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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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geschieht, erst gesetzlich zu werden, so ist er ein endliches p1c_451.002
Wesen, das der Objekte außer sich bedarf, um p1c_451.003
zum Bewußtseyn zu kommen. Er hat also nicht blos p1c_451.004
Agilität, sondern auch Receptivität oder Bedürfniß p1c_451.005
außer sich in Raum und Zeit anzuschaun. p1c_451.006
Er muß über die Folgen seiner Handlungen in der p1c_451.007
Sinnenwelt reflektiren, sie mit der praktischen Anforderung p1c_451.008
in sich vergleichen können. Der mit dem Verstande p1c_451.009
über bestimmte Objekte reflektirende Mensch, p1c_451.010
welcher darinnen die absolute Gesetzlichkeit zu erkennen p1c_451.011
sucht, findet nun zwar in den Erscheinungsobjekten p1c_451.012
eine Art von Gesetzlichkeit. Sie ist aber nur hypothetisch p1c_451.013
nothwendig, wie alles Wissen a posteriori. p1c_451.014
Denn alle Erscheinungsobjekte sind endlich bedingt. p1c_451.015
Die absolute Gesetzlichkeit hingegen selbst, p1c_451.016
welche zugleich Freyheit von allem hypothetisch p1c_451.017
Nothwendigen oder zufällig Objektiven seyn soll, ist p1c_451.018
eben deswegen äußerlich nicht darstellbar noch begreiflich p1c_451.019
für den Verstand, weil die praktische Anforderung, p1c_451.020
sie in Handlungen darzustellen, immer wiederkehrt. p1c_451.021
Der Mensch findet also sein Jnneres entzweyt, die p1c_451.022
Thatsache a priori verlangt Realisirung eines unendlichen p1c_451.023
Objekts, und die Thatsachen a posteriori geben p1c_451.024
nur endliche Objekte. Die Thatsache a priori p1c_451.025
verlangt das Bewußtseyn der absoluten Nothwenkeit

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geschieht, erst gesetzlich zu werden, so ist er ein endliches p1c_451.002
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zum Bewußtseyn zu kommen. Er hat also nicht blos p1c_451.004
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Sinnenwelt reflektiren, sie mit der praktischen Anforderung p1c_451.008
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eine Art von Gesetzlichkeit. Sie ist aber nur hypothetisch p1c_451.013
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[451/0509] p1c_451.001 geschieht, erst gesetzlich zu werden, so ist er ein endliches p1c_451.002 Wesen, das der Objekte außer sich bedarf, um p1c_451.003 zum Bewußtseyn zu kommen. Er hat also nicht blos p1c_451.004 Agilität, sondern auch Receptivität oder Bedürfniß p1c_451.005 außer sich in Raum und Zeit anzuschaun. p1c_451.006 Er muß über die Folgen seiner Handlungen in der p1c_451.007 Sinnenwelt reflektiren, sie mit der praktischen Anforderung p1c_451.008 in sich vergleichen können. Der mit dem Verstande p1c_451.009 über bestimmte Objekte reflektirende Mensch, p1c_451.010 welcher darinnen die absolute Gesetzlichkeit zu erkennen p1c_451.011 sucht, findet nun zwar in den Erscheinungsobjekten p1c_451.012 eine Art von Gesetzlichkeit. Sie ist aber nur hypothetisch p1c_451.013 nothwendig, wie alles Wissen a posteriori. p1c_451.014 Denn alle Erscheinungsobjekte sind endlich bedingt. p1c_451.015 Die absolute Gesetzlichkeit hingegen selbst, p1c_451.016 welche zugleich Freyheit von allem hypothetisch p1c_451.017 Nothwendigen oder zufällig Objektiven seyn soll, ist p1c_451.018 eben deswegen äußerlich nicht darstellbar noch begreiflich p1c_451.019 für den Verstand, weil die praktische Anforderung, p1c_451.020 sie in Handlungen darzustellen, immer wiederkehrt. p1c_451.021 Der Mensch findet also sein Jnneres entzweyt, die p1c_451.022 Thatsache a priori verlangt Realisirung eines unendlichen p1c_451.023 Objekts, und die Thatsachen a posteriori geben p1c_451.024 nur endliche Objekte. Die Thatsache a priori p1c_451.025 verlangt das Bewußtseyn der absoluten Nothwenkeit

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/509>, abgerufen am 27.04.2024.