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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben p1c_147.002
werden. Auf daß sie alle eines seyn, gleich wie du p1c_147.003
Vater in mir und ich in dir, daß auch sie in uns eines p1c_147.004
seyn, auf daß die Welt glaube, du habest mich gesandt - p1c_147.005
und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir p1c_147.006
gegeben hast, daß sie eins seyn, gleichwie wir eins p1c_147.007
sind. - Gerechter Vater, die Welt kennet dich nicht, ich p1c_147.008
aber kenne dich,
und diese erkennen, daß du mich gesandt p1c_147.009
hast. Und ich habe ihnen deinen Nahmen kund gethan p1c_147.010
und will ihnen kund thun, auf daß die Liebe, damit du p1c_147.011
mich liebest, sey in ihnen und Jch in ihnen."

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Anmerk. 3. Aus der in vorhergehender Anmerkung p1c_147.013
unternommenen Analyse dichterischer Stellen ergeben p1c_147.014
sich also noch mehrere Modifikationen des höhern p1c_147.015
Schönen,
welche in der Kunstsprache ihre eigenen Nahmen p1c_147.016
haben, und nun mittelst der Beyspiele verständlich seyn p1c_147.017
werden. Wenn das Heftige eines Gedankens so hoch p1c_147.018
steigt, daß dadurch in den einzelnen Theilvorstellungen eine p1c_147.019
Gestaltlosigkeit und Unförmlichkeit entsteht, so nennt man p1c_147.020
es gräßlich, in so fern es dabey Furcht erregt: schrecklich. p1c_147.021
Jst dabey Leichtigket und Lebendigkeit: p1c_147.022
schreckliche Grazie.
Wird das Heftige als gehemmt p1c_147.023
betrachtet, und man fürchtet nur dessen Ausbruch, so heißt p1c_147.024
dies das Aengstliche. Verbindet sich das Starke mit p1c_147.025
dem Großen, so ist dies das contemplativ mathematisch p1c_147.026
Große
oder dynamisch Große. Verbindet p1c_147.027
sich das Heftige mit dem Großen, so entsteht

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sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben p1c_147.002
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Vater in mir und ich in dir, daß auch sie in uns eines p1c_147.004
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und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir p1c_147.006
gegeben hast, daß sie eins seyn, gleichwie wir eins p1c_147.007
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aber kenne dich,
und diese erkennen, daß du mich gesandt p1c_147.009
hast. Und ich habe ihnen deinen Nahmen kund gethan p1c_147.010
und will ihnen kund thun, auf daß die Liebe, damit du p1c_147.011
mich liebest, sey in ihnen und Jch in ihnen.

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Anmerk. 3. Aus der in vorhergehender Anmerkung p1c_147.013
unternommenen Analyse dichterischer Stellen ergeben p1c_147.014
sich also noch mehrere Modifikationen des höhern p1c_147.015
Schönen,
welche in der Kunstsprache ihre eigenen Nahmen p1c_147.016
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/205>, abgerufen am 01.05.2024.