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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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einigen Studenten der Theologie in Verkehr getreten und
hatte sich gern an sie angeschlossen, weil sie ihm durch ihre
nationale Gesinnung und den Ernst ihres Bildungsstrebens
sympathischer waren, als seine völlig verwelschten Collegen
von der medizinischen Facultät. Und weil von diesem ge-
nialen, liebenswürdigen Jüngling ein Zauber ausging, der
alle Herzen zwang, hier und in der Folge, wohin er sich
gewendet, weil es einzig an ihm lag, ob er einen Bekannten
zu seinem Freunde machen wollte oder nicht, so war er hier
bald von einem Jünglingskreise umgeben, der mit zärtlicher
Zuneigung an ihm hing, und dessen Richtung er Kraft seiner
überlegenen Natur vielfach bestimmte. Von diesen Freunden
seien Baum, Böckel, Follenius, namentlich aber die
Brüder Stöber schon hier erwähnt. Aber auch in allen
übrigen Dingen konnte es ihm in Straßburg trefflich be-
hagen: seiner Wissenschaft war er ein eifriger und freudiger
Jünger, und sah sich durch ungewöhnliche Fortschritte und
die Anerkennung seiner Lehrer für seine Bemühungen reichlich
belohnt, seine allgemeine Bildung erweiterte und festigte sich;
seine schwärmerische Liebe zur Natur fand in der herrlichen
Landschaft zwischen Rhein und Vogesen neue und schönere
Gegenstände reiner Entzückung, als ihr bisher gegönnt ge-
wesen; das altehrwürdige Münster, die merkwürdige Stadt
interessirte ihn nachhaltig, und das geräuschvolle, muntere
halbfranzösische Wesen und Treiben wirkte auf ihn, der aus
dem stillen, langweiligen Darmstadt kam, in den ersten
Wochen berauschend, aber auch in der Folge anregend. Und
zu all' dem ward ja seinem Herzen hier das echteste Glück,
welches die Erde bieten kann! ... Wir haben aus diesem
Abschnitt seines Lebens von keinem jähen Umschwung seines

einigen Studenten der Theologie in Verkehr getreten und
hatte ſich gern an ſie angeſchloſſen, weil ſie ihm durch ihre
nationale Geſinnung und den Ernſt ihres Bildungsſtrebens
ſympathiſcher waren, als ſeine völlig verwelſchten Collegen
von der mediziniſchen Facultät. Und weil von dieſem ge-
nialen, liebenswürdigen Jüngling ein Zauber ausging, der
alle Herzen zwang, hier und in der Folge, wohin er ſich
gewendet, weil es einzig an ihm lag, ob er einen Bekannten
zu ſeinem Freunde machen wollte oder nicht, ſo war er hier
bald von einem Jünglingskreiſe umgeben, der mit zärtlicher
Zuneigung an ihm hing, und deſſen Richtung er Kraft ſeiner
überlegenen Natur vielfach beſtimmte. Von dieſen Freunden
ſeien Baum, Böckel, Follenius, namentlich aber die
Brüder Stöber ſchon hier erwähnt. Aber auch in allen
übrigen Dingen konnte es ihm in Straßburg trefflich be-
hagen: ſeiner Wiſſenſchaft war er ein eifriger und freudiger
Jünger, und ſah ſich durch ungewöhnliche Fortſchritte und
die Anerkennung ſeiner Lehrer für ſeine Bemühungen reichlich
belohnt, ſeine allgemeine Bildung erweiterte und feſtigte ſich;
ſeine ſchwärmeriſche Liebe zur Natur fand in der herrlichen
Landſchaft zwiſchen Rhein und Vogeſen neue und ſchönere
Gegenſtände reiner Entzückung, als ihr bisher gegönnt ge-
weſen; das altehrwürdige Münſter, die merkwürdige Stadt
intereſſirte ihn nachhaltig, und das geräuſchvolle, muntere
halbfranzöſiſche Weſen und Treiben wirkte auf ihn, der aus
dem ſtillen, langweiligen Darmſtadt kam, in den erſten
Wochen berauſchend, aber auch in der Folge anregend. Und
zu all' dem ward ja ſeinem Herzen hier das echteſte Glück,
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[XLV/0061] einigen Studenten der Theologie in Verkehr getreten und hatte ſich gern an ſie angeſchloſſen, weil ſie ihm durch ihre nationale Geſinnung und den Ernſt ihres Bildungsſtrebens ſympathiſcher waren, als ſeine völlig verwelſchten Collegen von der mediziniſchen Facultät. Und weil von dieſem ge- nialen, liebenswürdigen Jüngling ein Zauber ausging, der alle Herzen zwang, hier und in der Folge, wohin er ſich gewendet, weil es einzig an ihm lag, ob er einen Bekannten zu ſeinem Freunde machen wollte oder nicht, ſo war er hier bald von einem Jünglingskreiſe umgeben, der mit zärtlicher Zuneigung an ihm hing, und deſſen Richtung er Kraft ſeiner überlegenen Natur vielfach beſtimmte. Von dieſen Freunden ſeien Baum, Böckel, Follenius, namentlich aber die Brüder Stöber ſchon hier erwähnt. Aber auch in allen übrigen Dingen konnte es ihm in Straßburg trefflich be- hagen: ſeiner Wiſſenſchaft war er ein eifriger und freudiger Jünger, und ſah ſich durch ungewöhnliche Fortſchritte und die Anerkennung ſeiner Lehrer für ſeine Bemühungen reichlich belohnt, ſeine allgemeine Bildung erweiterte und feſtigte ſich; ſeine ſchwärmeriſche Liebe zur Natur fand in der herrlichen Landſchaft zwiſchen Rhein und Vogeſen neue und ſchönere Gegenſtände reiner Entzückung, als ihr bisher gegönnt ge- weſen; das altehrwürdige Münſter, die merkwürdige Stadt intereſſirte ihn nachhaltig, und das geräuſchvolle, muntere halbfranzöſiſche Weſen und Treiben wirkte auf ihn, der aus dem ſtillen, langweiligen Darmſtadt kam, in den erſten Wochen berauſchend, aber auch in der Folge anregend. Und zu all' dem ward ja ſeinem Herzen hier das echteſte Glück, welches die Erde bieten kann! ... Wir haben aus dieſem Abſchnitt ſeines Lebens von keinem jähen Umſchwung ſeines

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XLV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/61>, abgerufen am 30.04.2024.