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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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man stelle dagegen seine Handlungen, seine Thaten zu¬
sammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegen¬
treten." Eben so bemühen wir uns vergebens die unbe¬
wußte Idee an sich wie sie das Dasein eines thierischen
Geschöpfs bedingt darzustellen, aber wenn uns alle ihre
Offenbarungen in Bildung, Umbildung und Leben, ver¬
ständlich werden, so wird endlich dadurch unserm Geiste
die Idee selbst vernehmbar geworden sein. Auf diese Weise
darf man sagen, es seien Zoologie, Zootomie und Zoophy¬
siologie eigentlich durchaus nur Theile der Zoopsychologie,
indem in aller leiblichen Gestaltung und in allem leiblichen
Leben des Thieres, sich zuhöchst doch nur die Eigenthüm¬
keit gerade dieser ursprünglichen Lebensidee kund gibt.

2. Würde hieher gehören die Darstellung der in ver¬
schiednen, schon zu einem Weltbewußtsein entwickelten Gat¬
tungen vorkommenden verschiedenartigen Offenbarungen des
unbewußten Seelenlebens in Form von Thätigkeiten,
welche zwar über die Gränze des innern organischen Le¬
bens hinausgehen, aber immer noch mit derselben Noth¬
wendigkeit vollzogen werden, wie das unbewußte Bilden
selbst. Die Thätigkeiten zerfallen in drei Arten von Trie¬
ben. Es sind

a, theils solche, welche zu Handlungen anregen, wo¬
durch das innere bildende, umbildende, sich fortpflanzende
Leben nothwendig bedingt ist, ja ganz eigentlich erst mög¬
lich wird. Hieher gehören die sogenannten Naturtriebe
der Thiere -- der Nahrungstrieb, der Athmungs¬
trieb
, der Fortpflanzungstrieb, aus welchen eine
Menge von Handlungen des Thieres, welche mit Noth¬
wendigkeit
geübt werden, hervorgehen.

b, theils solche, welche als Fortsetzungen des innern
bildenden und umbildenden Lebens erscheinen, und gleichsam
nur die Organisation des Geschöpfs weiter ausdehnen
und sie in gewissen Kunstgebilden über die Gränzen des
eignen leiblichen Lebens hinausgehen machen. Hieher ge¬

man ſtelle dagegen ſeine Handlungen, ſeine Thaten zu¬
ſammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegen¬
treten.“ Eben ſo bemühen wir uns vergebens die unbe¬
wußte Idee an ſich wie ſie das Daſein eines thieriſchen
Geſchöpfs bedingt darzuſtellen, aber wenn uns alle ihre
Offenbarungen in Bildung, Umbildung und Leben, ver¬
ſtändlich werden, ſo wird endlich dadurch unſerm Geiſte
die Idee ſelbſt vernehmbar geworden ſein. Auf dieſe Weiſe
darf man ſagen, es ſeien Zoologie, Zootomie und Zoophy¬
ſiologie eigentlich durchaus nur Theile der Zoopſychologie,
indem in aller leiblichen Geſtaltung und in allem leiblichen
Leben des Thieres, ſich zuhöchſt doch nur die Eigenthüm¬
keit gerade dieſer urſprünglichen Lebensidee kund gibt.

2. Würde hieher gehören die Darſtellung der in ver¬
ſchiednen, ſchon zu einem Weltbewußtſein entwickelten Gat¬
tungen vorkommenden verſchiedenartigen Offenbarungen des
unbewußten Seelenlebens in Form von Thätigkeiten,
welche zwar über die Gränze des innern organiſchen Le¬
bens hinausgehen, aber immer noch mit derſelben Noth¬
wendigkeit vollzogen werden, wie das unbewußte Bilden
ſelbſt. Die Thätigkeiten zerfallen in drei Arten von Trie¬
ben. Es ſind

a, theils ſolche, welche zu Handlungen anregen, wo¬
durch das innere bildende, umbildende, ſich fortpflanzende
Leben nothwendig bedingt iſt, ja ganz eigentlich erſt mög¬
lich wird. Hieher gehören die ſogenannten Naturtriebe
der Thiere — der Nahrungstrieb, der Athmungs¬
trieb
, der Fortpflanzungstrieb, aus welchen eine
Menge von Handlungen des Thieres, welche mit Noth¬
wendigkeit
geübt werden, hervorgehen.

b, theils ſolche, welche als Fortſetzungen des innern
bildenden und umbildenden Lebens erſcheinen, und gleichſam
nur die Organiſation des Geſchöpfs weiter ausdehnen
und ſie in gewiſſen Kunſtgebilden über die Gränzen des
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[140/0156] man ſtelle dagegen ſeine Handlungen, ſeine Thaten zu¬ ſammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegen¬ treten.“ Eben ſo bemühen wir uns vergebens die unbe¬ wußte Idee an ſich wie ſie das Daſein eines thieriſchen Geſchöpfs bedingt darzuſtellen, aber wenn uns alle ihre Offenbarungen in Bildung, Umbildung und Leben, ver¬ ſtändlich werden, ſo wird endlich dadurch unſerm Geiſte die Idee ſelbſt vernehmbar geworden ſein. Auf dieſe Weiſe darf man ſagen, es ſeien Zoologie, Zootomie und Zoophy¬ ſiologie eigentlich durchaus nur Theile der Zoopſychologie, indem in aller leiblichen Geſtaltung und in allem leiblichen Leben des Thieres, ſich zuhöchſt doch nur die Eigenthüm¬ keit gerade dieſer urſprünglichen Lebensidee kund gibt. 2. Würde hieher gehören die Darſtellung der in ver¬ ſchiednen, ſchon zu einem Weltbewußtſein entwickelten Gat¬ tungen vorkommenden verſchiedenartigen Offenbarungen des unbewußten Seelenlebens in Form von Thätigkeiten, welche zwar über die Gränze des innern organiſchen Le¬ bens hinausgehen, aber immer noch mit derſelben Noth¬ wendigkeit vollzogen werden, wie das unbewußte Bilden ſelbſt. Die Thätigkeiten zerfallen in drei Arten von Trie¬ ben. Es ſind a, theils ſolche, welche zu Handlungen anregen, wo¬ durch das innere bildende, umbildende, ſich fortpflanzende Leben nothwendig bedingt iſt, ja ganz eigentlich erſt mög¬ lich wird. Hieher gehören die ſogenannten Naturtriebe der Thiere — der Nahrungstrieb, der Athmungs¬ trieb, der Fortpflanzungstrieb, aus welchen eine Menge von Handlungen des Thieres, welche mit Noth¬ wendigkeit geübt werden, hervorgehen. b, theils ſolche, welche als Fortſetzungen des innern bildenden und umbildenden Lebens erſcheinen, und gleichſam nur die Organiſation des Geſchöpfs weiter ausdehnen und ſie in gewiſſen Kunſtgebilden über die Gränzen des eignen leiblichen Lebens hinausgehen machen. Hieher ge¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/156>, abgerufen am 29.04.2024.