Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
oder: ich habe der Sorgen genug; was neu erfunden wird, wie
Luftschiffahrt, Funkspruch und moderne Alchimie, kümmert mich
nicht mehr; meine Firma dehnt ihren Geschäftskreis nicht mehr
aus. Der Staat muß bestimmungsgemäß seine Autorität soweit
ausdehnen, als die Gerechtigkeit es jeweilen verlangt und als er
nicht auf einen anderen Staat stößt, der auf seinem Gebiet der
Gerechtigkeit dient1.

Eben durch dieses Zugleichsein anderer Staaten gewinnt die
räumliche Begrenzung rechtliche Erheblichkeit; durch die (zu-
fällige) Notwendigkeit, die Wirksamkeit des einen Staates gegen
die der anderen abzugrenzen, entsteht der Begriff des Gebietes.
Das Gebiet ist deshalb ein völkerrechtlicher Begriff2.

Abgesehen von seiner Bedeutung für die Bestimmung des
Staatsvolkes, von der oben (S. 364) die Rede war, dient das Gebiet
noch dazu, die Wirksamkeit der Staaten untereinander in einer
ganz bestimmten Beziehung abzugrenzen3. Die räumliche Abgren-
zung, die im Gebiete liegt, bezieht sich nicht auf die staatliche
Befehlsgewalt überhaupt. Man kann sich eine menschliche Ge-
meinschaft als staatlich organisiert denken, ohne bestimmtes
Gebiet; ihre staatsrechtliche, d. h. ihre organisatorische Eigenart
behält sie auch bei Änderung ihres Sitzes4. Nichts hindert einen
Staat, an seine Angehörigen, wie auch an Ausländer, im Auslande
Befehle zu richten, z. B. seine Landsleute im Ausland der Militär-
oder Steuerpflicht zu unterwerfen; Fremden im Auslande die Nach-
ahmung seiner Hoheitszeichen und die Verletzung seiner anderen
Interessen bei Strafe zu untersagen. Die Koexistenz anderer Staaten

1 So muß grundsätzlich die Frage Stammlers, Das Recht im staat-
losen Gebiet (Abhandlungen I 349), ob es rechtloses Gebiet geben könne,
beantwortet werden. Vgl. Binder, Philosophie des Rechts 929--931.
2 Vgl. Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft 432. A. Affolter,
Zur Lehre vom Staatenbund und Bundesstaat, im Archiv des öffentlichen
Rechts 34 57, bemerkt: "Das Völkerrecht erteilt der Staatsgewalt die
Gebietshoheit"; im Gegensatz z. B. zu Bansi, Die Gebietshoheit als rein
staatsrechtlicher Begriff, in den Annalen des Deutschen Reichs (1898)
641--692.
3 Es ist die Abgrenzung des Geltungsbereiches, des Kompetenz-
bereiches, von der Radnitzky, Henrich und andere sprechen, aber in
bestimmter Beziehung.
4 Wie Donati a. a. O. 28 ff. richtig hervorhebt.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
oder: ich habe der Sorgen genug; was neu erfunden wird, wie
Luftschiffahrt, Funkspruch und moderne Alchimie, kümmert mich
nicht mehr; meine Firma dehnt ihren Geschäftskreis nicht mehr
aus. Der Staat muß bestimmungsgemäß seine Autorität soweit
ausdehnen, als die Gerechtigkeit es jeweilen verlangt und als er
nicht auf einen anderen Staat stößt, der auf seinem Gebiet der
Gerechtigkeit dient1.

Eben durch dieses Zugleichsein anderer Staaten gewinnt die
räumliche Begrenzung rechtliche Erheblichkeit; durch die (zu-
fällige) Notwendigkeit, die Wirksamkeit des einen Staates gegen
die der anderen abzugrenzen, entsteht der Begriff des Gebietes.
Das Gebiet ist deshalb ein völkerrechtlicher Begriff2.

Abgesehen von seiner Bedeutung für die Bestimmung des
Staatsvolkes, von der oben (S. 364) die Rede war, dient das Gebiet
noch dazu, die Wirksamkeit der Staaten untereinander in einer
ganz bestimmten Beziehung abzugrenzen3. Die räumliche Abgren-
zung, die im Gebiete liegt, bezieht sich nicht auf die staatliche
Befehlsgewalt überhaupt. Man kann sich eine menschliche Ge-
meinschaft als staatlich organisiert denken, ohne bestimmtes
Gebiet; ihre staatsrechtliche, d. h. ihre organisatorische Eigenart
behält sie auch bei Änderung ihres Sitzes4. Nichts hindert einen
Staat, an seine Angehörigen, wie auch an Ausländer, im Auslande
Befehle zu richten, z. B. seine Landsleute im Ausland der Militär-
oder Steuerpflicht zu unterwerfen; Fremden im Auslande die Nach-
ahmung seiner Hoheitszeichen und die Verletzung seiner anderen
Interessen bei Strafe zu untersagen. Die Koexistenz anderer Staaten

1 So muß grundsätzlich die Frage Stammlers, Das Recht im staat-
losen Gebiet (Abhandlungen I 349), ob es rechtloses Gebiet geben könne,
beantwortet werden. Vgl. Binder, Philosophie des Rechts 929—931.
2 Vgl. Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft 432. A. Affolter,
Zur Lehre vom Staatenbund und Bundesstaat, im Archiv des öffentlichen
Rechts 34 57, bemerkt: „Das Völkerrecht erteilt der Staatsgewalt die
Gebietshoheit“; im Gegensatz z. B. zu Bansi, Die Gebietshoheit als rein
staatsrechtlicher Begriff, in den Annalen des Deutschen Reichs (1898)
641—692.
3 Es ist die Abgrenzung des Geltungsbereiches, des Kompetenz-
bereiches, von der Radnitzky, Henrich und andere sprechen, aber in
bestimmter Beziehung.
4 Wie Donati a. a. O. 28 ff. richtig hervorhebt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0383" n="368"/><fw place="top" type="header">III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.</fw><lb/>
oder: ich habe der Sorgen genug; was neu erfunden wird, wie<lb/>
Luftschiffahrt, Funkspruch und moderne Alchimie, kümmert mich<lb/>
nicht mehr; meine Firma dehnt ihren Geschäftskreis nicht mehr<lb/>
aus. Der Staat muß bestimmungsgemäß seine Autorität soweit<lb/>
ausdehnen, als die Gerechtigkeit es jeweilen verlangt und als er<lb/>
nicht auf einen anderen Staat stößt, der auf seinem Gebiet der<lb/>
Gerechtigkeit dient<note place="foot" n="1">So muß grundsätzlich die Frage <hi rendition="#g">Stammlers,</hi> Das Recht im staat-<lb/>
losen Gebiet (Abhandlungen I 349), ob es rechtloses Gebiet geben könne,<lb/>
beantwortet werden. Vgl. <hi rendition="#g">Binder,</hi> Philosophie des Rechts 929&#x2014;931.</note>.</p><lb/>
                <p>Eben durch dieses Zugleichsein anderer Staaten gewinnt die<lb/>
räumliche Begrenzung rechtliche Erheblichkeit; durch die (zu-<lb/>
fällige) Notwendigkeit, die Wirksamkeit des einen Staates gegen<lb/>
die der anderen abzugrenzen, entsteht der Begriff des Gebietes.<lb/>
Das Gebiet ist deshalb ein völkerrechtlicher Begriff<note place="foot" n="2">Vgl. <hi rendition="#g">Stammler,</hi> Theorie der Rechtswissenschaft 432. A. <hi rendition="#g">Affolter,</hi><lb/>
Zur Lehre vom Staatenbund und Bundesstaat, im Archiv des öffentlichen<lb/>
Rechts <hi rendition="#b">34</hi> 57, bemerkt: &#x201E;Das Völkerrecht erteilt der Staatsgewalt die<lb/>
Gebietshoheit&#x201C;; im Gegensatz z. B. zu <hi rendition="#g">Bansi,</hi> Die Gebietshoheit als rein<lb/>
staatsrechtlicher Begriff, in den Annalen des Deutschen Reichs (1898)<lb/>
641&#x2014;692.</note>.</p><lb/>
                <p>Abgesehen von seiner Bedeutung für die Bestimmung des<lb/>
Staatsvolkes, von der oben (S. 364) die Rede war, dient das Gebiet<lb/>
noch dazu, die Wirksamkeit der Staaten untereinander in einer<lb/>
ganz bestimmten Beziehung abzugrenzen<note place="foot" n="3">Es ist die Abgrenzung des Geltungsbereiches, des Kompetenz-<lb/>
bereiches, von der <hi rendition="#g">Radnitzky, Henrich</hi> und andere sprechen, aber in<lb/>
bestimmter Beziehung.</note>. Die räumliche Abgren-<lb/>
zung, die im Gebiete liegt, bezieht sich nicht auf die staatliche<lb/>
Befehlsgewalt überhaupt. Man kann sich eine menschliche Ge-<lb/>
meinschaft als staatlich organisiert denken, ohne <hi rendition="#g">bestimmtes</hi><lb/>
Gebiet; ihre staatsrechtliche, d. h. ihre organisatorische Eigenart<lb/>
behält sie auch bei Änderung ihres Sitzes<note place="foot" n="4">Wie <hi rendition="#g">Donati</hi> a. a. O. 28 ff. richtig hervorhebt.</note>. Nichts hindert einen<lb/>
Staat, an seine Angehörigen, wie auch an Ausländer, im Auslande<lb/>
Befehle zu richten, z. B. seine Landsleute im Ausland der Militär-<lb/>
oder Steuerpflicht zu unterwerfen; Fremden im Auslande die Nach-<lb/>
ahmung seiner Hoheitszeichen und die Verletzung seiner anderen<lb/>
Interessen bei Strafe zu untersagen. Die Koexistenz anderer Staaten<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0383] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. oder: ich habe der Sorgen genug; was neu erfunden wird, wie Luftschiffahrt, Funkspruch und moderne Alchimie, kümmert mich nicht mehr; meine Firma dehnt ihren Geschäftskreis nicht mehr aus. Der Staat muß bestimmungsgemäß seine Autorität soweit ausdehnen, als die Gerechtigkeit es jeweilen verlangt und als er nicht auf einen anderen Staat stößt, der auf seinem Gebiet der Gerechtigkeit dient 1. Eben durch dieses Zugleichsein anderer Staaten gewinnt die räumliche Begrenzung rechtliche Erheblichkeit; durch die (zu- fällige) Notwendigkeit, die Wirksamkeit des einen Staates gegen die der anderen abzugrenzen, entsteht der Begriff des Gebietes. Das Gebiet ist deshalb ein völkerrechtlicher Begriff 2. Abgesehen von seiner Bedeutung für die Bestimmung des Staatsvolkes, von der oben (S. 364) die Rede war, dient das Gebiet noch dazu, die Wirksamkeit der Staaten untereinander in einer ganz bestimmten Beziehung abzugrenzen 3. Die räumliche Abgren- zung, die im Gebiete liegt, bezieht sich nicht auf die staatliche Befehlsgewalt überhaupt. Man kann sich eine menschliche Ge- meinschaft als staatlich organisiert denken, ohne bestimmtes Gebiet; ihre staatsrechtliche, d. h. ihre organisatorische Eigenart behält sie auch bei Änderung ihres Sitzes 4. Nichts hindert einen Staat, an seine Angehörigen, wie auch an Ausländer, im Auslande Befehle zu richten, z. B. seine Landsleute im Ausland der Militär- oder Steuerpflicht zu unterwerfen; Fremden im Auslande die Nach- ahmung seiner Hoheitszeichen und die Verletzung seiner anderen Interessen bei Strafe zu untersagen. Die Koexistenz anderer Staaten 1 So muß grundsätzlich die Frage Stammlers, Das Recht im staat- losen Gebiet (Abhandlungen I 349), ob es rechtloses Gebiet geben könne, beantwortet werden. Vgl. Binder, Philosophie des Rechts 929—931. 2 Vgl. Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft 432. A. Affolter, Zur Lehre vom Staatenbund und Bundesstaat, im Archiv des öffentlichen Rechts 34 57, bemerkt: „Das Völkerrecht erteilt der Staatsgewalt die Gebietshoheit“; im Gegensatz z. B. zu Bansi, Die Gebietshoheit als rein staatsrechtlicher Begriff, in den Annalen des Deutschen Reichs (1898) 641—692. 3 Es ist die Abgrenzung des Geltungsbereiches, des Kompetenz- bereiches, von der Radnitzky, Henrich und andere sprechen, aber in bestimmter Beziehung. 4 Wie Donati a. a. O. 28 ff. richtig hervorhebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/383
Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/383>, abgerufen am 12.05.2024.