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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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als sei in der Welt nichts vorgefallen. Schlau¬
köpfchen glaubte auf diese einfache Weise Alles
recht wohl überlegt und bedacht zu haben, wie
ein Feldherr; und erhob sich daher vom weichen
Sitze, um die Operationen schleunigst zu beginnen,
weil keine Zeit zu verlieren war: da trat Tante
Letty mit einem Gesicht in das Zimmer, auf
welchem Ärger, innerer Unwille und heftige Bit¬
terkeit kämpften.

"Sage um des Himmels Willen" hob sie an,
und trat dem erschrockenen Mädchen ganz nahe,
als wolle sie recht Gefährliches unternehmen,
"sage um des Himmels Willen, wo Du bleibst?
Der Hofrath, die Steinburg fragten drei, viermal
nach Comtesse Albertine; der gutmüthige Anton,
der Deinen wahrhaften Grobheiten eine englische
Geduld entgegensetzte, desgleichen, weil er mit Dir
engagirt zu sein vorgiebt, aber wer sich nicht sehn
läßt, ist die hochweise, die superkluge Tina! O
mein Schäfchen, wir kennen Deine Wege und
Deine Schliche! Denn kaum war der Baron
Blauenstein in unser Haus getreten, als Du
auch wie versessen nicht von des Menschen Seite
wichst. Und nun gar heute! Es war ja wahr¬
haftig kein Auseinanderkommen, als wäret Ihr
beide die Hauptpersonen, alle die übrigen nur zu

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als ſei in der Welt nichts vorgefallen. Schlau¬
koͤpfchen glaubte auf dieſe einfache Weiſe Alles
recht wohl uͤberlegt und bedacht zu haben, wie
ein Feldherr; und erhob ſich daher vom weichen
Sitze, um die Operationen ſchleunigſt zu beginnen,
weil keine Zeit zu verlieren war: da trat Tante
Letty mit einem Geſicht in das Zimmer, auf
welchem Ärger, innerer Unwille und heftige Bit¬
terkeit kaͤmpften.

„Sage um des Himmels Willen“ hob ſie an,
und trat dem erſchrockenen Maͤdchen ganz nahe,
als wolle ſie recht Gefaͤhrliches unternehmen,
„ſage um des Himmels Willen, wo Du bleibſt?
Der Hofrath, die Steinburg fragten drei, viermal
nach Comteſſe Albertine; der gutmuͤthige Anton,
der Deinen wahrhaften Grobheiten eine engliſche
Geduld entgegenſetzte, desgleichen, weil er mit Dir
engagirt zu ſein vorgiebt, aber wer ſich nicht ſehn
laͤßt, iſt die hochweiſe, die ſuperkluge Tina! O
mein Schaͤfchen, wir kennen Deine Wege und
Deine Schliche! Denn kaum war der Baron
Blauenſtein in unſer Haus getreten, als Du
auch wie verſeſſen nicht von des Menſchen Seite
wichſt. Und nun gar heute! Es war ja wahr¬
haftig kein Auseinanderkommen, als waͤret Ihr
beide die Hauptperſonen, alle die uͤbrigen nur zu

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[83/0089] als ſei in der Welt nichts vorgefallen. Schlau¬ koͤpfchen glaubte auf dieſe einfache Weiſe Alles recht wohl uͤberlegt und bedacht zu haben, wie ein Feldherr; und erhob ſich daher vom weichen Sitze, um die Operationen ſchleunigſt zu beginnen, weil keine Zeit zu verlieren war: da trat Tante Letty mit einem Geſicht in das Zimmer, auf welchem Ärger, innerer Unwille und heftige Bit¬ terkeit kaͤmpften. „Sage um des Himmels Willen“ hob ſie an, und trat dem erſchrockenen Maͤdchen ganz nahe, als wolle ſie recht Gefaͤhrliches unternehmen, „ſage um des Himmels Willen, wo Du bleibſt? Der Hofrath, die Steinburg fragten drei, viermal nach Comteſſe Albertine; der gutmuͤthige Anton, der Deinen wahrhaften Grobheiten eine engliſche Geduld entgegenſetzte, desgleichen, weil er mit Dir engagirt zu ſein vorgiebt, aber wer ſich nicht ſehn laͤßt, iſt die hochweiſe, die ſuperkluge Tina! O mein Schaͤfchen, wir kennen Deine Wege und Deine Schliche! Denn kaum war der Baron Blauenſtein in unſer Haus getreten, als Du auch wie verſeſſen nicht von des Menſchen Seite wichſt. Und nun gar heute! Es war ja wahr¬ haftig kein Auseinanderkommen, als waͤret Ihr beide die Hauptperſonen, alle die uͤbrigen nur zu 6 *

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/89>, abgerufen am 26.04.2024.