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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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mittelst der Objekte, die Thatsachen a posteriori p1c_452.002
liefern für den Verstand blos zufällige, oder welches p1c_452.003
dasselbe ist, hypothetisch nothwendige Objekte. p1c_452.004
Dieser ewige Widerspruch zwischen dem, was p1c_452.005
begreiflich geschieht, und dem, was geschehen p1c_452.006
soll, würde das religiöse Gewissen als eine praktische p1c_452.007
Anforderung zum handeln selbst zerstören, p1c_452.008
wenn er nicht aufgehoben werden könnte. Der Mensch p1c_452.009
würde das gesetzliche Handeln, alles Realisiren p1c_452.010
und Objektivisiren als fruchtlos aufgeben, wenn die p1c_452.011
Schranken, welche der Verstand zwischen dem Objektiven p1c_452.012
und Subjektiven setzt, unumstößlich wären. p1c_452.013
Soll also das religiöse Gewissen nicht als ein ewiger p1c_452.014
Widerspruch erscheinen, so bedarf es, um dasselbe p1c_452.015
zu unterstützen, noch einer höhern Fähigkeit, als der p1c_452.016
Verstand ist, welche den religiösen Glauben p1c_452.017
giebt. So wie das religiöse Gewissen uns die p1c_452.018
Gesetzlichkeit des Subjektiven verkündet, so p1c_452.019
hält der religiöse Glaube uns an das Objektive p1c_452.020
gefesselt, zeigt die Harmonie des Objektiven p1c_452.021
mit dem Subjektiven, erhält uns in dem Vertraun, p1c_452.022
daß das Objektive zur Darstellung der innern p1c_452.023
Gesetzlichkeit unumgänglich gehöre, und stärkt p1c_452.024
uns im Handeln. Soll die Erscheinungswelt in Harmonie p1c_452.025
mit der innern Gesetzgebung seyn, so muß in

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[452/0510] p1c_452.001 mittelst der Objekte, die Thatsachen a posteriori p1c_452.002 liefern für den Verstand blos zufällige, oder welches p1c_452.003 dasselbe ist, hypothetisch nothwendige Objekte. p1c_452.004 Dieser ewige Widerspruch zwischen dem, was p1c_452.005 begreiflich geschieht, und dem, was geschehen p1c_452.006 soll, würde das religiöse Gewissen als eine praktische p1c_452.007 Anforderung zum handeln selbst zerstören, p1c_452.008 wenn er nicht aufgehoben werden könnte. Der Mensch p1c_452.009 würde das gesetzliche Handeln, alles Realisiren p1c_452.010 und Objektivisiren als fruchtlos aufgeben, wenn die p1c_452.011 Schranken, welche der Verstand zwischen dem Objektiven p1c_452.012 und Subjektiven setzt, unumstößlich wären. p1c_452.013 Soll also das religiöse Gewissen nicht als ein ewiger p1c_452.014 Widerspruch erscheinen, so bedarf es, um dasselbe p1c_452.015 zu unterstützen, noch einer höhern Fähigkeit, als der p1c_452.016 Verstand ist, welche den religiösen Glauben p1c_452.017 giebt. So wie das religiöse Gewissen uns die p1c_452.018 Gesetzlichkeit des Subjektiven verkündet, so p1c_452.019 hält der religiöse Glaube uns an das Objektive p1c_452.020 gefesselt, zeigt die Harmonie des Objektiven p1c_452.021 mit dem Subjektiven, erhält uns in dem Vertraun, p1c_452.022 daß das Objektive zur Darstellung der innern p1c_452.023 Gesetzlichkeit unumgänglich gehöre, und stärkt p1c_452.024 uns im Handeln. Soll die Erscheinungswelt in Harmonie p1c_452.025 mit der innern Gesetzgebung seyn, so muß in

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/510>, abgerufen am 27.04.2024.