Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

begreifliche beginnt, hört eben alle Philosophie auf, und je
weiter sie dem Unbegreiflichen die Grenzen steckt, desto enger
sich selbst.



Ich glaube, daß selten ein geistvolles philosophisches
System eine so unklare und widerspruchsvolle Partie enthält,
als die Lehre des Cartesius von der Substanz; diese zu ver-
folgen ist eine unfruchtbare, unerquickliche, leider jedoch hier
nicht zu vermeidende Arbeit ...



Wer die Werke des Cartesius übersieht, gewahrt nur
Anläufe und Bruchstücke. Die Hauptzüge der im dritten
Buche der "Principien" abgehandelten Kosmogenie habe ich
oben objectiv entwickelt; im vierten Buche "De terra" werden
die physischen Eigenschaften des Erdkörpers abgehandelt. Die
vier Elemente spielen die Hauptrolle, Alles wird aus ihrem
gegenseitigen Verhältniß durch die willkürlichsten und aben-
teuerlichsten Hypothesen hergeleitet, auf die ich hier nicht
weiter eingehe. Es war eigentlich sein Plan, die ganze
Schöpfung aus seinen Principien herzuleiten und darzustellen,
die Harmonie zwischen der Erfahrung und seinem System
nachzuweisen, doch überraschte ihn der Tod. Den mathe-
matischen Theil seiner Werke abgerechnet, sieht es in ihnen
sonderbar aus. Großes Verdienst dagegen haben seine Unter-
suchungen über die Brechung des Lichtes, interessant sind
auch seine Versuche zu einer Lehre von den Sinnen, hingegen
meines Erachtens unbedeutend seine psychologischen Arbeiten.



Das System des Cartesius gab der Scholastik einen
mächtigen Stoß. Frankreich, die Niederlande und Deutschland

begreifliche beginnt, hört eben alle Philoſophie auf, und je
weiter ſie dem Unbegreiflichen die Grenzen ſteckt, deſto enger
ſich ſelbſt.



Ich glaube, daß ſelten ein geiſtvolles philoſophiſches
Syſtem eine ſo unklare und widerſpruchsvolle Partie enthält,
als die Lehre des Carteſius von der Subſtanz; dieſe zu ver-
folgen iſt eine unfruchtbare, unerquickliche, leider jedoch hier
nicht zu vermeidende Arbeit ...



Wer die Werke des Carteſius überſieht, gewahrt nur
Anläufe und Bruchſtücke. Die Hauptzüge der im dritten
Buche der "Principien" abgehandelten Kosmogenie habe ich
oben objectiv entwickelt; im vierten Buche "De terra" werden
die phyſiſchen Eigenſchaften des Erdkörpers abgehandelt. Die
vier Elemente ſpielen die Hauptrolle, Alles wird aus ihrem
gegenſeitigen Verhältniß durch die willkürlichſten und aben-
teuerlichſten Hypotheſen hergeleitet, auf die ich hier nicht
weiter eingehe. Es war eigentlich ſein Plan, die ganze
Schöpfung aus ſeinen Principien herzuleiten und darzuſtellen,
die Harmonie zwiſchen der Erfahrung und ſeinem Syſtem
nachzuweiſen, doch überraſchte ihn der Tod. Den mathe-
matiſchen Theil ſeiner Werke abgerechnet, ſieht es in ihnen
ſonderbar aus. Großes Verdienſt dagegen haben ſeine Unter-
ſuchungen über die Brechung des Lichtes, intereſſant ſind
auch ſeine Verſuche zu einer Lehre von den Sinnen, hingegen
meines Erachtens unbedeutend ſeine pſychologiſchen Arbeiten.



Das Syſtem des Carteſius gab der Scholaſtik einen
mächtigen Stoß. Frankreich, die Niederlande und Deutſchland

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0512" n="316"/>
begreifliche beginnt, hört eben alle Philo&#x017F;ophie auf, und je<lb/>
weiter &#x017F;ie dem Unbegreiflichen die Grenzen &#x017F;teckt, de&#x017F;to enger<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Ich glaube, daß &#x017F;elten ein gei&#x017F;tvolles philo&#x017F;ophi&#x017F;ches<lb/>
Sy&#x017F;tem eine &#x017F;o unklare und wider&#x017F;pruchsvolle Partie enthält,<lb/>
als die Lehre des Carte&#x017F;ius von der Sub&#x017F;tanz; die&#x017F;e zu ver-<lb/>
folgen i&#x017F;t eine unfruchtbare, unerquickliche, leider jedoch hier<lb/>
nicht zu vermeidende Arbeit ...</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Wer die Werke des Carte&#x017F;ius über&#x017F;ieht, gewahrt nur<lb/>
Anläufe und Bruch&#x017F;tücke. Die Hauptzüge der im dritten<lb/>
Buche der "Principien" abgehandelten Kosmogenie habe ich<lb/>
oben objectiv entwickelt; im vierten Buche <hi rendition="#aq">"De terra"</hi> werden<lb/>
die phy&#x017F;i&#x017F;chen Eigen&#x017F;chaften des Erdkörpers abgehandelt. Die<lb/>
vier Elemente &#x017F;pielen die Hauptrolle, Alles wird aus ihrem<lb/>
gegen&#x017F;eitigen Verhältniß durch die willkürlich&#x017F;ten und aben-<lb/>
teuerlich&#x017F;ten Hypothe&#x017F;en hergeleitet, auf die ich hier nicht<lb/>
weiter eingehe. Es war eigentlich &#x017F;ein Plan, die ganze<lb/>
Schöpfung aus &#x017F;einen Principien herzuleiten und darzu&#x017F;tellen,<lb/>
die Harmonie zwi&#x017F;chen der Erfahrung und &#x017F;einem Sy&#x017F;tem<lb/>
nachzuwei&#x017F;en, doch überra&#x017F;chte ihn der Tod. Den mathe-<lb/>
mati&#x017F;chen Theil &#x017F;einer Werke abgerechnet, &#x017F;ieht es in ihnen<lb/>
&#x017F;onderbar aus. Großes Verdien&#x017F;t dagegen haben &#x017F;eine Unter-<lb/>
&#x017F;uchungen über die Brechung des Lichtes, intere&#x017F;&#x017F;ant &#x017F;ind<lb/>
auch &#x017F;eine Ver&#x017F;uche zu einer Lehre von den Sinnen, hingegen<lb/>
meines Erachtens unbedeutend &#x017F;eine p&#x017F;ychologi&#x017F;chen Arbeiten.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Das Sy&#x017F;tem des Carte&#x017F;ius gab der Schola&#x017F;tik einen<lb/>
mächtigen Stoß. Frankreich, die Niederlande und Deut&#x017F;chland<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0512] begreifliche beginnt, hört eben alle Philoſophie auf, und je weiter ſie dem Unbegreiflichen die Grenzen ſteckt, deſto enger ſich ſelbſt. Ich glaube, daß ſelten ein geiſtvolles philoſophiſches Syſtem eine ſo unklare und widerſpruchsvolle Partie enthält, als die Lehre des Carteſius von der Subſtanz; dieſe zu ver- folgen iſt eine unfruchtbare, unerquickliche, leider jedoch hier nicht zu vermeidende Arbeit ... Wer die Werke des Carteſius überſieht, gewahrt nur Anläufe und Bruchſtücke. Die Hauptzüge der im dritten Buche der "Principien" abgehandelten Kosmogenie habe ich oben objectiv entwickelt; im vierten Buche "De terra" werden die phyſiſchen Eigenſchaften des Erdkörpers abgehandelt. Die vier Elemente ſpielen die Hauptrolle, Alles wird aus ihrem gegenſeitigen Verhältniß durch die willkürlichſten und aben- teuerlichſten Hypotheſen hergeleitet, auf die ich hier nicht weiter eingehe. Es war eigentlich ſein Plan, die ganze Schöpfung aus ſeinen Principien herzuleiten und darzuſtellen, die Harmonie zwiſchen der Erfahrung und ſeinem Syſtem nachzuweiſen, doch überraſchte ihn der Tod. Den mathe- matiſchen Theil ſeiner Werke abgerechnet, ſieht es in ihnen ſonderbar aus. Großes Verdienſt dagegen haben ſeine Unter- ſuchungen über die Brechung des Lichtes, intereſſant ſind auch ſeine Verſuche zu einer Lehre von den Sinnen, hingegen meines Erachtens unbedeutend ſeine pſychologiſchen Arbeiten. Das Syſtem des Carteſius gab der Scholaſtik einen mächtigen Stoß. Frankreich, die Niederlande und Deutſchland

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/512
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/512>, abgerufen am 28.04.2024.