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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
befragen, damit wir erfahren, aus welchen Rassen die neue israeli-
tische Rasse (als Grundlage der jüdischen) hervorging; sodann wird
die Beteiligung dieser verschiedenen Menschentypen in ihrer physischen
und namentlich in ihrer moralischen Bedeutung analysiert werden
müssen, wobei unser Augenmerk sich natürlich ganz besonders auf
die Auffassung der Religion bei ihnen richten wird, da die Grund-
lage des Judentums der von ihm gelehrte Glaube ist und wir den
Juden weder in der Geschichte noch heute in unserer Mitte richtig
beurteilen können, wenn wir über seine Religion nicht vollständig
im Klaren sind; zuletzt werde ich zu zeigen versuchen, wie unter
dem Einfluss merkwürdiger historischer Begebenheiten das spezifische
Judentum gegründet und dauernd in seiner besonderen unver-
gleichlichen Eigenart befestigt wurde. Hiermit dürfte die Aufgabe
dieses Kapitels, wie ich sie vorhin präcisierte, erledigt sein, denn die
jüdische Rasse -- wenn sie auch zu gewissen Zeiten später manches
fremde Element aufnahm -- blieb im Ganzen so rein wie sonst
keine zweite, und die jüdische Nation ist von allem Anfang an eine
wesentlich "ideale" gewesen, d. h. sie bestand in dem Glauben an
eine bestimmte Nationalidee, nicht in dem Besitz eines eigenen freien
Staates, noch in dem gemeinschaftlichen Zusammenleben und -wirken
auf dessen Boden, und diese Idee ist dieselbe heute wie vor 2000
Jahren. Rasse und Ideal machen aber zusammen die Persönlichkeit
des Menschen aus; sie beantworten die Frage: wer bist du?

Entstehung
des Israeliten.

Die Israeliten1) sind aus der Kreuzung zwischen drei (vielleicht
sogar vier) verschiedenen Menschentypen hervorgegangen: dem semi-
tischen Typus, dem syrischen (richtiger gesagt hethitischen) und dem
indoeuropäischen (möglicher Weise floss auch turanisches oder, wie
man in Deutschland es häufiger nennt, sumero-akkadisches Blut in
den Adern ihrer Urväter).

Damit dem Leser ganz klar werde, wie diese Mischung stattfand,
muss ich eine flüchtige historische Skizze vorausschicken; sie soll nur dazu
dienen, das Gedächtnis für allbekannte Thatsachen aufzufrischen und das
Verständnis der Entstehungsgeschichte der jüdischen Rasse anzubahnen.

1) Und nicht sie allein, sondern ihre Stammesgenossen, die Ammoniter, die
Moabiter und die Edomiter, die mit ihnen zusammen die Familie der Hebräer
ausmachen, ein Name, welcher mit Unrecht den Israeliten allein oder gar den
blossen Juden beigelegt zu werden pflegt (siehe Wellhausen: Israelitische und
jüdische Geschichte,
3. Ausg. S. 7); zu derselben Familie gehören ebenfalls die
Midianiter und die Ismaeliter (Maspero: Histoire ancienne, ed. 1895, II, 65).

Die Erben.
befragen, damit wir erfahren, aus welchen Rassen die neue israeli-
tische Rasse (als Grundlage der jüdischen) hervorging; sodann wird
die Beteiligung dieser verschiedenen Menschentypen in ihrer physischen
und namentlich in ihrer moralischen Bedeutung analysiert werden
müssen, wobei unser Augenmerk sich natürlich ganz besonders auf
die Auffassung der Religion bei ihnen richten wird, da die Grund-
lage des Judentums der von ihm gelehrte Glaube ist und wir den
Juden weder in der Geschichte noch heute in unserer Mitte richtig
beurteilen können, wenn wir über seine Religion nicht vollständig
im Klaren sind; zuletzt werde ich zu zeigen versuchen, wie unter
dem Einfluss merkwürdiger historischer Begebenheiten das spezifische
Judentum gegründet und dauernd in seiner besonderen unver-
gleichlichen Eigenart befestigt wurde. Hiermit dürfte die Aufgabe
dieses Kapitels, wie ich sie vorhin präcisierte, erledigt sein, denn die
jüdische Rasse — wenn sie auch zu gewissen Zeiten später manches
fremde Element aufnahm — blieb im Ganzen so rein wie sonst
keine zweite, und die jüdische Nation ist von allem Anfang an eine
wesentlich »ideale« gewesen, d. h. sie bestand in dem Glauben an
eine bestimmte Nationalidee, nicht in dem Besitz eines eigenen freien
Staates, noch in dem gemeinschaftlichen Zusammenleben und -wirken
auf dessen Boden, und diese Idee ist dieselbe heute wie vor 2000
Jahren. Rasse und Ideal machen aber zusammen die Persönlichkeit
des Menschen aus; sie beantworten die Frage: wer bist du?

Entstehung
des Israeliten.

Die Israeliten1) sind aus der Kreuzung zwischen drei (vielleicht
sogar vier) verschiedenen Menschentypen hervorgegangen: dem semi-
tischen Typus, dem syrischen (richtiger gesagt hethitischen) und dem
indoeuropäischen (möglicher Weise floss auch turanisches oder, wie
man in Deutschland es häufiger nennt, sumero-akkadisches Blut in
den Adern ihrer Urväter).

Damit dem Leser ganz klar werde, wie diese Mischung stattfand,
muss ich eine flüchtige historische Skizze vorausschicken; sie soll nur dazu
dienen, das Gedächtnis für allbekannte Thatsachen aufzufrischen und das
Verständnis der Entstehungsgeschichte der jüdischen Rasse anzubahnen.

1) Und nicht sie allein, sondern ihre Stammesgenossen, die Ammoniter, die
Moabiter und die Edomiter, die mit ihnen zusammen die Familie der Hebräer
ausmachen, ein Name, welcher mit Unrecht den Israeliten allein oder gar den
blossen Juden beigelegt zu werden pflegt (siehe Wellhausen: Israelitische und
jüdische Geschichte,
3. Ausg. S. 7); zu derselben Familie gehören ebenfalls die
Midianiter und die Ismaeliter (Maspero: Histoire ancienne, éd. 1895, II, 65).
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[348/0371] Die Erben. befragen, damit wir erfahren, aus welchen Rassen die neue israeli- tische Rasse (als Grundlage der jüdischen) hervorging; sodann wird die Beteiligung dieser verschiedenen Menschentypen in ihrer physischen und namentlich in ihrer moralischen Bedeutung analysiert werden müssen, wobei unser Augenmerk sich natürlich ganz besonders auf die Auffassung der Religion bei ihnen richten wird, da die Grund- lage des Judentums der von ihm gelehrte Glaube ist und wir den Juden weder in der Geschichte noch heute in unserer Mitte richtig beurteilen können, wenn wir über seine Religion nicht vollständig im Klaren sind; zuletzt werde ich zu zeigen versuchen, wie unter dem Einfluss merkwürdiger historischer Begebenheiten das spezifische Judentum gegründet und dauernd in seiner besonderen unver- gleichlichen Eigenart befestigt wurde. Hiermit dürfte die Aufgabe dieses Kapitels, wie ich sie vorhin präcisierte, erledigt sein, denn die jüdische Rasse — wenn sie auch zu gewissen Zeiten später manches fremde Element aufnahm — blieb im Ganzen so rein wie sonst keine zweite, und die jüdische Nation ist von allem Anfang an eine wesentlich »ideale« gewesen, d. h. sie bestand in dem Glauben an eine bestimmte Nationalidee, nicht in dem Besitz eines eigenen freien Staates, noch in dem gemeinschaftlichen Zusammenleben und -wirken auf dessen Boden, und diese Idee ist dieselbe heute wie vor 2000 Jahren. Rasse und Ideal machen aber zusammen die Persönlichkeit des Menschen aus; sie beantworten die Frage: wer bist du? Die Israeliten 1) sind aus der Kreuzung zwischen drei (vielleicht sogar vier) verschiedenen Menschentypen hervorgegangen: dem semi- tischen Typus, dem syrischen (richtiger gesagt hethitischen) und dem indoeuropäischen (möglicher Weise floss auch turanisches oder, wie man in Deutschland es häufiger nennt, sumero-akkadisches Blut in den Adern ihrer Urväter). Damit dem Leser ganz klar werde, wie diese Mischung stattfand, muss ich eine flüchtige historische Skizze vorausschicken; sie soll nur dazu dienen, das Gedächtnis für allbekannte Thatsachen aufzufrischen und das Verständnis der Entstehungsgeschichte der jüdischen Rasse anzubahnen. 1) Und nicht sie allein, sondern ihre Stammesgenossen, die Ammoniter, die Moabiter und die Edomiter, die mit ihnen zusammen die Familie der Hebräer ausmachen, ein Name, welcher mit Unrecht den Israeliten allein oder gar den blossen Juden beigelegt zu werden pflegt (siehe Wellhausen: Israelitische und jüdische Geschichte, 3. Ausg. S. 7); zu derselben Familie gehören ebenfalls die Midianiter und die Ismaeliter (Maspero: Histoire ancienne, éd. 1895, II, 65).

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/371>, abgerufen am 11.05.2024.