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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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durch einen höhern Geist erweckt werden kann. Jndem p1c_454.002
der religiöse Glaube uns die Objektenwelt p1c_454.003
unter dem Wiederschein der subjektiven Gesetzlichkeit p1c_454.004
zeigt, söhnt er uns mit dem Objektiven wieder aus, p1c_454.005
von dem uns der Verstand trennte, und erweckt mittelst p1c_454.006
der Schönheit eine Sehnsucht in uns zum Handeln p1c_454.007
oder objektiven Darstellen der Jdeen, welche p1c_454.008
Liebe heißt. Jn Beziehung auf das Handeln heißt p1c_454.009
also der postulirte religiöse Glaube, als Gemüthsstimmung, p1c_454.010
Religion der Liebe.

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Da durch das religiöse Gewissen eine Anforderung p1c_454.012
an uns geschieht, uns in das höhere Bewußtseyn p1c_454.013
einer allgemeinen Gesetzlichkeit aufnehmen zu p1c_454.014
lassen, so ist unser Jch als endliches Wesen von dem p1c_454.015
allgemeinen gesetzlichen Bewußtseyn unterschieden. p1c_454.016
Das allgemeine gesetzliche Bewußtseyn offenbart p1c_454.017
sich also in unserm religiösen Gewissen p1c_454.018
als eine höhere von uns unterschiedene Einheit, zu p1c_454.019
deren Gemeinschaft wir emporstreben sollen. Dieses p1c_454.020
gesetzliche, im religiösen Gewissen verkündete und p1c_454.021
von uns unterschiedene Seyn, dieses heilige gesetzliche p1c_454.022
Wesen nennen wir Gott.

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Da durch den religiösen Glauben ein Gefühl p1c_454.024
von Harmonie der Objekte mit dem, was geschehen

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durch einen höhern Geist erweckt werden kann. Jndem p1c_454.002
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Religion der Liebe.

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Da durch das religiöse Gewissen eine Anforderung p1c_454.012
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[454/0512] p1c_454.001 durch einen höhern Geist erweckt werden kann. Jndem p1c_454.002 der religiöse Glaube uns die Objektenwelt p1c_454.003 unter dem Wiederschein der subjektiven Gesetzlichkeit p1c_454.004 zeigt, söhnt er uns mit dem Objektiven wieder aus, p1c_454.005 von dem uns der Verstand trennte, und erweckt mittelst p1c_454.006 der Schönheit eine Sehnsucht in uns zum Handeln p1c_454.007 oder objektiven Darstellen der Jdeen, welche p1c_454.008 Liebe heißt. Jn Beziehung auf das Handeln heißt p1c_454.009 also der postulirte religiöse Glaube, als Gemüthsstimmung, p1c_454.010 Religion der Liebe. p1c_454.011 Da durch das religiöse Gewissen eine Anforderung p1c_454.012 an uns geschieht, uns in das höhere Bewußtseyn p1c_454.013 einer allgemeinen Gesetzlichkeit aufnehmen zu p1c_454.014 lassen, so ist unser Jch als endliches Wesen von dem p1c_454.015 allgemeinen gesetzlichen Bewußtseyn unterschieden. p1c_454.016 Das allgemeine gesetzliche Bewußtseyn offenbart p1c_454.017 sich also in unserm religiösen Gewissen p1c_454.018 als eine höhere von uns unterschiedene Einheit, zu p1c_454.019 deren Gemeinschaft wir emporstreben sollen. Dieses p1c_454.020 gesetzliche, im religiösen Gewissen verkündete und p1c_454.021 von uns unterschiedene Seyn, dieses heilige gesetzliche p1c_454.022 Wesen nennen wir Gott. p1c_454.023 Da durch den religiösen Glauben ein Gefühl p1c_454.024 von Harmonie der Objekte mit dem, was geschehen

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/512>, abgerufen am 27.04.2024.