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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

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das Zutrauen seines gütigen Herrn betrogen, und
Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeschickt
war, und mit dem er mein trauriges Schicksal in
enger Verflechtung denken mußte. Ich aber konn¬
te ihm keine Schuld geben, ich erkannte in dem
Ereigniß die fabelhafte Natur des Unbekannten.

Nichts unversucht zu lassen, schickt' ich einst
Bendel mit einem kostbaren brillantenen Ring
zu dem berühmtesten Maler der Stadt, den ich,
mich zu besuchen, einladen ließ. Er kam, ich
entfernte meine Leute, verschloß die Thür, setzte
mich zu dem Mann, und, nachdem ich seine Kunst
gepriesen, kam ich mit schwerem Herzen zur Sa¬
che, ich ließ ihm zuvor das strengste Geheimniß
geloben.

"Herr Professor," fuhr ich fort, "könnten
Sie wohl einem Menschen, der auf die unglücklichste
Weise von der Welt um seinen Schatten gekommen
ist, einen falschen Schatten malen?" -- "Sie
meinen einen Schlagschatten?" -- "den mein'
ich allerdings." -- "Aber," frug er mich wei¬
ter, "durch welche Ungeschicklichkeit, durch welche
Nachläßigkeit konnte er denn seinen Schlagschatten

das Zutrauen ſeines guͤtigen Herrn betrogen, und
Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt
war, und mit dem er mein trauriges Schickſal in
enger Verflechtung denken mußte. Ich aber konn¬
te ihm keine Schuld geben, ich erkannte in dem
Ereigniß die fabelhafte Natur des Unbekannten.

Nichts unverſucht zu laſſen, ſchickt' ich einſt
Bendel mit einem koſtbaren brillantenen Ring
zu dem beruͤhmteſten Maler der Stadt, den ich,
mich zu beſuchen, einladen ließ. Er kam, ich
entfernte meine Leute, verſchloß die Thuͤr, ſetzte
mich zu dem Mann, und, nachdem ich ſeine Kunſt
geprieſen, kam ich mit ſchwerem Herzen zur Sa¬
che, ich ließ ihm zuvor das ſtrengſte Geheimniß
geloben.

“Herr Profeſſor,„ fuhr ich fort, “koͤnnten
Sie wohl einem Menſchen, der auf die ungluͤcklichſte
Weiſe von der Welt um ſeinen Schatten gekommen
iſt, einen falſchen Schatten malen?„ — “Sie
meinen einen Schlagſchatten?„ — “den mein’
ich allerdings.„ — “Aber,„ frug er mich wei¬
ter, “durch welche Ungeſchicklichkeit, durch welche
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[28/0048] das Zutrauen ſeines guͤtigen Herrn betrogen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war, und mit dem er mein trauriges Schickſal in enger Verflechtung denken mußte. Ich aber konn¬ te ihm keine Schuld geben, ich erkannte in dem Ereigniß die fabelhafte Natur des Unbekannten. Nichts unverſucht zu laſſen, ſchickt' ich einſt Bendel mit einem koſtbaren brillantenen Ring zu dem beruͤhmteſten Maler der Stadt, den ich, mich zu beſuchen, einladen ließ. Er kam, ich entfernte meine Leute, verſchloß die Thuͤr, ſetzte mich zu dem Mann, und, nachdem ich ſeine Kunſt geprieſen, kam ich mit ſchwerem Herzen zur Sa¬ che, ich ließ ihm zuvor das ſtrengſte Geheimniß geloben. “Herr Profeſſor,„ fuhr ich fort, “koͤnnten Sie wohl einem Menſchen, der auf die ungluͤcklichſte Weiſe von der Welt um ſeinen Schatten gekommen iſt, einen falſchen Schatten malen?„ — “Sie meinen einen Schlagſchatten?„ — “den mein’ ich allerdings.„ — “Aber,„ frug er mich wei¬ ter, “durch welche Ungeſchicklichkeit, durch welche Nachlaͤßigkeit konnte er denn ſeinen Schlagſchatten

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/48>, abgerufen am 26.04.2024.