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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 20. Die Gerichtsverfassung.
der Bann, das Recht zu gebieten und zu verbieten. Das Wort Bann,
ahd. pan, alts. ban, altnord. bann, fries. bon18, scheint in seiner ältesten
Anwendung auf das Friedensgebot der Dinghegung zurückzugehen19.
Verwandt mit Sanskrit bhan, ertönen, schallen, laut rufen, griechisch
phemi, phone, lateinisch fari, fama, fanum20, hat es die Grundbedeu-
tung der nachdrücklichen feierlichen Rede21. Vermutlich von der
Dinghegung her verband sich mit Bann der Begriff des Friedens.
Die ältesten fränkischen Rechtsquellen verwenden das Wort Bann als
gleichbedeutend mit verbum, sermo, in Bezug auf den Frieden, welchen
das Wort des Königs denjenigen wirkt, die er in seinen besonderen
Schutz aufnimmt22. Sermo regis vermag, seit der Volksfriede ein
Königsfriede geworden ist, schlechtweg den Frieden zu bezeichnen.
Extra sermonem regis ponere, foras sermone regis mittere23 ist soviel
wie forisbannire, friedloslegen. Noch in jüngeren Quellen spielt der

18 v. Richthofen, Fries. WB S 958.
19 Grimm, WB I 1115.
20 Fanum dictum a fando, der durch Worte zum Heiligtum geweihte Ort.
Auch Bann kann einen bestimmten Bezirk bedeuten. Über die Herleitung von
Bann Kluge, Etymol. WB S 17; Kern bei Hessels, Lex Salica col. 538 § 235.
Grimm, WB a. O. denkt an Band und binden.
21 Altfranz. ban ist öffentliche Verkündigung. Diez, Etymol. WB4 I 40.
22 Lex Salica 13, 6 in Cod. 4: si vero puella qui trahitur in uerbo regis est
furban exinde 2500 den. ... culpabilis iudicetur. Das Wort furban ist als Glosse
in den Text geraten. Im furban ist die puella, quae in verbo regis est. Furban
darf also nicht mit Sohm, R- u. GV S 109 als Bezeichnung der Busse gedacht
werden. Noch in bair. Rechtsquellen des 14. und 15. Jahrh. bezeichnet Fürbann
den Frieden, welchen sich der Beklagte erwirkt, der sich von einer Anklage oder
einem Verdachte gereinigt hat, und den Frieden, der einem Grundstücke gewirkt
wird, um das jemand vergeblich angesprochen worden ist. Oberbair. Ldr. 30. 197;
Münchner Stadtr. 67. 155. Haltaus I 548. Über den südholländischen Vorbann
als Friedensbann s. Z2 f. RG IV 239. -- Die Lex Rib. spricht 35, 3 von der in-
genua puella vel mulier, qui in verbo regis est. Der Index der Handschrift A 7
hat dafür: de puellis vel mulieribus, quae in verbo regis bannitae sunt. In
Lex Salica 72 (in uerbum regis mittat) und 76, 7 (mulier in uerbo regis missa), Cap.
zur Lex Sal. I c. 7, c. 11 § 7 steht verbum für bannum. Auch in Schutzbriefen
erscheint sermo für bannum. Der besondere Schutz des Königs setzt den Schützling
in höheren Frieden, den der König per bannum ausspricht, indem er Dritten jede
Verletzung des Schützlings verbietet. Die königlichen Schutzbriefe enthalten daher
regelmässig eine besondere Friedensbannklausel. Munt des Königs und Bann des
Königs berühren sich enge. Näheres darüber bei Erörterung des fränkischen Königs-
schutzes. Auch die rätselhafte langobardische Freilassung in pans regis, Rothari
224, dürfte sich als manumissio in bannum regis erklären lassen. Pans für pan wie
thinx, things für thing.
23 Lex Sal. 56, 5; 106, 9; vgl. Gregor. Tur. Hist. Fr. IX 27. Über aspellis
s. unten S 172.
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§ 20. Die Gerichtsverfassung.
der Bann, das Recht zu gebieten und zu verbieten. Das Wort Bann,
ahd. pan, alts. ban, altnord. bann, fries. bon18, scheint in seiner ältesten
Anwendung auf das Friedensgebot der Dinghegung zurückzugehen19.
Verwandt mit Sanskrit bhan, ertönen, schallen, laut rufen, griechisch
φημί, φωνή, lateinisch fari, fama, fanum20, hat es die Grundbedeu-
tung der nachdrücklichen feierlichen Rede21. Vermutlich von der
Dinghegung her verband sich mit Bann der Begriff des Friedens.
Die ältesten fränkischen Rechtsquellen verwenden das Wort Bann als
gleichbedeutend mit verbum, sermo, in Bezug auf den Frieden, welchen
das Wort des Königs denjenigen wirkt, die er in seinen besonderen
Schutz aufnimmt22. Sermo regis vermag, seit der Volksfriede ein
Königsfriede geworden ist, schlechtweg den Frieden zu bezeichnen.
Extra sermonem regis ponere, foras sermone regis mittere23 ist soviel
wie forisbannire, friedloslegen. Noch in jüngeren Quellen spielt der

18 v. Richthofen, Fries. WB S 958.
19 Grimm, WB I 1115.
20 Fanum dictum a fando, der durch Worte zum Heiligtum geweihte Ort.
Auch Bann kann einen bestimmten Bezirk bedeuten. Über die Herleitung von
Bann Kluge, Etymol. WB S 17; Kern bei Hessels, Lex Salica col. 538 § 235.
Grimm, WB a. O. denkt an Band und binden.
21 Altfranz. ban ist öffentliche Verkündigung. Diez, Etymol. WB4 I 40.
22 Lex Salica 13, 6 in Cod. 4: si vero puella qui trahitur in uerbo regis est
furban exinde 2500 den. … culpabilis iudicetur. Das Wort furban ist als Glosse
in den Text geraten. Im furban ist die puella, quae in verbo regis est. Furban
darf also nicht mit Sohm, R- u. GV S 109 als Bezeichnung der Buſse gedacht
werden. Noch in bair. Rechtsquellen des 14. und 15. Jahrh. bezeichnet Fürbann
den Frieden, welchen sich der Beklagte erwirkt, der sich von einer Anklage oder
einem Verdachte gereinigt hat, und den Frieden, der einem Grundstücke gewirkt
wird, um das jemand vergeblich angesprochen worden ist. Oberbair. Ldr. 30. 197;
Münchner Stadtr. 67. 155. Haltaus I 548. Über den südholländischen Vorbann
als Friedensbann s. Z2 f. RG IV 239. — Die Lex Rib. spricht 35, 3 von der in-
genua puella vel mulier, qui in verbo regis est. Der Index der Handschrift A 7
hat dafür: de puellis vel mulieribus, quae in verbo regis bannitae sunt. In
Lex Salica 72 (in uerbum regis mittat) und 76, 7 (mulier in uerbo regis missa), Cap.
zur Lex Sal. I c. 7, c. 11 § 7 steht verbum für bannum. Auch in Schutzbriefen
erscheint sermo für bannum. Der besondere Schutz des Königs setzt den Schützling
in höheren Frieden, den der König per bannum ausspricht, indem er Dritten jede
Verletzung des Schützlings verbietet. Die königlichen Schutzbriefe enthalten daher
regelmäſsig eine besondere Friedensbannklausel. Munt des Königs und Bann des
Königs berühren sich enge. Näheres darüber bei Erörterung des fränkischen Königs-
schutzes. Auch die rätselhafte langobardische Freilassung in pans regis, Rothari
224, dürfte sich als manumissio in bannum regis erklären lassen. Pans für pan wie
thinx, things für thing.
23 Lex Sal. 56, 5; 106, 9; vgl. Gregor. Tur. Hist. Fr. IX 27. Über aspellis
s. unten S 172.
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[147/0165] § 20. Die Gerichtsverfassung. der Bann, das Recht zu gebieten und zu verbieten. Das Wort Bann, ahd. pan, alts. ban, altnord. bann, fries. bon 18, scheint in seiner ältesten Anwendung auf das Friedensgebot der Dinghegung zurückzugehen 19. Verwandt mit Sanskrit bhan, ertönen, schallen, laut rufen, griechisch φημί, φωνή, lateinisch fari, fama, fanum 20, hat es die Grundbedeu- tung der nachdrücklichen feierlichen Rede 21. Vermutlich von der Dinghegung her verband sich mit Bann der Begriff des Friedens. Die ältesten fränkischen Rechtsquellen verwenden das Wort Bann als gleichbedeutend mit verbum, sermo, in Bezug auf den Frieden, welchen das Wort des Königs denjenigen wirkt, die er in seinen besonderen Schutz aufnimmt 22. Sermo regis vermag, seit der Volksfriede ein Königsfriede geworden ist, schlechtweg den Frieden zu bezeichnen. Extra sermonem regis ponere, foras sermone regis mittere 23 ist soviel wie forisbannire, friedloslegen. Noch in jüngeren Quellen spielt der 18 v. Richthofen, Fries. WB S 958. 19 Grimm, WB I 1115. 20 Fanum dictum a fando, der durch Worte zum Heiligtum geweihte Ort. Auch Bann kann einen bestimmten Bezirk bedeuten. Über die Herleitung von Bann Kluge, Etymol. WB S 17; Kern bei Hessels, Lex Salica col. 538 § 235. Grimm, WB a. O. denkt an Band und binden. 21 Altfranz. ban ist öffentliche Verkündigung. Diez, Etymol. WB4 I 40. 22 Lex Salica 13, 6 in Cod. 4: si vero puella qui trahitur in uerbo regis est furban exinde 2500 den. … culpabilis iudicetur. Das Wort furban ist als Glosse in den Text geraten. Im furban ist die puella, quae in verbo regis est. Furban darf also nicht mit Sohm, R- u. GV S 109 als Bezeichnung der Buſse gedacht werden. Noch in bair. Rechtsquellen des 14. und 15. Jahrh. bezeichnet Fürbann den Frieden, welchen sich der Beklagte erwirkt, der sich von einer Anklage oder einem Verdachte gereinigt hat, und den Frieden, der einem Grundstücke gewirkt wird, um das jemand vergeblich angesprochen worden ist. Oberbair. Ldr. 30. 197; Münchner Stadtr. 67. 155. Haltaus I 548. Über den südholländischen Vorbann als Friedensbann s. Z2 f. RG IV 239. — Die Lex Rib. spricht 35, 3 von der in- genua puella vel mulier, qui in verbo regis est. Der Index der Handschrift A 7 hat dafür: de puellis vel mulieribus, quae in verbo regis bannitae sunt. In Lex Salica 72 (in uerbum regis mittat) und 76, 7 (mulier in uerbo regis missa), Cap. zur Lex Sal. I c. 7, c. 11 § 7 steht verbum für bannum. Auch in Schutzbriefen erscheint sermo für bannum. Der besondere Schutz des Königs setzt den Schützling in höheren Frieden, den der König per bannum ausspricht, indem er Dritten jede Verletzung des Schützlings verbietet. Die königlichen Schutzbriefe enthalten daher regelmäſsig eine besondere Friedensbannklausel. Munt des Königs und Bann des Königs berühren sich enge. Näheres darüber bei Erörterung des fränkischen Königs- schutzes. Auch die rätselhafte langobardische Freilassung in pans regis, Rothari 224, dürfte sich als manumissio in bannum regis erklären lassen. Pans für pan wie thinx, things für thing. 23 Lex Sal. 56, 5; 106, 9; vgl. Gregor. Tur. Hist. Fr. IX 27. Über aspellis s. unten S 172. 10*

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/165>, abgerufen am 28.04.2024.