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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Meine Meynung, die sich auf einige nachher zu erwähnende Versuche gründet, ist
diese, daß die Elasticität und Dichtigkeit einer elastisch flüssigen Materie allein nicht hin-
reichen, um die Geschwindigkeit, mit welcher der Schall sich darin verbreitet, genau zu be-
stimmen, sondern daß diese Geschwindigkeit außerdem noch von einer gewissen chemischen
Eigenschaft einer solchen Flüssigkeit abhängt, die ich aber weiter nicht zu bestimmen weiß.
Es möchte sich wohl der Erfahrungssatz, daß der Schall in der Luft schneller fortgeht, als die
Theorie es lehrt, füglich so allgemeiner ausdrücken lassen: Eine (natürliche oder künstliche)
Mischung von Stickgas und Sauerstoffgas macht ihre (eigenthümlichen und
mitgetheilten) Schwingungen schneller, als es nach der gewöhnlichen Theo-
rie geschehen sollte, und schneller, als jede dieser beyden Flüssigkeiten
für sich.

204.

Durch die verschiedenen Gas-Arten sollte der Schall eigentlich nach der Theorie
im Verhältnisse der Quadratwurzeln ihrer specifischen Elasticität schneller oder langsamer, als
durch die athmosphärische Luft verbreitet werden; wenn also die absolute Elasticität ebendieselbe
ist, sollten sich die Geschwindigkeiten des Schalles bey einerley Temperatur umgekehrt wie die
Quadratwurzeln der specisischen Schweren verhalten. Nun möchte es wohl unmöglich seyn,
eine Strecke von einer solchen Gas-Art zu haben, die hinlänglich lang wäre, um durch die
Erfahrung unmittelbar zu erforschen, in welcher Geschwindigkeit der Schall sich durch dieselbe
verbreitet; es ist aber ebendasselbe, wenn man untersucht, um wieviel der Ton einer Pfeife,
die mit einer Gas-Art angefüllt und umgeben ist, und mit ebenderselben angeblasen wird, bey
einerley Schwingungsart höher oder tiefer ist, als der Ton, welchen die athmesphärische Lase
in ebenderselben Pfeife giebt, weil wegen der Uebereinstimmung eigenthümlicher und mitge-
theilter Schwingangen die Geschwindigkeiten des Schalles in ebendenselben Verhältnissen, wie
diese Töne stehen würden. Folgende Versuche dieser Act, welche ich in Voigts Magazin für
den neuesten Zustand der Naturkunde im 3ten Stücke des ersten Bandes bekanntgemacht habe,
gaben einige von der Theorie etwas abweichende Resultate.

Es ward eine offene zinnerne Orgelpfeife, an welcher die Länge der schwingenden Lust-
säule von der Ritze, wo die eingeblasene Luft ausgeht, bis zu dem Ende, etwa 6 Zoll betrug,
an dem obern Ende in dem Halse einer gläsernen Glocke, die mit einem Hahne wohl verschlossen
werden konnte, befestigt. Bey dem Untertauchen der gläsernen Glocke unter das [Wasser]

Meine Meynung, die ſich auf einige nachher zu erwaͤhnende Verſuche gruͤndet, iſt
dieſe, daß die Elaſticitaͤt und Dichtigkeit einer elaſtiſch fluͤſſigen Materie allein nicht hin-
reichen, um die Geſchwindigkeit, mit welcher der Schall ſich darin verbreitet, genau zu be-
ſtimmen, ſondern daß dieſe Geſchwindigkeit außerdem noch von einer gewiſſen chemiſchen
Eigenſchaft einer ſolchen Fluͤſſigkeit abhaͤngt, die ich aber weiter nicht zu beſtimmen weiß.
Es moͤchte ſich wohl der Erfahrungsſatz, daß der Schall in der Luft ſchneller fortgeht, als die
Theorie es lehrt, fuͤglich ſo allgemeiner ausdruͤcken laſſen: Eine (natuͤrliche oder kuͤnſtliche)
Miſchung von Stickgas und Sauerſtoffgas macht ihre (eigenthuͤmlichen und
mitgetheilten) Schwingungen ſchneller, als es nach der gewoͤhnlichen Theo-
rie geſchehen ſollte, und ſchneller, als jede dieſer beyden Fluͤſſigkeiten
fuͤr ſich.

204.

Durch die verſchiedenen Gas-Arten ſollte der Schall eigentlich nach der Theorie
im Verhaͤltniſſe der Quadratwurzeln ihrer ſpecifiſchen Elaſticitaͤt ſchneller oder langſamer, als
durch die athmoſphaͤriſche Luft verbreitet werden; wenn alſo die abſolute Elaſticitaͤt ebendieſelbe
iſt, ſollten ſich die Geſchwindigkeiten des Schalles bey einerley Temperatur umgekehrt wie die
Quadratwurzeln der ſpeciſiſchen Schweren verhalten. Nun moͤchte es wohl unmoͤglich ſeyn,
eine Strecke von einer ſolchen Gas-Art zu haben, die hinlaͤnglich lang waͤre, um durch die
Erfahrung unmittelbar zu erforſchen, in welcher Geſchwindigkeit der Schall ſich durch dieſelbe
verbreitet; es iſt aber ebendaſſelbe, wenn man unterſucht, um wieviel der Ton einer Pfeife,
die mit einer Gas-Art angefuͤllt und umgeben iſt, und mit ebenderſelben angeblaſen wird, bey
einerley Schwingungsart hoͤher oder tiefer iſt, als der Ton, welchen die athmeſphaͤriſche Laſe
in ebenderſelben Pfeife giebt, weil wegen der Uebereinſtimmung eigenthuͤmlicher und mitge-
theilter Schwingangen die Geſchwindigkeiten des Schalles in ebendenſelben Verhaͤltniſſen, wie
dieſe Toͤne ſtehen wuͤrden. Folgende Verſuche dieſer Act, welche ich in Voigts Magazin fuͤr
den neueſten Zuſtand der Naturkunde im 3ten Stuͤcke des erſten Bandes bekanntgemacht habe,
gaben einige von der Theorie etwas abweichende Reſultate.

Es ward eine offene zinnerne Orgelpfeife, an welcher die Laͤnge der ſchwingenden Luſt-
ſaͤule von der Ritze, wo die eingeblaſene Luft ausgeht, bis zu dem Ende, etwa 6 Zoll betrug,
an dem obern Ende in dem Halſe einer glaͤſernen Glocke, die mit einem Hahne wohl verſchloſſen
werden konnte, befeſtigt. Bey dem Untertauchen der glaͤſernen Glocke unter das [Waſſer]

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[226/0260] Meine Meynung, die ſich auf einige nachher zu erwaͤhnende Verſuche gruͤndet, iſt dieſe, daß die Elaſticitaͤt und Dichtigkeit einer elaſtiſch fluͤſſigen Materie allein nicht hin- reichen, um die Geſchwindigkeit, mit welcher der Schall ſich darin verbreitet, genau zu be- ſtimmen, ſondern daß dieſe Geſchwindigkeit außerdem noch von einer gewiſſen chemiſchen Eigenſchaft einer ſolchen Fluͤſſigkeit abhaͤngt, die ich aber weiter nicht zu beſtimmen weiß. Es moͤchte ſich wohl der Erfahrungsſatz, daß der Schall in der Luft ſchneller fortgeht, als die Theorie es lehrt, fuͤglich ſo allgemeiner ausdruͤcken laſſen: Eine (natuͤrliche oder kuͤnſtliche) Miſchung von Stickgas und Sauerſtoffgas macht ihre (eigenthuͤmlichen und mitgetheilten) Schwingungen ſchneller, als es nach der gewoͤhnlichen Theo- rie geſchehen ſollte, und ſchneller, als jede dieſer beyden Fluͤſſigkeiten fuͤr ſich. 204. Durch die verſchiedenen Gas-Arten ſollte der Schall eigentlich nach der Theorie im Verhaͤltniſſe der Quadratwurzeln ihrer ſpecifiſchen Elaſticitaͤt ſchneller oder langſamer, als durch die athmoſphaͤriſche Luft verbreitet werden; wenn alſo die abſolute Elaſticitaͤt ebendieſelbe iſt, ſollten ſich die Geſchwindigkeiten des Schalles bey einerley Temperatur umgekehrt wie die Quadratwurzeln der ſpeciſiſchen Schweren verhalten. Nun moͤchte es wohl unmoͤglich ſeyn, eine Strecke von einer ſolchen Gas-Art zu haben, die hinlaͤnglich lang waͤre, um durch die Erfahrung unmittelbar zu erforſchen, in welcher Geſchwindigkeit der Schall ſich durch dieſelbe verbreitet; es iſt aber ebendaſſelbe, wenn man unterſucht, um wieviel der Ton einer Pfeife, die mit einer Gas-Art angefuͤllt und umgeben iſt, und mit ebenderſelben angeblaſen wird, bey einerley Schwingungsart hoͤher oder tiefer iſt, als der Ton, welchen die athmeſphaͤriſche Laſe in ebenderſelben Pfeife giebt, weil wegen der Uebereinſtimmung eigenthuͤmlicher und mitge- theilter Schwingangen die Geſchwindigkeiten des Schalles in ebendenſelben Verhaͤltniſſen, wie dieſe Toͤne ſtehen wuͤrden. Folgende Verſuche dieſer Act, welche ich in Voigts Magazin fuͤr den neueſten Zuſtand der Naturkunde im 3ten Stuͤcke des erſten Bandes bekanntgemacht habe, gaben einige von der Theorie etwas abweichende Reſultate. Es ward eine offene zinnerne Orgelpfeife, an welcher die Laͤnge der ſchwingenden Luſt- ſaͤule von der Ritze, wo die eingeblaſene Luft ausgeht, bis zu dem Ende, etwa 6 Zoll betrug, an dem obern Ende in dem Halſe einer glaͤſernen Glocke, die mit einem Hahne wohl verſchloſſen werden konnte, befeſtigt. Bey dem Untertauchen der glaͤſernen Glocke unter das Waſſer

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/260>, abgerufen am 10.06.2024.