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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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der Post wolle kein Brief an seine Adresse ge¬
langen. -- Und wäre unser Plan in der That
auch nicht auf B. gerichtet gewesen, ich hätte
schon wegen der liebreizenden jungen Frau dahin
reisen müssen; aber es traf sich ganz vortrefflich,
denn mein Freund Kluge hat dort einen Ver¬
wandten, den er zu besuchen sich längst vorge¬
nommen hatte; so nahm ich denn den Brief
auch ohne Weiteres an, und meine holde Lands¬
männin verabschiedete sich mit ihrem jungen
Gatten, der uns eine Zeit lang mit schelen
Blicken angesehn hatte.

Nach einigen Anstrengungen war B. endlich
erreicht, und ich zog über den Aufenthalt, der mir
natürlich gänzlich unbekannten Adeline v. Rosen
Erkundigungen ein. Zufällig kannte unsere
Wirthin, die erste, an welche ich mich in dieser
Beziehung wandte, die Dame recht gut, meinte
aber, daß ich den Brief nicht leicht werde abge¬
ben können, indem die arme Adeline jetzt im
Ursulinerkloster ihr Probejahr bestehe. Weshalb
das schöne, liebe Kind, fuhr meine weichherzige
Berichterstatterin fort, ihr junges Leben in den
dumpfen Mauren des Klosters vertrauren will,
begreift niemand, und ich vermuthe beinahe, ihr
Stiefvater, der alte Commercienrath von Berger,

der Poſt wolle kein Brief an ſeine Adreſſe ge¬
langen. — Und waͤre unſer Plan in der That
auch nicht auf B. gerichtet geweſen, ich haͤtte
ſchon wegen der liebreizenden jungen Frau dahin
reiſen muͤſſen; aber es traf ſich ganz vortrefflich,
denn mein Freund Kluge hat dort einen Ver¬
wandten, den er zu beſuchen ſich laͤngſt vorge¬
nommen hatte; ſo nahm ich denn den Brief
auch ohne Weiteres an, und meine holde Lands¬
maͤnnin verabſchiedete ſich mit ihrem jungen
Gatten, der uns eine Zeit lang mit ſchelen
Blicken angeſehn hatte.

Nach einigen Anſtrengungen war B. endlich
erreicht, und ich zog uͤber den Aufenthalt, der mir
natuͤrlich gaͤnzlich unbekannten Adeline v. Roſen
Erkundigungen ein. Zufaͤllig kannte unſere
Wirthin, die erſte, an welche ich mich in dieſer
Beziehung wandte, die Dame recht gut, meinte
aber, daß ich den Brief nicht leicht werde abge¬
ben koͤnnen, indem die arme Adeline jetzt im
Urſulinerkloſter ihr Probejahr beſtehe. Weshalb
das ſchoͤne, liebe Kind, fuhr meine weichherzige
Berichterſtatterin fort, ihr junges Leben in den
dumpfen Mauren des Kloſters vertrauren will,
begreift niemand, und ich vermuthe beinahe, ihr
Stiefvater, der alte Commercienrath von Berger,

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[196/0202] der Poſt wolle kein Brief an ſeine Adreſſe ge¬ langen. — Und waͤre unſer Plan in der That auch nicht auf B. gerichtet geweſen, ich haͤtte ſchon wegen der liebreizenden jungen Frau dahin reiſen muͤſſen; aber es traf ſich ganz vortrefflich, denn mein Freund Kluge hat dort einen Ver¬ wandten, den er zu beſuchen ſich laͤngſt vorge¬ nommen hatte; ſo nahm ich denn den Brief auch ohne Weiteres an, und meine holde Lands¬ maͤnnin verabſchiedete ſich mit ihrem jungen Gatten, der uns eine Zeit lang mit ſchelen Blicken angeſehn hatte. Nach einigen Anſtrengungen war B. endlich erreicht, und ich zog uͤber den Aufenthalt, der mir natuͤrlich gaͤnzlich unbekannten Adeline v. Roſen Erkundigungen ein. Zufaͤllig kannte unſere Wirthin, die erſte, an welche ich mich in dieſer Beziehung wandte, die Dame recht gut, meinte aber, daß ich den Brief nicht leicht werde abge¬ ben koͤnnen, indem die arme Adeline jetzt im Urſulinerkloſter ihr Probejahr beſtehe. Weshalb das ſchoͤne, liebe Kind, fuhr meine weichherzige Berichterſtatterin fort, ihr junges Leben in den dumpfen Mauren des Kloſters vertrauren will, begreift niemand, und ich vermuthe beinahe, ihr Stiefvater, der alte Commercienrath von Berger,

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/202>, abgerufen am 26.04.2024.