Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
stehen ab. Alle Vatermörder legen sich um, wie melancholische
Schweinsohren. Den Bauern wachsen die Nägel und der
Bart wieder. Den Soldaten gehen die Locken auf. Von
den zwölf Unschuldigen ist Keine, die nicht das horizontale
Verhalten dem senkrechten vorzöge. Sie sehen in ihren weißen
Kleidchen aus, wie erschöpfte Seidenhasen, und der Hofpoet
grunzt um sie herum, wie ein bekümmertes Meerschweinchen.
Die Herren Offiziere kommen um all ihre Haltung, und die
Hofdamen stehen da, wie Gradirbäue. Das Salz crystallisirt
an ihren Halsketten.
Zweiter Bedienter. Sie machen es sich wenigstens
bequem; man kann ihnen nicht nachsagen, daß sie auf den
Schultern trügen. Wenn sie auch nicht offenherzig sind, so
sind sie doch offen bis zum Herzen.
Ceremonienmeister. Ja, sie sind gute Karten vom
türkischen Reiche, man sieht die Dardanellen und das Marmor-
meer. Fort, ihr Schlingel! An die Fenster! Da kommt Ihro
Majestät.

König Peter und der Staatsrath treten ein.
Peter. Auch die Prinzessin ist verschwunden. Hat man
noch keine Spur von unserm geliebten Erbprinzen? Sind
meine Befehle befolgt? Werden die Grenzen beobachtet?
Ceremonienmeister. Ja, Majestät. Die Aussicht von
diesem Saale gestattet uns die strengste Aufsicht. (Zu dem
ersten Bedienten.)
Was hast du gesehen?
Erster Bedienter. Ein Hund, der seinen Herrn sucht,
ist durch das Reich gelaufen.
Ceremonienmeister (zu einem andern). Und du?
Zweiter Bedienter. Es geht Jemand auf der Nord-
ſtehen ab. Alle Vatermörder legen ſich um, wie melancholiſche
Schweinsohren. Den Bauern wachſen die Nägel und der
Bart wieder. Den Soldaten gehen die Locken auf. Von
den zwölf Unſchuldigen iſt Keine, die nicht das horizontale
Verhalten dem ſenkrechten vorzöge. Sie ſehen in ihren weißen
Kleidchen aus, wie erſchöpfte Seidenhaſen, und der Hofpoet
grunzt um ſie herum, wie ein bekümmertes Meerſchweinchen.
Die Herren Offiziere kommen um all ihre Haltung, und die
Hofdamen ſtehen da, wie Gradirbäue. Das Salz cryſtalliſirt
an ihren Halsketten.
Zweiter Bedienter. Sie machen es ſich wenigſtens
bequem; man kann ihnen nicht nachſagen, daß ſie auf den
Schultern trügen. Wenn ſie auch nicht offenherzig ſind, ſo
ſind ſie doch offen bis zum Herzen.
Ceremonienmeiſter. Ja, ſie ſind gute Karten vom
türkiſchen Reiche, man ſieht die Dardanellen und das Marmor-
meer. Fort, ihr Schlingel! An die Fenſter! Da kommt Ihro
Majeſtät.

König Peter und der Staatsrath treten ein.
Peter. Auch die Prinzeſſin iſt verſchwunden. Hat man
noch keine Spur von unſerm geliebten Erbprinzen? Sind
meine Befehle befolgt? Werden die Grenzen beobachtet?
Ceremonienmeiſter. Ja, Majeſtät. Die Ausſicht von
dieſem Saale geſtattet uns die ſtrengſte Aufſicht. (Zu dem
erſten Bedienten.)
Was haſt du geſehen?
Erſter Bedienter. Ein Hund, der ſeinen Herrn ſucht,
iſt durch das Reich gelaufen.
Ceremonienmeiſter (zu einem andern). Und du?
Zweiter Bedienter. Es geht Jemand auf der Nord-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="act" n="3">
            <div type="scene" n="4">
              <sp who="#CER">
                <p><pb facs="#f0345" n="149"/>
&#x017F;tehen ab. Alle Vatermörder legen &#x017F;ich um, wie melancholi&#x017F;che<lb/>
Schweinsohren. Den Bauern wach&#x017F;en die Nägel und der<lb/>
Bart wieder. Den Soldaten gehen die Locken auf. Von<lb/>
den zwölf Un&#x017F;chuldigen i&#x017F;t Keine, die nicht das horizontale<lb/>
Verhalten dem &#x017F;enkrechten vorzöge. Sie &#x017F;ehen in ihren weißen<lb/>
Kleidchen aus, wie er&#x017F;chöpfte Seidenha&#x017F;en, und der Hofpoet<lb/>
grunzt um &#x017F;ie herum, wie ein bekümmertes Meer&#x017F;chweinchen.<lb/>
Die Herren Offiziere kommen um all ihre Haltung, und die<lb/>
Hofdamen &#x017F;tehen da, wie Gradirbäue. Das Salz cry&#x017F;talli&#x017F;irt<lb/>
an ihren Halsketten.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ZWEBEDIEN">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Zweiter Bedienter.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Sie machen es &#x017F;ich wenig&#x017F;tens<lb/>
bequem; man kann ihnen nicht nach&#x017F;agen, daß &#x017F;ie auf den<lb/>
Schultern trügen. Wenn &#x017F;ie auch nicht offenherzig &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie doch offen bis zum Herzen.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#CER">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Ceremonienmei&#x017F;ter.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Ja, &#x017F;ie &#x017F;ind gute Karten vom<lb/>
türki&#x017F;chen Reiche, man &#x017F;ieht die Dardanellen und das Marmor-<lb/>
meer. Fort, ihr Schlingel! An die Fen&#x017F;ter! Da kommt Ihro<lb/>
Maje&#x017F;tät.</p><lb/>
                <stage>König <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Peter</hi></hi> und der <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Staatsrath</hi></hi> treten ein.</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#KOENIG">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Peter.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Auch die Prinze&#x017F;&#x017F;in i&#x017F;t ver&#x017F;chwunden. Hat man<lb/>
noch keine Spur von un&#x017F;erm geliebten Erbprinzen? Sind<lb/>
meine Befehle befolgt? Werden die Grenzen beobachtet?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#CER">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Ceremonienmei&#x017F;ter.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Ja, Maje&#x017F;tät. Die Aus&#x017F;icht von<lb/>
die&#x017F;em Saale ge&#x017F;tattet uns die &#x017F;treng&#x017F;te Auf&#x017F;icht. <stage>(Zu dem<lb/>
er&#x017F;ten Bedienten.)</stage> Was ha&#x017F;t du ge&#x017F;ehen?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ERBIENT">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Bedienter.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Ein Hund, der &#x017F;einen Herrn &#x017F;ucht,<lb/>
i&#x017F;t durch das Reich gelaufen.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#CER">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Ceremonienmei&#x017F;ter</hi> </hi> </speaker>
                <stage>(zu einem andern).</stage>
                <p>Und du?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ZWEBEDIEN">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Zweiter Bedienter.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Es geht Jemand auf der Nord-<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0345] ſtehen ab. Alle Vatermörder legen ſich um, wie melancholiſche Schweinsohren. Den Bauern wachſen die Nägel und der Bart wieder. Den Soldaten gehen die Locken auf. Von den zwölf Unſchuldigen iſt Keine, die nicht das horizontale Verhalten dem ſenkrechten vorzöge. Sie ſehen in ihren weißen Kleidchen aus, wie erſchöpfte Seidenhaſen, und der Hofpoet grunzt um ſie herum, wie ein bekümmertes Meerſchweinchen. Die Herren Offiziere kommen um all ihre Haltung, und die Hofdamen ſtehen da, wie Gradirbäue. Das Salz cryſtalliſirt an ihren Halsketten. Zweiter Bedienter. Sie machen es ſich wenigſtens bequem; man kann ihnen nicht nachſagen, daß ſie auf den Schultern trügen. Wenn ſie auch nicht offenherzig ſind, ſo ſind ſie doch offen bis zum Herzen. Ceremonienmeiſter. Ja, ſie ſind gute Karten vom türkiſchen Reiche, man ſieht die Dardanellen und das Marmor- meer. Fort, ihr Schlingel! An die Fenſter! Da kommt Ihro Majeſtät. König Peter und der Staatsrath treten ein. Peter. Auch die Prinzeſſin iſt verſchwunden. Hat man noch keine Spur von unſerm geliebten Erbprinzen? Sind meine Befehle befolgt? Werden die Grenzen beobachtet? Ceremonienmeiſter. Ja, Majeſtät. Die Ausſicht von dieſem Saale geſtattet uns die ſtrengſte Aufſicht. (Zu dem erſten Bedienten.) Was haſt du geſehen? Erſter Bedienter. Ein Hund, der ſeinen Herrn ſucht, iſt durch das Reich gelaufen. Ceremonienmeiſter (zu einem andern). Und du? Zweiter Bedienter. Es geht Jemand auf der Nord-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/345
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/345>, abgerufen am 29.04.2024.