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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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Strymons, allen seinen Gram in schaudernden p1c_165.002
Höhlen gesungen, Tieger besänftigt' er da und Hörerin p1c_165.003
ward ihm die Eiche. Wie die Nachtigall, von der Ulme p1c_165.004
beschattet, in ihrer Wehmuth klagt der Zöglinge Tod, die p1c_165.005
der grämliche Pflüger, Späher des Nestes, ihr nahm noch p1c_165.006
unbefiedert, sie weinet Nächte lang, erneut, an dem Zweige p1c_165.007
schwankend, das bange Lied und durchhallt das Gefild' umher p1c_165.008
mit jammernder Trauer. Venus nicht bewegt und p1c_165.009
nicht Hymenäus das Herz ihm. Einsam bewandelt er nordisches p1c_165.010
Eis, des Tanais Flocke" u. s. w. - und der p1c_165.011
Schluß: "Damals, da sein Haupt, von dem Marmorhalse p1c_165.012
gerissen, mitten trug, und wälzt' in dem Strom der p1c_165.013
dagrische Hebrus, rufte die Stimme Euridice noch, und p1c_165.014
die starrende Zunge, ach! dein Jammer, Euridice noch, p1c_165.015
da die Seele dahin floh und Euridice hallte zurück von des p1c_165.016
Flusses Gestaden." - Da das Saufte durch den Charakter p1c_165.017
der Ruhe mit dem Großen verwandt ist, so findet es sich p1c_165.018
gerade bey solchen Nationen und Dichtern, die großer Empfindungen p1c_165.019
fähig sind. Daher ist selbst der rauhe Dante p1c_165.020
des Sanften fähig, z. B. Inferno C. 5. die Geschichte von p1c_165.021
Francesca und Paolo: - "Quali colombe dal disio p1c_165.022
chiamate con l' ali aperte e ferme al dolce nido volan p1c_165.023
per l' aer dal voler portate ... amor, ch' a null' p1c_165.024
amato amar perdona mi prese del costui piacer si p1c_165.025
forte, che come vedi ancor non m' abbandona, amor p1c_165.026
condusse noi ad una morte - quando legemmo il p1c_165.027
disiato riso esser baciato da cotanto amante, questi p1c_165.028
che mai da me non sia diviso, la bocca mi bacio tutto

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Strymons, allen seinen Gram in schaudernden p1c_165.002
Höhlen gesungen, Tieger besänftigt' er da und Hörerin p1c_165.003
ward ihm die Eiche. Wie die Nachtigall, von der Ulme p1c_165.004
beschattet, in ihrer Wehmuth klagt der Zöglinge Tod, die p1c_165.005
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unbefiedert, sie weinet Nächte lang, erneut, an dem Zweige p1c_165.007
schwankend, das bange Lied und durchhallt das Gefild' umher p1c_165.008
mit jammernder Trauer. Venus nicht bewegt und p1c_165.009
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Schluß: „Damals, da sein Haupt, von dem Marmorhalse p1c_165.012
gerissen, mitten trug, und wälzt' in dem Strom der p1c_165.013
dagrische Hebrus, rufte die Stimme Euridice noch, und p1c_165.014
die starrende Zunge, ach! dein Jammer, Euridice noch, p1c_165.015
da die Seele dahin floh und Euridice hallte zurück von des p1c_165.016
Flusses Gestaden.“ ─ Da das Saufte durch den Charakter p1c_165.017
der Ruhe mit dem Großen verwandt ist, so findet es sich p1c_165.018
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/223>, abgerufen am 01.05.2024.