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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie der Araber.
standen, nicht weiter befremden. Man hielt denn auch wirklich diesen
Belinus eine Zeit lang für Plinius. Doch hatte schon 1800 (an VII)
Sylvestre de Sacy richtig den Namen auf Apollonius von
Tyana
gedeutet115), was dadurch zur Evidenz bewiesen wird, daß
in Jakut's geographischem Wörterbuch116) bei dem vollständig vocali-
sirten Namen Bolonias die Vermuthung ausgesprochen wird, daß die
Stadt dieses Namens nach dem "Sahib el-tilsamat", dem Herrn der
Talismane, so genannt sei. Dies ist aber Apollonius.

Auf das Leben und den Charakter dieses so verschieden beurtheil-
ten Mannes, welcher, ein Zeitgenosse von Christus117) häufig diesem
als letzte ideale Erscheinung des Heidenthums gegenübergestellt worden
ist, hier näher einzugehn, wäre nicht am Orte. Ist einmal nachgewie-
sen, daß er und nicht Plinius den Arabern als naturhistorischer Schrift-
steller bekannt war, so verliert das weitere Nachsuchen in den ihm zu-
geschriebenen Beobachtungen das Interesse für eine Geschichte der Na-
turwissenschaften. In seinem von Philostratus im dritten Jahrhundert
geschilderten Leben werden auch seine Reisen erzählt; und da finden
sich denn zahlreiche Züge aus Agatharchides, Ktesias u. A., von der
Martichora, den Pygmäen und Greifen, dem Phönix, der Drachenjagd,
von einem bis auf die Brust schwarzen, von da abwärts weißen Weibe,
u. s. w., Geschichten, welche mehr oder weniger übereinstimmend in den
antiken Fabeln über Indien vorkommen, also hier kaum original sind.


115) Notices et Extraits, Tom. 4. p. 107. Dieser Ansicht folgte bereits
Wenrich, a. a. O. S. 238, während Flügel im Hadschi Khalfa (VII. 645) für
Plinius sich entscheidet.
116) herausgegeben von Wüstenfeld, Thl. 1. S. 729. Ich verdanke die
betreffenden Nachweisungen der Güte des Herrn Prof. Fleischer, welcher jetzt
gleichfalls überzeugt ist, daß Belinus Apollonius ist. Durch Vergleichung der dem
Belinus zugeschriebenen Stellen kommt auch L. Leclerc zu derselben Ansicht. s.
Journal asiatique. 6. Ser. Tom. 14. 1869. p. 111-131.
117) Für die spätern Byzantiner genoß er, ähnlich wie bei den Arabern einen
mythischen Ruf und wurde in das Zeitalter Constantin's versetzt. Burckhardt,
die Zeit Constantin d. Gr. S. 467. In Bezug auf die Person und Geschichte des
Apollonius kann hier nur auf die Schriften von Baur und Ed. Müller, sowie
auf den Aufsatz von Wellauer in Jahn und Klotz, Archiv für Philol. und
Pädag. 10. Bd. (Neue Jahrbb. 10. Supplbd.) 1844. S. 418 verwiesen werden.
V. Carus, Gesch. d. Zool. 12

Die Zoologie der Araber.
ſtanden, nicht weiter befremden. Man hielt denn auch wirklich dieſen
Belinus eine Zeit lang für Plinius. Doch hatte ſchon 1800 (an VII)
Sylveſtre de Sacy richtig den Namen auf Apollonius von
Tyana
gedeutet115), was dadurch zur Evidenz bewieſen wird, daß
in Jakut's geographiſchem Wörterbuch116) bei dem vollſtändig vocali-
ſirten Namen Bolonias die Vermuthung ausgeſprochen wird, daß die
Stadt dieſes Namens nach dem „Sahib el-tilſamat“, dem Herrn der
Talismane, ſo genannt ſei. Dies iſt aber Apollonius.

Auf das Leben und den Charakter dieſes ſo verſchieden beurtheil-
ten Mannes, welcher, ein Zeitgenoſſe von Chriſtus117) häufig dieſem
als letzte ideale Erſcheinung des Heidenthums gegenübergeſtellt worden
iſt, hier näher einzugehn, wäre nicht am Orte. Iſt einmal nachgewie-
ſen, daß er und nicht Plinius den Arabern als naturhiſtoriſcher Schrift-
ſteller bekannt war, ſo verliert das weitere Nachſuchen in den ihm zu-
geſchriebenen Beobachtungen das Intereſſe für eine Geſchichte der Na-
turwiſſenſchaften. In ſeinem von Philoſtratus im dritten Jahrhundert
geſchilderten Leben werden auch ſeine Reiſen erzählt; und da finden
ſich denn zahlreiche Züge aus Agatharchides, Kteſias u. A., von der
Martichora, den Pygmäen und Greifen, dem Phönix, der Drachenjagd,
von einem bis auf die Bruſt ſchwarzen, von da abwärts weißen Weibe,
u. ſ. w., Geſchichten, welche mehr oder weniger übereinſtimmend in den
antiken Fabeln über Indien vorkommen, alſo hier kaum original ſind.


115) Notices et Extraits, Tom. 4. p. 107. Dieſer Anſicht folgte bereits
Wenrich, a. a. O. S. 238, während Flügel im Hadſchi Khalfa (VII. 645) für
Plinius ſich entſcheidet.
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betreffenden Nachweiſungen der Güte des Herrn Prof. Fleiſcher, welcher jetzt
gleichfalls überzeugt iſt, daß Belinus Apollonius iſt. Durch Vergleichung der dem
Belinus zugeſchriebenen Stellen kommt auch L. Leclerc zu derſelben Anſicht. ſ.
Journal asiatique. 6. Sér. Tom. 14. 1869. p. 111-131.
117) Für die ſpätern Byzantiner genoß er, ähnlich wie bei den Arabern einen
mythiſchen Ruf und wurde in das Zeitalter Conſtantin's verſetzt. Burckhardt,
die Zeit Conſtantin d. Gr. S. 467. In Bezug auf die Perſon und Geſchichte des
Apollonius kann hier nur auf die Schriften von Baur und Ed. Müller, ſowie
auf den Aufſatz von Wellauer in Jahn und Klotz, Archiv für Philol. und
Pädag. 10. Bd. (Neue Jahrbb. 10. Supplbd.) 1844. S. 418 verwieſen werden.
V. Carus, Geſch. d. Zool. 12
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[177/0188] Die Zoologie der Araber. ſtanden, nicht weiter befremden. Man hielt denn auch wirklich dieſen Belinus eine Zeit lang für Plinius. Doch hatte ſchon 1800 (an VII) Sylveſtre de Sacy richtig den Namen auf Apollonius von Tyana gedeutet 115), was dadurch zur Evidenz bewieſen wird, daß in Jakut's geographiſchem Wörterbuch 116) bei dem vollſtändig vocali- ſirten Namen Bolonias die Vermuthung ausgeſprochen wird, daß die Stadt dieſes Namens nach dem „Sahib el-tilſamat“, dem Herrn der Talismane, ſo genannt ſei. Dies iſt aber Apollonius. Auf das Leben und den Charakter dieſes ſo verſchieden beurtheil- ten Mannes, welcher, ein Zeitgenoſſe von Chriſtus 117) häufig dieſem als letzte ideale Erſcheinung des Heidenthums gegenübergeſtellt worden iſt, hier näher einzugehn, wäre nicht am Orte. Iſt einmal nachgewie- ſen, daß er und nicht Plinius den Arabern als naturhiſtoriſcher Schrift- ſteller bekannt war, ſo verliert das weitere Nachſuchen in den ihm zu- geſchriebenen Beobachtungen das Intereſſe für eine Geſchichte der Na- turwiſſenſchaften. In ſeinem von Philoſtratus im dritten Jahrhundert geſchilderten Leben werden auch ſeine Reiſen erzählt; und da finden ſich denn zahlreiche Züge aus Agatharchides, Kteſias u. A., von der Martichora, den Pygmäen und Greifen, dem Phönix, der Drachenjagd, von einem bis auf die Bruſt ſchwarzen, von da abwärts weißen Weibe, u. ſ. w., Geſchichten, welche mehr oder weniger übereinſtimmend in den antiken Fabeln über Indien vorkommen, alſo hier kaum original ſind. 115) Notices et Extraits, Tom. 4. p. 107. Dieſer Anſicht folgte bereits Wenrich, a. a. O. S. 238, während Flügel im Hadſchi Khalfa (VII. 645) für Plinius ſich entſcheidet. 116) herausgegeben von Wüſtenfeld, Thl. 1. S. 729. Ich verdanke die betreffenden Nachweiſungen der Güte des Herrn Prof. Fleiſcher, welcher jetzt gleichfalls überzeugt iſt, daß Belinus Apollonius iſt. Durch Vergleichung der dem Belinus zugeſchriebenen Stellen kommt auch L. Leclerc zu derſelben Anſicht. ſ. Journal asiatique. 6. Sér. Tom. 14. 1869. p. 111-131. 117) Für die ſpätern Byzantiner genoß er, ähnlich wie bei den Arabern einen mythiſchen Ruf und wurde in das Zeitalter Conſtantin's verſetzt. Burckhardt, die Zeit Conſtantin d. Gr. S. 467. In Bezug auf die Perſon und Geſchichte des Apollonius kann hier nur auf die Schriften von Baur und Ed. Müller, ſowie auf den Aufſatz von Wellauer in Jahn und Klotz, Archiv für Philol. und Pädag. 10. Bd. (Neue Jahrbb. 10. Supplbd.) 1844. S. 418 verwieſen werden. V. Carus, Geſch. d. Zool. 12

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/188>, abgerufen am 29.04.2024.