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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Das Völkerchaos.
verschiedenen kräftigen Stämme auf der Halbinsel nunmehr ab-
geschlossen zu einer neuen Rasse verschmelzen, reicher und schillernder
dort, wo das verwandte Blut aus verschiedenen Quellen zusammen-
floss, wie in Athen, einfacher und widerstandsfähiger, wo selbst dieser
Vermischung ein Riegel vorgeschoben worden war, wie in Lake-
dämon? Wird die Rasse nicht wie ausgelöscht, sobald das Schicksal
das Land aus seiner stolzen Exklusivität losreisst und es einem
grösseren Ganzen einverleibt?1) Lehrt nicht Rom dasselbe? Sehen
wir nicht auch hier aus einer besonderen Blutmischung2) eine durchaus
neue Rasse hervorgehen, keiner späteren in Anlagen und Fähigkeiten
ähnlich, mit überschwänglicher Kraft begabt? Und vollbringt nicht
hier der Sieg, was dort die Niederlage vollbrachte, nur noch viel
schneller? Wie ein Katarakt stürzt das fremde Blut in das fast ent-
völkerte Rom und alsbald haben die Römer aufgehört zu sein. Wäre
von allen Semiten ein einziges winziges Völkchen zu einer die Welt
umspannenden Macht geworden, wenn nicht die Reinheit der Rasse
sein unerschütterliches Grundgesetz gebildet hätte? In Tagen, wo so
viel Unsinn über diese Frage geredet wird, lasse man sich von
Disraeli belehren, wie die ganze Bedeutung des Judentums in der
Reinheit seiner Rasse liege, diese allein verleihe ihm Kraft und
Bestand, und wie es die Völker des Altertums überlebt habe, so

1) Dass dieses Auslöschen nur allmählich geschah, und zwar trotz einer
politischen Situation die eigentlich, wenn hier nicht Rassenanlagen bestimmend
gewesen wären, das Hellenische sofort hätte aus der Welt austilgen müssen, ist
bekannt. Bis weit in die christliche Zeit hinein blieb Athen der Mittelpunkt des
geistigen Lebens der Menschheit; Alexandrien machte zwar mehr von sich reden,
dafür sorgte das starke semitische Kontingent; wer aber ernstlich studieren wollte,
reiste nach Athen, bis christliche Beschränktheit im Jahre 529 die dortigen Schulen
auf immer schloss, und wir erfahren, dass noch damals selbst der Mann aus dem
Volke sich in Athen "durch die Lebhaftigkeit seines Geistes, die Korrektheit der
Sprache, und die Sicherheit des Geschmackes auszeichnete". (Gibbon, Kap. 40.)
Eine ausführliche und in ihrer Klarheit höchst fesselnde Darlegung der allmählichen
Vernichtung der hellenischen Rasse durch fremde Einwanderung findet man in
George Finlay: Medieval Greece, ch. I. Nacheinander waren römische Soldaten-
kolonien aus allen Teilen des Imperiums, dann Kelten, Germanen, Slavonier,
Bulgaren, Wallachen, Albanesen u. s. w. in das Land gezogen und hatten sich mit
der ursprünglichen Bevölkerung vermischt. Die Zakonen, die noch im 15. Jahr-
hundert zahlreich waren, jetzt aber fast ganz ausgestorben sind, sollen die einzigen
reinen Hellenen sein.
2) Vergl. S. 135, Anm.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 18

Das Völkerchaos.
verschiedenen kräftigen Stämme auf der Halbinsel nunmehr ab-
geschlossen zu einer neuen Rasse verschmelzen, reicher und schillernder
dort, wo das verwandte Blut aus verschiedenen Quellen zusammen-
floss, wie in Athen, einfacher und widerstandsfähiger, wo selbst dieser
Vermischung ein Riegel vorgeschoben worden war, wie in Lake-
dämon? Wird die Rasse nicht wie ausgelöscht, sobald das Schicksal
das Land aus seiner stolzen Exklusivität losreisst und es einem
grösseren Ganzen einverleibt?1) Lehrt nicht Rom dasselbe? Sehen
wir nicht auch hier aus einer besonderen Blutmischung2) eine durchaus
neue Rasse hervorgehen, keiner späteren in Anlagen und Fähigkeiten
ähnlich, mit überschwänglicher Kraft begabt? Und vollbringt nicht
hier der Sieg, was dort die Niederlage vollbrachte, nur noch viel
schneller? Wie ein Katarakt stürzt das fremde Blut in das fast ent-
völkerte Rom und alsbald haben die Römer aufgehört zu sein. Wäre
von allen Semiten ein einziges winziges Völkchen zu einer die Welt
umspannenden Macht geworden, wenn nicht die Reinheit der Rasse
sein unerschütterliches Grundgesetz gebildet hätte? In Tagen, wo so
viel Unsinn über diese Frage geredet wird, lasse man sich von
Disraeli belehren, wie die ganze Bedeutung des Judentums in der
Reinheit seiner Rasse liege, diese allein verleihe ihm Kraft und
Bestand, und wie es die Völker des Altertums überlebt habe, so

1) Dass dieses Auslöschen nur allmählich geschah, und zwar trotz einer
politischen Situation die eigentlich, wenn hier nicht Rassenanlagen bestimmend
gewesen wären, das Hellenische sofort hätte aus der Welt austilgen müssen, ist
bekannt. Bis weit in die christliche Zeit hinein blieb Athen der Mittelpunkt des
geistigen Lebens der Menschheit; Alexandrien machte zwar mehr von sich reden,
dafür sorgte das starke semitische Kontingent; wer aber ernstlich studieren wollte,
reiste nach Athen, bis christliche Beschränktheit im Jahre 529 die dortigen Schulen
auf immer schloss, und wir erfahren, dass noch damals selbst der Mann aus dem
Volke sich in Athen »durch die Lebhaftigkeit seines Geistes, die Korrektheit der
Sprache, und die Sicherheit des Geschmackes auszeichnete«. (Gibbon, Kap. 40.)
Eine ausführliche und in ihrer Klarheit höchst fesselnde Darlegung der allmählichen
Vernichtung der hellenischen Rasse durch fremde Einwanderung findet man in
George Finlay: Medieval Greece, ch. I. Nacheinander waren römische Soldaten-
kolonien aus allen Teilen des Imperiums, dann Kelten, Germanen, Slavonier,
Bulgaren, Wallachen, Albanesen u. s. w. in das Land gezogen und hatten sich mit
der ursprünglichen Bevölkerung vermischt. Die Zakonen, die noch im 15. Jahr-
hundert zahlreich waren, jetzt aber fast ganz ausgestorben sind, sollen die einzigen
reinen Hellenen sein.
2) Vergl. S. 135, Anm.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 18
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[273/0296] Das Völkerchaos. verschiedenen kräftigen Stämme auf der Halbinsel nunmehr ab- geschlossen zu einer neuen Rasse verschmelzen, reicher und schillernder dort, wo das verwandte Blut aus verschiedenen Quellen zusammen- floss, wie in Athen, einfacher und widerstandsfähiger, wo selbst dieser Vermischung ein Riegel vorgeschoben worden war, wie in Lake- dämon? Wird die Rasse nicht wie ausgelöscht, sobald das Schicksal das Land aus seiner stolzen Exklusivität losreisst und es einem grösseren Ganzen einverleibt? 1) Lehrt nicht Rom dasselbe? Sehen wir nicht auch hier aus einer besonderen Blutmischung 2) eine durchaus neue Rasse hervorgehen, keiner späteren in Anlagen und Fähigkeiten ähnlich, mit überschwänglicher Kraft begabt? Und vollbringt nicht hier der Sieg, was dort die Niederlage vollbrachte, nur noch viel schneller? Wie ein Katarakt stürzt das fremde Blut in das fast ent- völkerte Rom und alsbald haben die Römer aufgehört zu sein. Wäre von allen Semiten ein einziges winziges Völkchen zu einer die Welt umspannenden Macht geworden, wenn nicht die Reinheit der Rasse sein unerschütterliches Grundgesetz gebildet hätte? In Tagen, wo so viel Unsinn über diese Frage geredet wird, lasse man sich von Disraeli belehren, wie die ganze Bedeutung des Judentums in der Reinheit seiner Rasse liege, diese allein verleihe ihm Kraft und Bestand, und wie es die Völker des Altertums überlebt habe, so 1) Dass dieses Auslöschen nur allmählich geschah, und zwar trotz einer politischen Situation die eigentlich, wenn hier nicht Rassenanlagen bestimmend gewesen wären, das Hellenische sofort hätte aus der Welt austilgen müssen, ist bekannt. Bis weit in die christliche Zeit hinein blieb Athen der Mittelpunkt des geistigen Lebens der Menschheit; Alexandrien machte zwar mehr von sich reden, dafür sorgte das starke semitische Kontingent; wer aber ernstlich studieren wollte, reiste nach Athen, bis christliche Beschränktheit im Jahre 529 die dortigen Schulen auf immer schloss, und wir erfahren, dass noch damals selbst der Mann aus dem Volke sich in Athen »durch die Lebhaftigkeit seines Geistes, die Korrektheit der Sprache, und die Sicherheit des Geschmackes auszeichnete«. (Gibbon, Kap. 40.) Eine ausführliche und in ihrer Klarheit höchst fesselnde Darlegung der allmählichen Vernichtung der hellenischen Rasse durch fremde Einwanderung findet man in George Finlay: Medieval Greece, ch. I. Nacheinander waren römische Soldaten- kolonien aus allen Teilen des Imperiums, dann Kelten, Germanen, Slavonier, Bulgaren, Wallachen, Albanesen u. s. w. in das Land gezogen und hatten sich mit der ursprünglichen Bevölkerung vermischt. Die Zakonen, die noch im 15. Jahr- hundert zahlreich waren, jetzt aber fast ganz ausgestorben sind, sollen die einzigen reinen Hellenen sein. 2) Vergl. S. 135, Anm. Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 18

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/296>, abgerufen am 22.05.2024.