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Büsch, Johann Georg: Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Bd. 2. Hamburg, 1792.

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5. Buch. Von der Handlungs-Politik.

Der erste ist, daß sie in Durchlesung der Acten,
so viel möglich, alle eigentlich juristische Ideen entfer-
nen, und blos ihren gesunden Verstand benuzen, um
die Natur des Geschäftes recht durchzuschauen und
einzusehen, was der gute Glaube bei demselben vor-
ausseze oder zur Folge habe. Vielleicht dient eben
dieses mein Buch dazu, manchem in seinem Tribu-
nalsort fern von Handelspläzen lebenden Rechtsgelehr-
ten diese richtigen Vorstellungen, wenigstens im All-
gemeinen, zu geben. Der zweite: Um der Schikane
recht auf die Spur zu kommen, welche bei der einen
oder der andern Partei sich annehmen läßt, dürfen sie
nur, nach wol durchgeschauter Natur des Geschäftes,
sich einleuchtend machen, was sie selbst, wenn sie
handelnde Partei in demselben wären, von dem guten
Glauben der andern würden erwartet, oder, wenn
sie die Sache umkehren, selbst getahn haben. Wenn
nun in den Acten Tahtbeweise sich darlegen, daß der
eine Teil diesem guten Glauben gemäß gehandelt habe,
so tuhn sie gewiß dem Gegenteile nicht mehr Unrecht,
wenn sie wider ihn entscheiden. Denn es wird ihnen
aus eben diesen Acten einleuchten, daß er demselben
nicht ganz gemäß gehandelt habe, und durch Aus-
flüchte, die nicht in der Natur des Geschäfts liegen,
sich loszuwinden suche, und wären diese auch aus den
Winkeln der feinsten Jurisprudenz hervorgesucht.

Durch diese beiden Regeln werden sie insonderheit
sich in den Stand gesezt sehen, zwischen den in solchen
Fällen vorkommenden Kaufmännischen Gutachten zu
entscheiden, und sich durch deren Widerspruch nicht
irre machen zu lassen, wenn sich dieselben auf entge-
gen stehende Handelsusanzen berufen. Denn das
ist zuverlässig die wahre Usanz, die dem
guten Glauben die gemässeste ist
.


5. Buch. Von der Handlungs-Politik.

Der erſte iſt, daß ſie in Durchleſung der Acten,
ſo viel moͤglich, alle eigentlich juriſtiſche Ideen entfer-
nen, und blos ihren geſunden Verſtand benuzen, um
die Natur des Geſchaͤftes recht durchzuſchauen und
einzuſehen, was der gute Glaube bei demſelben vor-
ausſeze oder zur Folge habe. Vielleicht dient eben
dieſes mein Buch dazu, manchem in ſeinem Tribu-
nalsort fern von Handelsplaͤzen lebenden Rechtsgelehr-
ten dieſe richtigen Vorſtellungen, wenigſtens im All-
gemeinen, zu geben. Der zweite: Um der Schikane
recht auf die Spur zu kommen, welche bei der einen
oder der andern Partei ſich annehmen laͤßt, duͤrfen ſie
nur, nach wol durchgeſchauter Natur des Geſchaͤftes,
ſich einleuchtend machen, was ſie ſelbſt, wenn ſie
handelnde Partei in demſelben waͤren, von dem guten
Glauben der andern wuͤrden erwartet, oder, wenn
ſie die Sache umkehren, ſelbſt getahn haben. Wenn
nun in den Acten Tahtbeweiſe ſich darlegen, daß der
eine Teil dieſem guten Glauben gemaͤß gehandelt habe,
ſo tuhn ſie gewiß dem Gegenteile nicht mehr Unrecht,
wenn ſie wider ihn entſcheiden. Denn es wird ihnen
aus eben dieſen Acten einleuchten, daß er demſelben
nicht ganz gemaͤß gehandelt habe, und durch Aus-
fluͤchte, die nicht in der Natur des Geſchaͤfts liegen,
ſich loszuwinden ſuche, und waͤren dieſe auch aus den
Winkeln der feinſten Jurisprudenz hervorgeſucht.

Durch dieſe beiden Regeln werden ſie inſonderheit
ſich in den Stand geſezt ſehen, zwiſchen den in ſolchen
Faͤllen vorkommenden Kaufmaͤnniſchen Gutachten zu
entſcheiden, und ſich durch deren Widerſpruch nicht
irre machen zu laſſen, wenn ſich dieſelben auf entge-
gen ſtehende Handelsuſanzen berufen. Denn das
iſt zuverlaͤſſig die wahre Uſanz, die dem
guten Glauben die gemaͤſſeſte iſt
.


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[366/0374] 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Der erſte iſt, daß ſie in Durchleſung der Acten, ſo viel moͤglich, alle eigentlich juriſtiſche Ideen entfer- nen, und blos ihren geſunden Verſtand benuzen, um die Natur des Geſchaͤftes recht durchzuſchauen und einzuſehen, was der gute Glaube bei demſelben vor- ausſeze oder zur Folge habe. Vielleicht dient eben dieſes mein Buch dazu, manchem in ſeinem Tribu- nalsort fern von Handelsplaͤzen lebenden Rechtsgelehr- ten dieſe richtigen Vorſtellungen, wenigſtens im All- gemeinen, zu geben. Der zweite: Um der Schikane recht auf die Spur zu kommen, welche bei der einen oder der andern Partei ſich annehmen laͤßt, duͤrfen ſie nur, nach wol durchgeſchauter Natur des Geſchaͤftes, ſich einleuchtend machen, was ſie ſelbſt, wenn ſie handelnde Partei in demſelben waͤren, von dem guten Glauben der andern wuͤrden erwartet, oder, wenn ſie die Sache umkehren, ſelbſt getahn haben. Wenn nun in den Acten Tahtbeweiſe ſich darlegen, daß der eine Teil dieſem guten Glauben gemaͤß gehandelt habe, ſo tuhn ſie gewiß dem Gegenteile nicht mehr Unrecht, wenn ſie wider ihn entſcheiden. Denn es wird ihnen aus eben dieſen Acten einleuchten, daß er demſelben nicht ganz gemaͤß gehandelt habe, und durch Aus- fluͤchte, die nicht in der Natur des Geſchaͤfts liegen, ſich loszuwinden ſuche, und waͤren dieſe auch aus den Winkeln der feinſten Jurisprudenz hervorgeſucht. Durch dieſe beiden Regeln werden ſie inſonderheit ſich in den Stand geſezt ſehen, zwiſchen den in ſolchen Faͤllen vorkommenden Kaufmaͤnniſchen Gutachten zu entſcheiden, und ſich durch deren Widerſpruch nicht irre machen zu laſſen, wenn ſich dieſelben auf entge- gen ſtehende Handelsuſanzen berufen. Denn das iſt zuverlaͤſſig die wahre Uſanz, die dem guten Glauben die gemaͤſſeſte iſt.

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Zitationshilfe: Büsch, Johann Georg: Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Bd. 2. Hamburg, 1792, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buesch_handlung02_1792/374>, abgerufen am 28.04.2024.