. 7.
7 Bei Notker in Anwendung auf die Stämme Israels.
8 Im Januar 1883 schrieb mir Müllenhoff: "Für ahd. alts. cumbal, ags.
cumbol (Zeichen) Heerzeichen findet sich die Nebenform cumbor (Beov. 1022).
Vgl. alts. cumbro in trad. Corbej. Dazu gehört auch nach meiner Meinung chum-
barra, chumbirra, tribus, cumpurie im Voc. S. Galli." Steinmeyer u. Sievers,
Ahd. Gl. I 293, 13. 203, 3. Graff IV 405 unter cumpal, chumbirro, cumbro.
Schade, Ahd. WB S 520.
9 S. oben S 85.
10 Der Fusssoldat heisst ahd. fandeo, fendo, ags. feda. Grimm verweist,
Gesch. der d. Sprache S 410 (591), auf Beovulf (Heyne 2364), wo auf den Ruf
angespielt wird, den die Franken hinsichtlich des Fusskampfes (fedeweig) genossen.

§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.
einzelnen Stämmen aus einem persönlichen in einen territorialen
Verband umgewandelt hat. An Stelle der Tausendschaft trat, nach-
dem diese zum Gau geworden, als entsprechender Heerkörper das von
seinem princeps geführte und nach Hunderten gegliederte Gauvolk.

Als Schlachtordnung war den Germanen die keilförmige Auf-
stellung eigentümlich 4. Kämpften mehrere Völkerschaften neben
einander, so bildete jede von ihnen einen besonderen Keil, der somit
die taktische Einheit der civitas darstellte 5. Die einzelnen Keile
hatten ihre eigenen Feldzeichen, als welche vorzugsweise Tierbilder
dienten, die während des Friedens in heiligen Hainen aufbewahrt
wurden 6. Alamannische Glossen überliefern uns für tribus 7 das uralte
Wort chumbirra. Verwandt mit ahd. cumbal, ags. cumbor, Feldzeichen,
bedeutet es eigentlich (etwa dem späteren Heerschild entsprechend)
die dem Feldzeichen folgende Heeresabteilung, die als tribus ge-
dacht ist 8.

Innerhalb der einzelnen Heeresabteilungen wurde die Ordnung
durch die Bande der Verwandtschaft, wie schon oben ausgeführt
worden ist, in der Weise bestimmt, daſs die Verwandten neben
einander kämpften 9.

Die Kraft der germanischen Heere lag nach dem Urteil des
Tacitus hauptsächlich im Fuſsvolk. Besonders wird es als die starke
Seite der chattischen Truppen hervorgehoben 10. Doch sind einzelne
Völkerschaften, so die Tenkterer, durch ihre Reiterei berühmt. Die
Bataver gelten für die besten Reiter im römischen Heere. Allent-
halben haben wir uns nach der Darstellung des Tacitus die principes

4 Tacitus, Germania c. 6: Acies per cuneos componitur.
5 Scherer in den Berliner Sitzungsber. 1884 S 572. Die Gruppierung des
Heeres nach Völkerschaften bezeugt schon Caesar, De bello gall. I 51. Tacitus,
Hist. IV 16: Canninefates, Frisios, Batavos propriis cuneis componit; V 18: Bructe-
rorum cuneus tranatavit. S. oben S 38 Anm 22.
6 Arnold, Urzeit S 282. Tacitus, Germ. c. 7.
7 Bei Notker in Anwendung auf die Stämme Israels.
8 Im Januar 1883 schrieb mir Müllenhoff: „Für ahd. alts. cumbal, ags.
cumbol (Zeichen) Heerzeichen findet sich die Nebenform cumbor (Beov. 1022).
Vgl. alts. cumbro in trad. Corbej. Dazu gehört auch nach meiner Meinung chum-
barra, chumbirra, tribus, cumpurie im Voc. S. Galli.“ Steinmeyer u. Sievers,
Ahd. Gl. I 293, 13. 203, 3. Graff IV 405 unter cumpal, chumbirro, cumbro.
Schade, Ahd. WB S 520.
9 S. oben S 85.
10 Der Fuſssoldat heiſst ahd. fandeo, fendo, ags. fêđa. Grimm verweist,
Gesch. der d. Sprache S 410 (591), auf Beóvulf (Heyne 2364), wo auf den Ruf
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[134/0152] § 19. Kriegswesen und Gefolgschaft. einzelnen Stämmen aus einem persönlichen in einen territorialen Verband umgewandelt hat. An Stelle der Tausendschaft trat, nach- dem diese zum Gau geworden, als entsprechender Heerkörper das von seinem princeps geführte und nach Hunderten gegliederte Gauvolk. Als Schlachtordnung war den Germanen die keilförmige Auf- stellung eigentümlich 4. Kämpften mehrere Völkerschaften neben einander, so bildete jede von ihnen einen besonderen Keil, der somit die taktische Einheit der civitas darstellte 5. Die einzelnen Keile hatten ihre eigenen Feldzeichen, als welche vorzugsweise Tierbilder dienten, die während des Friedens in heiligen Hainen aufbewahrt wurden 6. Alamannische Glossen überliefern uns für tribus 7 das uralte Wort chumbirra. Verwandt mit ahd. cumbal, ags. cumbor, Feldzeichen, bedeutet es eigentlich (etwa dem späteren Heerschild entsprechend) die dem Feldzeichen folgende Heeresabteilung, die als tribus ge- dacht ist 8. Innerhalb der einzelnen Heeresabteilungen wurde die Ordnung durch die Bande der Verwandtschaft, wie schon oben ausgeführt worden ist, in der Weise bestimmt, daſs die Verwandten neben einander kämpften 9. Die Kraft der germanischen Heere lag nach dem Urteil des Tacitus hauptsächlich im Fuſsvolk. Besonders wird es als die starke Seite der chattischen Truppen hervorgehoben 10. Doch sind einzelne Völkerschaften, so die Tenkterer, durch ihre Reiterei berühmt. Die Bataver gelten für die besten Reiter im römischen Heere. Allent- halben haben wir uns nach der Darstellung des Tacitus die principes 4 Tacitus, Germania c. 6: Acies per cuneos componitur. 5 Scherer in den Berliner Sitzungsber. 1884 S 572. Die Gruppierung des Heeres nach Völkerschaften bezeugt schon Caesar, De bello gall. I 51. Tacitus, Hist. IV 16: Canninefates, Frisios, Batavos propriis cuneis componit; V 18: Bructe- rorum cuneus tranatavit. S. oben S 38 Anm 22. 6 Arnold, Urzeit S 282. Tacitus, Germ. c. 7. 7 Bei Notker in Anwendung auf die Stämme Israels. 8 Im Januar 1883 schrieb mir Müllenhoff: „Für ahd. alts. cumbal, ags. cumbol (Zeichen) Heerzeichen findet sich die Nebenform cumbor (Beov. 1022). Vgl. alts. cumbro in trad. Corbej. Dazu gehört auch nach meiner Meinung chum- barra, chumbirra, tribus, cumpurie im Voc. S. Galli.“ Steinmeyer u. Sievers, Ahd. Gl. I 293, 13. 203, 3. Graff IV 405 unter cumpal, chumbirro, cumbro. Schade, Ahd. WB S 520. 9 S. oben S 85. 10 Der Fuſssoldat heiſst ahd. fandeo, fendo, ags. fêđa. Grimm verweist, Gesch. der d. Sprache S 410 (591), auf Beóvulf (Heyne 2364), wo auf den Ruf angespielt wird, den die Franken hinsichtlich des Fuſskampfes (fêđewîg) genossen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/152>, abgerufen am 27.04.2024.