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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Auch hier schießt A in seinen Gedanken auf B, in Wirklichkeit
aber auf C. Wäre es ihm gleichgültig gewesen, ob er B
oder C treffe, so würde er zweifellos für dolose Vollendung
haften. Daß ihm dies nicht gleichgültig war, konnte ihn
nach dem Gesetze, welches, wie gesagt, auf seine Motive keinen
Werth legt, nicht berechtigen, die ihm wahrscheinliche
Tödtung des rechtlich gleichwerthigen Objects von
seinem Willen auszuschließen.
Darum sind, da nur
eine Person getroffen werden sollte, B und C alternativ von
seinem Willen umfaßt gewesen, und es müssen daher auch die
oben angegebenen Regeln über das alternative Wollen hier
durchaus Anwendung finden. Namentlich kann sonach neben
doloser Vollendung hier von einem concurrirenden Versuche
nicht die Rede sein, und die v. B. (S. 84) in dieser Richtung
gesuchte Schwierigkeit besteht in Wirklichkeit nicht. -- Eine
solche Alternativität kann aber, was seither übersehen wurde,
nur dann angenommen werden, wenn nicht allein B, sondern
auch der wirklich getroffene C in einem solchen Verhältniß
zu A stand, daß der Causalzusammenhang und Willenszu-
sammenhang sich gerade so decken, wie dies überhaupt erfor-
derlich ist, wenn der eingetretene Erfolg als gewollt zu-
gerechnet werden soll. Wenn A sein Gewehr nach B abschoß
in der Meinung, daß er keinerlei Wahrscheinlichkeit für sich
habe, denselben zu treffen, so kann ihm unmöglich der Wille
imputirt werden, daß er den B habe tödten wollen. Dasselbe
muß auch in Ansehung des wirklich getroffenen C gelten,
wenn A, als er den Schuß auf B abfeuerte, den C gar
nicht sehen konnte -- es würde hier nicht einmal culpa vor-
liegen -- oder C von B in einer solchen Entfernung stand,
daß A, sei es selbst culpos, nicht annahm, er werde ihn
möglicher Weise treffen. War aber in der angegebenen
Weise der getroffene C wirklich von dem Willen des A umfaßt

Auch hier ſchießt A in ſeinen Gedanken auf B, in Wirklichkeit
aber auf C. Wäre es ihm gleichgültig geweſen, ob er B
oder C treffe, ſo würde er zweifellos für doloſe Vollendung
haften. Daß ihm dies nicht gleichgültig war, konnte ihn
nach dem Geſetze, welches, wie geſagt, auf ſeine Motive keinen
Werth legt, nicht berechtigen, die ihm wahrſcheinliche
Tödtung des rechtlich gleichwerthigen Objects von
ſeinem Willen auszuſchließen.
Darum ſind, da nur
eine Perſon getroffen werden ſollte, B und C alternativ von
ſeinem Willen umfaßt geweſen, und es müſſen daher auch die
oben angegebenen Regeln über das alternative Wollen hier
durchaus Anwendung finden. Namentlich kann ſonach neben
doloſer Vollendung hier von einem concurrirenden Verſuche
nicht die Rede ſein, und die v. B. (S. 84) in dieſer Richtung
geſuchte Schwierigkeit beſteht in Wirklichkeit nicht. — Eine
ſolche Alternativität kann aber, was ſeither überſehen wurde,
nur dann angenommen werden, wenn nicht allein B, ſondern
auch der wirklich getroffene C in einem ſolchen Verhältniß
zu A ſtand, daß der Cauſalzuſammenhang und Willenszu-
ſammenhang ſich gerade ſo decken, wie dies überhaupt erfor-
derlich iſt, wenn der eingetretene Erfolg als gewollt zu-
gerechnet werden ſoll. Wenn A ſein Gewehr nach B abſchoß
in der Meinung, daß er keinerlei Wahrſcheinlichkeit für ſich
habe, denſelben zu treffen, ſo kann ihm unmöglich der Wille
imputirt werden, daß er den B habe tödten wollen. Daſſelbe
muß auch in Anſehung des wirklich getroffenen C gelten,
wenn A, als er den Schuß auf B abfeuerte, den C gar
nicht ſehen konnte — es würde hier nicht einmal culpa vor-
liegen — oder C von B in einer ſolchen Entfernung ſtand,
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[84/0088] Auch hier ſchießt A in ſeinen Gedanken auf B, in Wirklichkeit aber auf C. Wäre es ihm gleichgültig geweſen, ob er B oder C treffe, ſo würde er zweifellos für doloſe Vollendung haften. Daß ihm dies nicht gleichgültig war, konnte ihn nach dem Geſetze, welches, wie geſagt, auf ſeine Motive keinen Werth legt, nicht berechtigen, die ihm wahrſcheinliche Tödtung des rechtlich gleichwerthigen Objects von ſeinem Willen auszuſchließen. Darum ſind, da nur eine Perſon getroffen werden ſollte, B und C alternativ von ſeinem Willen umfaßt geweſen, und es müſſen daher auch die oben angegebenen Regeln über das alternative Wollen hier durchaus Anwendung finden. Namentlich kann ſonach neben doloſer Vollendung hier von einem concurrirenden Verſuche nicht die Rede ſein, und die v. B. (S. 84) in dieſer Richtung geſuchte Schwierigkeit beſteht in Wirklichkeit nicht. — Eine ſolche Alternativität kann aber, was ſeither überſehen wurde, nur dann angenommen werden, wenn nicht allein B, ſondern auch der wirklich getroffene C in einem ſolchen Verhältniß zu A ſtand, daß der Cauſalzuſammenhang und Willenszu- ſammenhang ſich gerade ſo decken, wie dies überhaupt erfor- derlich iſt, wenn der eingetretene Erfolg als gewollt zu- gerechnet werden ſoll. Wenn A ſein Gewehr nach B abſchoß in der Meinung, daß er keinerlei Wahrſcheinlichkeit für ſich habe, denſelben zu treffen, ſo kann ihm unmöglich der Wille imputirt werden, daß er den B habe tödten wollen. Daſſelbe muß auch in Anſehung des wirklich getroffenen C gelten, wenn A, als er den Schuß auf B abfeuerte, den C gar nicht ſehen konnte — es würde hier nicht einmal culpa vor- liegen — oder C von B in einer ſolchen Entfernung ſtand, daß A, ſei es ſelbſt culpos, nicht annahm, er werde ihn möglicher Weiſe treffen. War aber in der angegebenen Weiſe der getroffene C wirklich von dem Willen des A umfaßt

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/88>, abgerufen am 28.04.2024.