Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch.
eing[egossen] haben. Eure Gn. schätzen es hoch/ daß ich ein schwacher Jüngling/ dieses fres-
sige Ungeheur nidergelegt habe; aber was ist das Wunder/ daß ein vernünfftiger Mensch/
der seinen Witz gebrauchen kan/ einem unvernünfftigen Tihre obsteget? Hier ist nichts als
freche Wuht/ die sich selbst in Spiesse/ Pfeile und Schwerter stürzet/ wann wirs ihr nur
vorsich tiglich bieten und gönnen/ bey uns aber finden die gesunden Gedanken leicht einen
Vortel/ dadurch unbesonnene Leibeskrafft gebrochen wird; und wer hier an zweifelt/ muß
noch wenige Erfahrenheit haben/ was vor Unterscheid zwischen Witz und Frevel/ zwischen
Klugheit und Wuht gesetzet ist; über das hat die Vernunst solche heilsame Wehr und Waf-
fen uns in die Hand gestellet/ daß wir die wilden Tihre fellen können/ ehe sie uns erreichen
mögen; Die Vernunfft hat durch solche Mittel uns die Herrschafft/ nicht auff der festen
Erde/ sondern auch auff den wallenden Wassern/ ja oben in der Lufft verlihen/ dz sich nichts
vor uns bergen/ noch unserer Nachstellung entgehen mag; Und was solte mich hindern/ dz
ich diß grosse Tihr in der nähe/ und auff der Erden/ nicht leichter erlegete/ als vormahls die
in Lüfften schwebende Taube? nur daß verzagete Herzen sich vor einem auffgesperreten
Rachen entsetzen/ und scharffe Klauen fürchten und fühlen/ ehe sie drinnen stecken/ und ei-
nigen Angriff empfinden. O wie ein furchtsamer Muht ist der/ welcher den Unglüks-weg
erwählet/ da wol hundert Neben-strassen sind! wie ein verzagter Sinn/ der lieber der Schlan-
gen Stich ausstehet/ als daß er sie aus dem Wege stossen solte! trauet mir/ mein Herr/ eine
vernünfftige Seele ist kräfftiger als alle Leibesstärke/ und bedachtsame Gegenwehr vorträg-
licher als hundert Mauren; dann stehe ich unbesonnen hinter diesen/ kan ich leicht von ih-
rem Falle erschlagen werden; Vorsichtigkeit aber ist auch des allergrimmesten Glückes
Meisterin. Möchte jemand einwenden: es fünden sich deren unter uns nicht in gar grosser
Menge/ welche der Vernunfft recht gebrauchen können/ so fehle es auch zuzeiten an Mittel
und Gewehr/ daß man der Wuht gewonnen geben/ und unterliegen müste; aber ich ant-
worte drauff: es bleibet die Laute wol ein künstliches ruhmwirdiges Spielzeug/ ob gleich
der Baur sich deren nicht zugebrauchen weiß/ oder sie wol gar zerdrücket; also ist und blei-
bet die Vernunfft wol eine Königin über alle irdische Volkommenheiten/ ob gleich der we-
nigste Teil unter uns bemühet ist/ daß er lernen möge/ sie recht anzuwenden; Mittel und
Gewehr aber gibt uns Göttliche Versehung Zeit der Noht selbst in die Hand/ wann sie uns
gnädig ist/ und sie die Gefahr/ mehr zu unser Prüfung als Verderben uns zuschicket; Da
sind Steine/ Koht und Sand/ deren wir uns offt zur Erlegung grimmiger Tihre glüklich
gebrauchen; und ein vorsichtiger Mann schicket sich gemeiniglich auff ein Noht Gewehr.
Jedoch/ weil der Mensch nicht Gott/ sondern sterblich und schwach ist/ komt es auch wol/
daß er in möglicher Anwendung seiner Vernunfft unterliegen/ und den kürzern zihen muß;
Aber solches begegnet ihm gemeiniglich entweder daher/ daß er mit Gott nicht wol dran
ist/ den er durch Untaht und Frevel mag erzürnet haben/ und er ihn durch solche Schickung
zur straffe fodert/ oder daß er mit ihm aus dieser Vergängligkeit eilet/ und in den Elysischen
Feldern ihn vor seine Frömmigkeit und Tugend ergetzen wil/ daß ihm also solcher Unfall
zum besten dienen muß. Zwar es gehet als dann wol sein Leib darauff/ daß er von wilden
Tihren gefressen/ oder sonst verwüstet wird/ aber gleich wie das Gold seine Wirdigkeit nit
empfähet/ weil es noch mit Erz und Erde vermischet ist/ also bekömt des Menschen Seele

erst

Drittes Buch.
eing[egoſſen] haben. Eure Gn. ſchaͤtzen es hoch/ daß ich ein ſchwacher Juͤngling/ dieſes freſ-
ſige Ungeheur nidergelegt habe; aber was iſt das Wunder/ daß ein vernuͤnfftiger Menſch/
der ſeinen Witz gebrauchen kan/ einem unvernuͤnfftigen Tihre obſteget? Hier iſt nichts als
freche Wuht/ die ſich ſelbſt in Spieſſe/ Pfeile und Schwerter ſtuͤrzet/ wann wirs ihr nur
vorſich tiglich bieten und goͤnnen/ bey uns aber finden die geſunden Gedanken leicht einen
Vortel/ dadurch unbeſonnene Leibeskrafft gebrochen wird; und wer hier an zweifelt/ muß
noch wenige Erfahrenheit haben/ was vor Unterſcheid zwiſchen Witz und Frevel/ zwiſchẽ
Klugheit und Wuht geſetzet iſt; uͤber das hat die Vernunſt ſolche heilſame Wehr uñ Waf-
fen uns in die Hand geſtellet/ daß wir die wilden Tihre fellen koͤnnen/ ehe ſie uns erreichen
moͤgen; Die Vernunfft hat durch ſolche Mittel uns die Herrſchafft/ nicht auff der feſten
Erde/ ſondern auch auff den wallenden Waſſern/ ja oben in der Lufft verlihen/ dz ſich nichts
vor uns bergen/ noch unſerer Nachſtellung entgehen mag; Und was ſolte mich hindern/ dz
ich diß groſſe Tihr in der naͤhe/ und auff der Erden/ nicht leichter erlegete/ als vormahls die
in Luͤfften ſchwebende Taube? nur daß verzagete Herzen ſich vor einem auffgeſperreten
Rachen entſetzen/ und ſcharffe Klauen fuͤrchten und fuͤhlen/ ehe ſie drinnen ſtecken/ und ei-
nigen Angriff empfinden. O wie ein furchtſamer Muht iſt der/ welcher den Ungluͤks-weg
erwaͤhlet/ da wol hundeꝛt Neben-ſtraſſen ſind! wie ein verzagter Siñ/ der liebeꝛ deꝛ Schlan-
gen Stich ausſtehet/ als daß er ſie aus dem Wege ſtoſſen ſolte! trauet mir/ mein Herr/ eine
vernuͤnfftige Seele iſt kraͤfftiger als alle Leibesſtaͤrke/ und bedachtſame Gegenwehr vortraͤg-
licher als hundert Mauren; dann ſtehe ich unbeſonnen hinter dieſen/ kan ich leicht von ih-
rem Falle erſchlagen werden; Vorſichtigkeit aber iſt auch des allergrimmeſten Gluͤckes
Meiſterin. Moͤchte jemand einwenden: es fuͤnden ſich deren unter uns nicht in gar groſſeꝛ
Menge/ welche der Vernunfft recht gebrauchen koͤnnen/ ſo fehle es auch zuzeiten an Mittel
und Gewehr/ daß man der Wuht gewonnen geben/ und unterliegen muͤſte; aber ich ant-
worte drauff: es bleibet die Laute wol ein kuͤnſtliches ruhmwirdiges Spielzeug/ ob gleich
der Baur ſich deren nicht zugebrauchen weiß/ oder ſie wol gar zerdruͤcket; alſo iſt und blei-
bet die Vernunfft wol eine Koͤnigin uͤber alle irdiſche Volkommenheiten/ ob gleich der we-
nigſte Teil unter uns bemuͤhet iſt/ daß er lernen moͤge/ ſie recht anzuwenden; Mittel und
Gewehr aber gibt uns Goͤttliche Verſehung Zeit der Noht ſelbſt in die Hand/ wañ ſie uns
gnaͤdig iſt/ und ſie die Gefahr/ mehr zu unſer Pruͤfung als Verderben uns zuſchicket; Da
ſind Steine/ Koht und Sand/ deren wir uns offt zur Erlegung grimmiger Tihre gluͤklich
gebrauchen; und ein vorſichtiger Mann ſchicket ſich gemeiniglich auff ein Noht Gewehr.
Jedoch/ weil der Menſch nicht Gott/ ſondern ſterblich und ſchwach iſt/ komt es auch wol/
daß er in moͤglicher Anwendung ſeiner Vernunfft unterliegen/ uñ den kuͤrzern zihen muß;
Aber ſolches begegnet ihm gemeiniglich entweder daher/ daß er mit Gott nicht wol dran
iſt/ den er durch Untaht und Frevel mag erzuͤrnet haben/ uñ er ihn durch ſolche Schickung
zur ſtraffe fodert/ oder daß er mit ihm aus dieſer Vergaͤngligkeit eilet/ und in den Elyſiſchẽ
Feldern ihn vor ſeine Froͤmmigkeit und Tugend ergetzen wil/ daß ihm alſo ſolcher Unfall
zum beſten dienen muß. Zwar es gehet als dann wol ſein Leib darauff/ daß er von wilden
Tihren gefreſſen/ oder ſonſt verwuͤſtet wird/ aber gleich wie das Gold ſeine Wirdigkeit nit
empfaͤhet/ weil es noch mit Erz und Erde vermiſchet iſt/ alſo bekoͤmt des Menſchen Seele

erſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0594" n="556"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi></fw><lb/>
eing<supplied>ego&#x017F;&#x017F;en</supplied> haben. Eure Gn. &#x017F;cha&#x0364;tzen es hoch/ daß ich ein &#x017F;chwacher Ju&#x0364;ngling/ die&#x017F;es fre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ige Ungeheur nidergelegt habe; aber was i&#x017F;t das Wunder/ daß ein vernu&#x0364;nfftiger Men&#x017F;ch/<lb/>
der &#x017F;einen Witz gebrauchen kan/ einem unvernu&#x0364;nfftigen Tihre ob&#x017F;teget? Hier i&#x017F;t nichts als<lb/>
freche Wuht/ die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in Spie&#x017F;&#x017F;e/ Pfeile und Schwerter &#x017F;tu&#x0364;rzet/ wann wirs ihr nur<lb/>
vor&#x017F;ich tiglich bieten und go&#x0364;nnen/ bey uns aber finden die ge&#x017F;unden Gedanken leicht einen<lb/>
Vortel/ dadurch unbe&#x017F;onnene Leibeskrafft gebrochen wird; und wer hier an zweifelt/ muß<lb/>
noch wenige Erfahrenheit haben/ was vor Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen Witz und Frevel/ zwi&#x017F;che&#x0303;<lb/>
Klugheit und Wuht ge&#x017F;etzet i&#x017F;t; u&#x0364;ber das hat die Vernun&#x017F;t &#x017F;olche heil&#x017F;ame Wehr un&#x0303; Waf-<lb/>
fen uns in die Hand ge&#x017F;tellet/ daß wir die wilden Tihre fellen ko&#x0364;nnen/ ehe &#x017F;ie uns erreichen<lb/>
mo&#x0364;gen; Die Vernunfft hat durch &#x017F;olche Mittel uns die Herr&#x017F;chafft/ nicht auff der fe&#x017F;ten<lb/>
Erde/ &#x017F;ondern auch auff den wallenden Wa&#x017F;&#x017F;ern/ ja oben in der Lufft verlihen/ dz &#x017F;ich nichts<lb/>
vor uns bergen/ noch un&#x017F;erer Nach&#x017F;tellung entgehen mag; Und was &#x017F;olte mich hindern/ dz<lb/>
ich diß gro&#x017F;&#x017F;e Tihr in der na&#x0364;he/ und auff der Erden/ nicht leichter erlegete/ als vormahls die<lb/>
in Lu&#x0364;fften &#x017F;chwebende Taube? nur daß verzagete Herzen &#x017F;ich vor einem auffge&#x017F;perreten<lb/>
Rachen ent&#x017F;etzen/ und &#x017F;charffe Klauen fu&#x0364;rchten und fu&#x0364;hlen/ ehe &#x017F;ie drinnen &#x017F;tecken/ und ei-<lb/>
nigen Angriff empfinden. O wie ein furcht&#x017F;amer Muht i&#x017F;t der/ welcher den Unglu&#x0364;ks-weg<lb/>
erwa&#x0364;hlet/ da wol hunde&#xA75B;t Neben-&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind! wie ein verzagter Sin&#x0303;/ der liebe&#xA75B; de&#xA75B; Schlan-<lb/>
gen Stich aus&#x017F;tehet/ als daß er &#x017F;ie aus dem Wege &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte! trauet mir/ mein Herr/ eine<lb/>
vernu&#x0364;nfftige Seele i&#x017F;t kra&#x0364;fftiger als alle Leibes&#x017F;ta&#x0364;rke/ und bedacht&#x017F;ame Gegenwehr vortra&#x0364;g-<lb/>
licher als hundert Mauren; dann &#x017F;tehe ich unbe&#x017F;onnen hinter die&#x017F;en/ kan ich leicht von ih-<lb/>
rem Falle er&#x017F;chlagen werden; Vor&#x017F;ichtigkeit aber i&#x017F;t auch des allergrimme&#x017F;ten Glu&#x0364;ckes<lb/>
Mei&#x017F;terin. Mo&#x0364;chte jemand einwenden: es fu&#x0364;nden &#x017F;ich deren unter uns nicht in gar gro&#x017F;&#x017F;e&#xA75B;<lb/>
Menge/ welche der Vernunfft recht gebrauchen ko&#x0364;nnen/ &#x017F;o fehle es auch zuzeiten an Mittel<lb/>
und Gewehr/ daß man der Wuht gewonnen geben/ und unterliegen mu&#x0364;&#x017F;te; aber ich ant-<lb/>
worte drauff: es bleibet die Laute wol ein ku&#x0364;n&#x017F;tliches ruhmwirdiges Spielzeug/ ob gleich<lb/>
der Baur &#x017F;ich deren nicht zugebrauchen weiß/ oder &#x017F;ie wol gar zerdru&#x0364;cket; al&#x017F;o i&#x017F;t und blei-<lb/>
bet die Vernunfft wol eine Ko&#x0364;nigin u&#x0364;ber alle irdi&#x017F;che Volkommenheiten/ ob gleich der we-<lb/>
nig&#x017F;te Teil unter uns bemu&#x0364;het i&#x017F;t/ daß er lernen mo&#x0364;ge/ &#x017F;ie recht anzuwenden; Mittel und<lb/>
Gewehr aber gibt uns Go&#x0364;ttliche Ver&#x017F;ehung Zeit der Noht &#x017F;elb&#x017F;t in die Hand/ wan&#x0303; &#x017F;ie uns<lb/>
gna&#x0364;dig i&#x017F;t/ und &#x017F;ie die Gefahr/ mehr zu un&#x017F;er Pru&#x0364;fung als Verderben uns zu&#x017F;chicket; Da<lb/>
&#x017F;ind Steine/ Koht und Sand/ deren wir uns offt zur Erlegung grimmiger Tihre glu&#x0364;klich<lb/>
gebrauchen; und ein vor&#x017F;ichtiger Mann &#x017F;chicket &#x017F;ich gemeiniglich auff ein Noht Gewehr.<lb/>
Jedoch/ weil der Men&#x017F;ch nicht Gott/ &#x017F;ondern &#x017F;terblich und &#x017F;chwach i&#x017F;t/ komt es auch wol/<lb/>
daß er in mo&#x0364;glicher Anwendung &#x017F;einer Vernunfft unterliegen/ un&#x0303; den ku&#x0364;rzern zihen muß;<lb/>
Aber &#x017F;olches begegnet ihm gemeiniglich entweder daher/ daß er mit Gott nicht wol dran<lb/>
i&#x017F;t/ den er durch Untaht und Frevel mag erzu&#x0364;rnet haben/ un&#x0303; er ihn durch &#x017F;olche Schickung<lb/>
zur &#x017F;traffe fodert/ oder daß er mit ihm aus die&#x017F;er Verga&#x0364;ngligkeit eilet/ und in den Ely&#x017F;i&#x017F;che&#x0303;<lb/>
Feldern ihn vor &#x017F;eine Fro&#x0364;mmigkeit und Tugend ergetzen wil/ daß ihm al&#x017F;o &#x017F;olcher Unfall<lb/>
zum be&#x017F;ten dienen muß. Zwar es gehet als dann wol &#x017F;ein Leib darauff/ daß er von wilden<lb/>
Tihren gefre&#x017F;&#x017F;en/ oder &#x017F;on&#x017F;t verwu&#x0364;&#x017F;tet wird/ aber gleich wie das Gold &#x017F;eine Wirdigkeit nit<lb/>
empfa&#x0364;het/ weil es noch mit Erz und Erde vermi&#x017F;chet i&#x017F;t/ al&#x017F;o beko&#x0364;mt des Men&#x017F;chen Seele<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0594] Drittes Buch. eingegoſſen haben. Eure Gn. ſchaͤtzen es hoch/ daß ich ein ſchwacher Juͤngling/ dieſes freſ- ſige Ungeheur nidergelegt habe; aber was iſt das Wunder/ daß ein vernuͤnfftiger Menſch/ der ſeinen Witz gebrauchen kan/ einem unvernuͤnfftigen Tihre obſteget? Hier iſt nichts als freche Wuht/ die ſich ſelbſt in Spieſſe/ Pfeile und Schwerter ſtuͤrzet/ wann wirs ihr nur vorſich tiglich bieten und goͤnnen/ bey uns aber finden die geſunden Gedanken leicht einen Vortel/ dadurch unbeſonnene Leibeskrafft gebrochen wird; und wer hier an zweifelt/ muß noch wenige Erfahrenheit haben/ was vor Unterſcheid zwiſchen Witz und Frevel/ zwiſchẽ Klugheit und Wuht geſetzet iſt; uͤber das hat die Vernunſt ſolche heilſame Wehr uñ Waf- fen uns in die Hand geſtellet/ daß wir die wilden Tihre fellen koͤnnen/ ehe ſie uns erreichen moͤgen; Die Vernunfft hat durch ſolche Mittel uns die Herrſchafft/ nicht auff der feſten Erde/ ſondern auch auff den wallenden Waſſern/ ja oben in der Lufft verlihen/ dz ſich nichts vor uns bergen/ noch unſerer Nachſtellung entgehen mag; Und was ſolte mich hindern/ dz ich diß groſſe Tihr in der naͤhe/ und auff der Erden/ nicht leichter erlegete/ als vormahls die in Luͤfften ſchwebende Taube? nur daß verzagete Herzen ſich vor einem auffgeſperreten Rachen entſetzen/ und ſcharffe Klauen fuͤrchten und fuͤhlen/ ehe ſie drinnen ſtecken/ und ei- nigen Angriff empfinden. O wie ein furchtſamer Muht iſt der/ welcher den Ungluͤks-weg erwaͤhlet/ da wol hundeꝛt Neben-ſtraſſen ſind! wie ein verzagter Siñ/ der liebeꝛ deꝛ Schlan- gen Stich ausſtehet/ als daß er ſie aus dem Wege ſtoſſen ſolte! trauet mir/ mein Herr/ eine vernuͤnfftige Seele iſt kraͤfftiger als alle Leibesſtaͤrke/ und bedachtſame Gegenwehr vortraͤg- licher als hundert Mauren; dann ſtehe ich unbeſonnen hinter dieſen/ kan ich leicht von ih- rem Falle erſchlagen werden; Vorſichtigkeit aber iſt auch des allergrimmeſten Gluͤckes Meiſterin. Moͤchte jemand einwenden: es fuͤnden ſich deren unter uns nicht in gar groſſeꝛ Menge/ welche der Vernunfft recht gebrauchen koͤnnen/ ſo fehle es auch zuzeiten an Mittel und Gewehr/ daß man der Wuht gewonnen geben/ und unterliegen muͤſte; aber ich ant- worte drauff: es bleibet die Laute wol ein kuͤnſtliches ruhmwirdiges Spielzeug/ ob gleich der Baur ſich deren nicht zugebrauchen weiß/ oder ſie wol gar zerdruͤcket; alſo iſt und blei- bet die Vernunfft wol eine Koͤnigin uͤber alle irdiſche Volkommenheiten/ ob gleich der we- nigſte Teil unter uns bemuͤhet iſt/ daß er lernen moͤge/ ſie recht anzuwenden; Mittel und Gewehr aber gibt uns Goͤttliche Verſehung Zeit der Noht ſelbſt in die Hand/ wañ ſie uns gnaͤdig iſt/ und ſie die Gefahr/ mehr zu unſer Pruͤfung als Verderben uns zuſchicket; Da ſind Steine/ Koht und Sand/ deren wir uns offt zur Erlegung grimmiger Tihre gluͤklich gebrauchen; und ein vorſichtiger Mann ſchicket ſich gemeiniglich auff ein Noht Gewehr. Jedoch/ weil der Menſch nicht Gott/ ſondern ſterblich und ſchwach iſt/ komt es auch wol/ daß er in moͤglicher Anwendung ſeiner Vernunfft unterliegen/ uñ den kuͤrzern zihen muß; Aber ſolches begegnet ihm gemeiniglich entweder daher/ daß er mit Gott nicht wol dran iſt/ den er durch Untaht und Frevel mag erzuͤrnet haben/ uñ er ihn durch ſolche Schickung zur ſtraffe fodert/ oder daß er mit ihm aus dieſer Vergaͤngligkeit eilet/ und in den Elyſiſchẽ Feldern ihn vor ſeine Froͤmmigkeit und Tugend ergetzen wil/ daß ihm alſo ſolcher Unfall zum beſten dienen muß. Zwar es gehet als dann wol ſein Leib darauff/ daß er von wilden Tihren gefreſſen/ oder ſonſt verwuͤſtet wird/ aber gleich wie das Gold ſeine Wirdigkeit nit empfaͤhet/ weil es noch mit Erz und Erde vermiſchet iſt/ alſo bekoͤmt des Menſchen Seele erſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/594
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/594>, abgerufen am 17.06.2024.