Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch.
sammen/ und machten sie ringsumbher zu. In die andere musten sich Leches und Neda mit
ihren Eheliebsten setzen/ und hatten zween Reichsstäbe/ und vier Königliche Kronen bey
sich. In der dritten wahren die beyden Fürstinnen/ mit Euphrosynen und Agathen/ welche
die beydenjungen Herrichen bey sich hatten. Die drey Fürsten/ und hinter ihnen Prinsla
und Wenzesla ritten voran (Fabius wahr bey den Völkern blieben) biß sie in den inner-
sten Plaz des Schlosses kahmen/ da sie den abgeschikten ädelknaben schon hatten vorhin
gehen lassen/ mit bericht/ sie brächten sehr gute Zeitung mit sich von dem verlohrnen Fräu-
lein und ihrem Herr Bruder; welches sie ihr zu dem Ende sagen liessen/ damit durch gar
zu schnelle unversehene Freude ihr nicht etwas wiedriges zustossen möchte. Die Besatzung
des Schlosses hatte sich mit ihrem Gewehr an beyden Seiten des Platzes gestellet/ unter
denen Valiska viel bekante Angesichter/ auch den Befehlichhaber selbst kennete/ und nicht
wol wuste/ wie sie unerkennet auffs Gemach kommen solte; endlich rieff sie dem Hauptman
und sagete: Schweiget/ wann ihr uns kennet/ und gebietet euren Knechten bey lebens straf-
fe/ daß sie ein gleiches tuhn. Stiegen darauff ingesamt abe/ so daß die Königinnen neben
einander voran/ Libussa aber und Brela mit den beyden Kronen ihnen zur Seite gingen;
hinter ihnen her Ladisla und Herkules/ und mit beyden Kronen neben ihnen/ Leches und Ne-
da. Nähest den Königen/ Fürstin Lukrezie/ die von Arbianes/ und Fürstin Sibylla/ die von
dem alten Pribisla geleitet ward. Baldrich und Siegward gingen gar voraus/ biß vor
der Königin Gemach/ traten auff erfoderung hinein/ und wurden Mütterlich empfangen.
Die Königin wunderte sich/ daß Baldrich so groß und mänlich worden wahr/ dann sie
hatte ihn in mehr als vier Jahren nicht gesehen/ kunte auch ihr mütterliches Herz nicht
lange bergen/ und fragete alsbald/ was vor Zeitung sie von ihren lieben Kindern brächten/
und ob sie von Padua kähmen. Gleich auff dieses Wort öfnete Valiska die Tühr/ und trat
mit einem lächelnden Angesicht hinein/ wodurch sie ehmahls ihr Mutterherz offt gewon-
nen und ergetzet hatte. Weil dann die alte Königin gegen der Tuhr übersaß/ ward sie ihrer
allerliebsten Tochter alsbald gewahr; worüber sie laut ruffen ward: O mein Herzen Kind!
Hiemit blieb ihr die Rede stehen/ und ließ die Hände in ihre Schos sinken/ dann die unver-
sehene Freude belief ihr Herz dermassen/ daß wenig fehlete/ sie währe in der Ohmacht ver-
schieden; welches Valiska ersehend/ schleunig hinzu lief/ rüttelte und schüttelte sie mit So-
phien Hülffe/ daß sie endlich die Augen auffschlug/ und ihr liebes Kind fest an ihre Brust
drückete/ aber doch vor Freuden kein Wort sprechen kunte. Valiska küssete sie ohn un-
terlaß/ und sagete: Herzallerliebste Fr. Mutter; darff eure ungehorsame Tochter
sich auch wieder vor euren Augen finden lassen/ die durch ihr Lustfahren euch so mannich
tausend Herzleid gemacht hat? Ach mein Herzen Schaz/ antwortete sie/ habe ich dich dann
warhafftig in meinen Armen/ oder ist es nur eine blosse Einbildung? Allerliebste Fr. Mut-
ter/ sagte sie; ja mein gnädiger Gott hat mich wieder hergeführet; und sehet da meine herz-
liebe Fr. Schwester/ Königin Sophia/ eure auch ergebene Tochter. Die Mutter erhoh-
lete sich hierauff/ kunte aber ihre Valisken so schleunig nicht verlassen/ sondern hing fest als
eine Klette an ihr/ biß sie aller dinge sich besan/ da sie ihre Schnuhr auch mit küssen und um-
fahen wilkommen hieß/ kehrete sich hernach wieder zu Valisken/ und sagete: Ich hoffe ja/
daß dein Bruder/ und mein Sohn Herkules sich auch werden wieder gestellet haben. Ja/

Fr. Mut-

Sechſtes Buch.
ſammen/ und machten ſie ringsumbher zu. In die andere muſten ſich Leches und Neda mit
ihren Eheliebſten ſetzen/ und hatten zween Reichsſtaͤbe/ und vier Koͤnigliche Kronen bey
ſich. In der dritten wahren die beyden Fuͤrſtinnen/ mit Euphroſynen und Agathen/ welche
die beydenjungen Herrichen bey ſich hatten. Die drey Fuͤrſten/ und hinter ihnen Prinſla
und Wenzeſla ritten voran (Fabius wahr bey den Voͤlkern blieben) biß ſie in den inner-
ſten Plaz des Schloſſes kahmen/ da ſie den abgeſchikten aͤdelknaben ſchon hatten vorhin
gehen laſſen/ mit bericht/ ſie braͤchten ſehr gute Zeitung mit ſich von dem verlohrnen Fraͤu-
lein und ihrem Herr Bruder; welches ſie ihr zu dem Ende ſagen lieſſen/ damit durch gar
zu ſchnelle unverſehene Freude ihr nicht etwas wiedriges zuſtoſſen moͤchte. Die Beſatzung
des Schloſſes hatte ſich mit ihrem Gewehr an beyden Seiten des Platzes geſtellet/ unter
denen Valiſka viel bekante Angeſichter/ auch den Befehlichhaber ſelbſt kennete/ und nicht
wol wuſte/ wie ſie unerkennet auffs Gemach kommen ſolte; endlich rieff ſie dem Hauptman
und ſagete: Schweiget/ wann ihr uns kennet/ uñ gebietet euren Knechten bey lebens ſtraf-
fe/ daß ſie ein gleiches tuhn. Stiegen darauff ingeſamt abe/ ſo daß die Koͤniginnen neben
einander voran/ Libuſſa aber und Brela mit den beyden Kronen ihnen zur Seite gingen;
hinter ihnen her Ladiſla und Herkules/ und mit beydẽ Kronen neben ihnen/ Leches und Ne-
da. Naͤheſt den Koͤnigen/ Fürſtin Lukrezie/ die von Arbianes/ und Fuͤrſtin Sibylla/ die von
dem alten Pribiſla geleitet ward. Baldrich und Siegward gingen gar voraus/ biß vor
der Koͤnigin Gemach/ traten auff erfoderung hinein/ und wurden Muͤtterlich empfangen.
Die Koͤnigin wunderte ſich/ daß Baldrich ſo groß und maͤnlich worden wahr/ dann ſie
hatte ihn in mehr als vier Jahren nicht geſehen/ kunte auch ihr muͤtterliches Herz nicht
lange bergen/ und fragete alsbald/ was vor Zeitung ſie von ihren lieben Kindern braͤchten/
und ob ſie von Padua kaͤhmen. Gleich auff dieſes Wort oͤfnete Valiſka die Tuͤhr/ und trat
mit einem laͤchelnden Angeſicht hinein/ wodurch ſie ehmahls ihr Mutterherz offt gewon-
nen und ergetzet hatte. Weil dann die alte Koͤnigin gegen der Tůhr uͤberſaß/ ward ſie ihrer
allerliebſten Tochter alsbald gewahr; woruͤber ſie laut ruffẽ ward: O mein Herzen Kind!
Hiemit blieb ihr die Rede ſtehen/ und ließ die Haͤnde in ihre Schos ſinken/ dann die unver-
ſehene Freude belief ihr Herz dermaſſen/ daß wenig fehlete/ ſie waͤhre in der Ohmacht ver-
ſchieden; welches Valiſka erſehend/ ſchleunig hinzu lief/ ruͤttelte und ſchuͤttelte ſie mit So-
phien Huͤlffe/ daß ſie endlich die Augen auffſchlug/ und ihr liebes Kind feſt an ihre Bruſt
druͤckete/ aber doch vor Freuden kein Wort ſprechen kunte. Valiſka kuͤſſete ſie ohn un-
terlaß/ und ſagete: Herzallerliebſte Fr. Mutter; darff eure ungehorſame Tochter
ſich auch wieder vor euren Augen finden laſſen/ die durch ihr Luſtfahren euch ſo mannich
tauſend Herzleid gemacht hat? Ach mein Herzen Schaz/ antwortete ſie/ habe ich dich dañ
warhafftig in meinen Armen/ oder iſt es nur eine bloſſe Einbildung? Allerliebſte Fr. Mut-
ter/ ſagte ſie; ja mein gnaͤdiger Gott hat mich wieder hergefuͤhret; und ſehet da meine herz-
liebe Fr. Schweſter/ Koͤnigin Sophia/ eure auch ergebene Tochter. Die Mutter erhoh-
lete ſich hierauff/ kunte aber ihre Valiſken ſo ſchleunig nicht verlaſſen/ ſondern hing feſt als
eine Klette an ihr/ biß ſie aller dinge ſich beſan/ da ſie ihre Schnuhr auch mit küſſen und um-
fahen wilkommen hieß/ kehrete ſich hernach wieder zu Valiſken/ und ſagete: Ich hoffe ja/
daß dein Bruder/ und mein Sohn Herkules ſich auch werden wieder geſtellet haben. Ja/

Fr. Mut-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0477" n="471"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ammen/ und machten &#x017F;ie ringsumbher zu. In die andere mu&#x017F;ten &#x017F;ich Leches und Neda mit<lb/>
ihren Ehelieb&#x017F;ten &#x017F;etzen/ und hatten zween Reichs&#x017F;ta&#x0364;be/ und vier Ko&#x0364;nigliche Kronen bey<lb/>
&#x017F;ich. In der dritten wahren die beyden Fu&#x0364;r&#x017F;tinnen/ mit Euphro&#x017F;ynen und Agathen/ welche<lb/>
die beydenjungen Herrichen bey &#x017F;ich hatten. Die drey Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ und hinter ihnen Prin&#x017F;la<lb/>
und Wenze&#x017F;la ritten voran (Fabius wahr bey den Vo&#x0364;lkern blieben) biß &#x017F;ie in den inner-<lb/>
&#x017F;ten Plaz des Schlo&#x017F;&#x017F;es kahmen/ da &#x017F;ie den abge&#x017F;chikten a&#x0364;delknaben &#x017F;chon hatten vorhin<lb/>
gehen la&#x017F;&#x017F;en/ mit bericht/ &#x017F;ie bra&#x0364;chten &#x017F;ehr gute Zeitung mit &#x017F;ich von dem verlohrnen Fra&#x0364;u-<lb/>
lein und ihrem Herr Bruder; welches &#x017F;ie ihr zu dem Ende &#x017F;agen lie&#x017F;&#x017F;en/ damit durch gar<lb/>
zu &#x017F;chnelle unver&#x017F;ehene Freude ihr nicht etwas wiedriges zu&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte. Die Be&#x017F;atzung<lb/>
des Schlo&#x017F;&#x017F;es hatte &#x017F;ich mit ihrem Gewehr an beyden Seiten des Platzes ge&#x017F;tellet/ unter<lb/>
denen Vali&#x017F;ka viel bekante Ange&#x017F;ichter/ auch den Befehlichhaber &#x017F;elb&#x017F;t kennete/ und nicht<lb/>
wol wu&#x017F;te/ wie &#x017F;ie unerkennet auffs Gemach kommen &#x017F;olte; endlich rieff &#x017F;ie dem Hauptman<lb/>
und &#x017F;agete: Schweiget/ wann ihr uns kennet/ un&#x0303; gebietet euren Knechten bey lebens &#x017F;traf-<lb/>
fe/ daß &#x017F;ie ein gleiches tuhn. Stiegen darauff inge&#x017F;amt abe/ &#x017F;o daß die Ko&#x0364;niginnen neben<lb/>
einander voran/ Libu&#x017F;&#x017F;a aber und Brela mit den beyden Kronen ihnen zur Seite gingen;<lb/>
hinter ihnen her Ladi&#x017F;la und Herkules/ und mit beyde&#x0303; Kronen neben ihnen/ Leches und Ne-<lb/>
da. Na&#x0364;he&#x017F;t den Ko&#x0364;nigen/ Für&#x017F;tin Lukrezie/ die von Arbianes/ und Fu&#x0364;r&#x017F;tin Sibylla/ die von<lb/>
dem alten Pribi&#x017F;la geleitet ward. Baldrich und Siegward gingen gar voraus/ biß vor<lb/>
der Ko&#x0364;nigin Gemach/ traten auff erfoderung hinein/ und wurden Mu&#x0364;tterlich empfangen.<lb/>
Die Ko&#x0364;nigin wunderte &#x017F;ich/ daß Baldrich &#x017F;o groß und ma&#x0364;nlich worden wahr/ dann &#x017F;ie<lb/>
hatte ihn in mehr als vier Jahren nicht ge&#x017F;ehen/ kunte auch ihr mu&#x0364;tterliches Herz nicht<lb/>
lange bergen/ und fragete alsbald/ was vor Zeitung &#x017F;ie von ihren lieben Kindern bra&#x0364;chten/<lb/>
und ob &#x017F;ie von Padua ka&#x0364;hmen. Gleich auff die&#x017F;es Wort o&#x0364;fnete Vali&#x017F;ka die Tu&#x0364;hr/ und trat<lb/>
mit einem la&#x0364;chelnden Ange&#x017F;icht hinein/ wodurch &#x017F;ie ehmahls ihr Mutterherz offt gewon-<lb/>
nen und ergetzet hatte. Weil dann die alte Ko&#x0364;nigin gegen der T&#x016F;hr u&#x0364;ber&#x017F;aß/ ward &#x017F;ie ihrer<lb/>
allerlieb&#x017F;ten Tochter alsbald gewahr; woru&#x0364;ber &#x017F;ie laut ruffe&#x0303; ward: O mein Herzen Kind!<lb/>
Hiemit blieb ihr die Rede &#x017F;tehen/ und ließ die Ha&#x0364;nde in ihre Schos &#x017F;inken/ dann die unver-<lb/>
&#x017F;ehene Freude belief ihr Herz derma&#x017F;&#x017F;en/ daß wenig fehlete/ &#x017F;ie wa&#x0364;hre in der Ohmacht ver-<lb/>
&#x017F;chieden; welches Vali&#x017F;ka er&#x017F;ehend/ &#x017F;chleunig hinzu lief/ ru&#x0364;ttelte und &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;ie mit So-<lb/>
phien Hu&#x0364;lffe/ daß &#x017F;ie endlich die Augen auff&#x017F;chlug/ und ihr liebes Kind fe&#x017F;t an ihre Bru&#x017F;t<lb/>
dru&#x0364;ckete/ aber doch vor Freuden kein Wort &#x017F;prechen kunte. Vali&#x017F;ka ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete &#x017F;ie ohn un-<lb/>
terlaß/ und &#x017F;agete: Herzallerlieb&#x017F;te Fr. Mutter; darff eure ungehor&#x017F;ame Tochter<lb/>
&#x017F;ich auch wieder vor euren Augen finden la&#x017F;&#x017F;en/ die durch ihr Lu&#x017F;tfahren euch &#x017F;o mannich<lb/>
tau&#x017F;end Herzleid gemacht hat? Ach mein Herzen Schaz/ antwortete &#x017F;ie/ habe ich dich dan&#x0303;<lb/>
warhafftig in meinen Armen/ oder i&#x017F;t es nur eine blo&#x017F;&#x017F;e Einbildung? Allerlieb&#x017F;te Fr. Mut-<lb/>
ter/ &#x017F;agte &#x017F;ie; ja mein gna&#x0364;diger Gott hat mich wieder hergefu&#x0364;hret; und &#x017F;ehet da meine herz-<lb/>
liebe Fr. Schwe&#x017F;ter/ Ko&#x0364;nigin Sophia/ eure auch ergebene Tochter. Die Mutter erhoh-<lb/>
lete &#x017F;ich hierauff/ kunte aber ihre Vali&#x017F;ken &#x017F;o &#x017F;chleunig nicht verla&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern hing fe&#x017F;t als<lb/>
eine Klette an ihr/ biß &#x017F;ie aller dinge &#x017F;ich be&#x017F;an/ da &#x017F;ie ihre Schnuhr auch mit kü&#x017F;&#x017F;en und um-<lb/>
fahen wilkommen hieß/ kehrete &#x017F;ich hernach wieder zu Vali&#x017F;ken/ und &#x017F;agete: Ich hoffe ja/<lb/>
daß dein Bruder/ und mein Sohn Herkules &#x017F;ich auch werden wieder ge&#x017F;tellet haben. Ja/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fr. Mut-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0477] Sechſtes Buch. ſammen/ und machten ſie ringsumbher zu. In die andere muſten ſich Leches und Neda mit ihren Eheliebſten ſetzen/ und hatten zween Reichsſtaͤbe/ und vier Koͤnigliche Kronen bey ſich. In der dritten wahren die beyden Fuͤrſtinnen/ mit Euphroſynen und Agathen/ welche die beydenjungen Herrichen bey ſich hatten. Die drey Fuͤrſten/ und hinter ihnen Prinſla und Wenzeſla ritten voran (Fabius wahr bey den Voͤlkern blieben) biß ſie in den inner- ſten Plaz des Schloſſes kahmen/ da ſie den abgeſchikten aͤdelknaben ſchon hatten vorhin gehen laſſen/ mit bericht/ ſie braͤchten ſehr gute Zeitung mit ſich von dem verlohrnen Fraͤu- lein und ihrem Herr Bruder; welches ſie ihr zu dem Ende ſagen lieſſen/ damit durch gar zu ſchnelle unverſehene Freude ihr nicht etwas wiedriges zuſtoſſen moͤchte. Die Beſatzung des Schloſſes hatte ſich mit ihrem Gewehr an beyden Seiten des Platzes geſtellet/ unter denen Valiſka viel bekante Angeſichter/ auch den Befehlichhaber ſelbſt kennete/ und nicht wol wuſte/ wie ſie unerkennet auffs Gemach kommen ſolte; endlich rieff ſie dem Hauptman und ſagete: Schweiget/ wann ihr uns kennet/ uñ gebietet euren Knechten bey lebens ſtraf- fe/ daß ſie ein gleiches tuhn. Stiegen darauff ingeſamt abe/ ſo daß die Koͤniginnen neben einander voran/ Libuſſa aber und Brela mit den beyden Kronen ihnen zur Seite gingen; hinter ihnen her Ladiſla und Herkules/ und mit beydẽ Kronen neben ihnen/ Leches und Ne- da. Naͤheſt den Koͤnigen/ Fürſtin Lukrezie/ die von Arbianes/ und Fuͤrſtin Sibylla/ die von dem alten Pribiſla geleitet ward. Baldrich und Siegward gingen gar voraus/ biß vor der Koͤnigin Gemach/ traten auff erfoderung hinein/ und wurden Muͤtterlich empfangen. Die Koͤnigin wunderte ſich/ daß Baldrich ſo groß und maͤnlich worden wahr/ dann ſie hatte ihn in mehr als vier Jahren nicht geſehen/ kunte auch ihr muͤtterliches Herz nicht lange bergen/ und fragete alsbald/ was vor Zeitung ſie von ihren lieben Kindern braͤchten/ und ob ſie von Padua kaͤhmen. Gleich auff dieſes Wort oͤfnete Valiſka die Tuͤhr/ und trat mit einem laͤchelnden Angeſicht hinein/ wodurch ſie ehmahls ihr Mutterherz offt gewon- nen und ergetzet hatte. Weil dann die alte Koͤnigin gegen der Tůhr uͤberſaß/ ward ſie ihrer allerliebſten Tochter alsbald gewahr; woruͤber ſie laut ruffẽ ward: O mein Herzen Kind! Hiemit blieb ihr die Rede ſtehen/ und ließ die Haͤnde in ihre Schos ſinken/ dann die unver- ſehene Freude belief ihr Herz dermaſſen/ daß wenig fehlete/ ſie waͤhre in der Ohmacht ver- ſchieden; welches Valiſka erſehend/ ſchleunig hinzu lief/ ruͤttelte und ſchuͤttelte ſie mit So- phien Huͤlffe/ daß ſie endlich die Augen auffſchlug/ und ihr liebes Kind feſt an ihre Bruſt druͤckete/ aber doch vor Freuden kein Wort ſprechen kunte. Valiſka kuͤſſete ſie ohn un- terlaß/ und ſagete: Herzallerliebſte Fr. Mutter; darff eure ungehorſame Tochter ſich auch wieder vor euren Augen finden laſſen/ die durch ihr Luſtfahren euch ſo mannich tauſend Herzleid gemacht hat? Ach mein Herzen Schaz/ antwortete ſie/ habe ich dich dañ warhafftig in meinen Armen/ oder iſt es nur eine bloſſe Einbildung? Allerliebſte Fr. Mut- ter/ ſagte ſie; ja mein gnaͤdiger Gott hat mich wieder hergefuͤhret; und ſehet da meine herz- liebe Fr. Schweſter/ Koͤnigin Sophia/ eure auch ergebene Tochter. Die Mutter erhoh- lete ſich hierauff/ kunte aber ihre Valiſken ſo ſchleunig nicht verlaſſen/ ſondern hing feſt als eine Klette an ihr/ biß ſie aller dinge ſich beſan/ da ſie ihre Schnuhr auch mit küſſen und um- fahen wilkommen hieß/ kehrete ſich hernach wieder zu Valiſken/ und ſagete: Ich hoffe ja/ daß dein Bruder/ und mein Sohn Herkules ſich auch werden wieder geſtellet haben. Ja/ Fr. Mut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/477
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/477>, abgerufen am 14.05.2024.