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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Einleitendes.
den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen,
lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als "luftigen Materialismus"
bezeichnen könnte.1) Jenem Völkerchaos müssen wir also zunächst
unsere Aufmerksamkeit schenken.

In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt-
losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen,
die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit
der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und
Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur-
stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das
prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre-
geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die
jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort
Goethe's anwenden: "Glaube weit, eng der Gedanke". Im Ver-
hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger
Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir
eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was
jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung
abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf-
gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen
könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich
den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht
einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische "Gesetz" sich
auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen
der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug
besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es
war eben ein Gesetz; ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten,
und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit
ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir
finden, dass der Einfluss des Juden -- zum Guten und zum Bösen --
in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet
liegt.2) Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so
bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das
Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann
diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden
Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein

1) "Luftiges Gesindel", sagt Bürger in seiner "Leonore".
2) Siehe S. 241 fg.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17

Einleitendes.
den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen,
lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als »luftigen Materialismus«
bezeichnen könnte.1) Jenem Völkerchaos müssen wir also zunächst
unsere Aufmerksamkeit schenken.

In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt-
losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen,
die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit
der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und
Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur-
stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das
prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre-
geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die
jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort
Goethe’s anwenden: »Glaube weit, eng der Gedanke«. Im Ver-
hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger
Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir
eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was
jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung
abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf-
gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen
könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich
den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht
einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische »Gesetz« sich
auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen
der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug
besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es
war eben ein Gesetz; ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten,
und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit
ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir
finden, dass der Einfluss des Juden — zum Guten und zum Bösen —
in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet
liegt.2) Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so
bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das
Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann
diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden
Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein

1) »Luftiges Gesindel«, sagt Bürger in seiner »Leonore«.
2) Siehe S. 241 fg.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17
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[257/0280] Einleitendes. den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen, lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als »luftigen Materialismus« bezeichnen könnte. 1) Jenem Völkerchaos müssen wir also zunächst unsere Aufmerksamkeit schenken. In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt- losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen, die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur- stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre- geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort Goethe’s anwenden: »Glaube weit, eng der Gedanke«. Im Ver- hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf- gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische »Gesetz« sich auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es war eben ein Gesetz; ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten, und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir finden, dass der Einfluss des Juden — zum Guten und zum Bösen — in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet liegt. 2) Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein 1) »Luftiges Gesindel«, sagt Bürger in seiner »Leonore«. 2) Siehe S. 241 fg. Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/280>, abgerufen am 29.04.2024.