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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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soll, der Erscheinungswelt mit den Anforderungen p1c_455.002
des Geistes in uns erweckt wird, das p1c_455.003
religiöse Gewissen aber die Hervorbringung der Objekte p1c_455.004
um des absolut nothwendigen Bewußtseyns willen p1c_455.005
gebietet, so bestätigt der religiöse Glaube, was p1c_455.006
schon das religiöse Gewissen andeutet, daß die Objekte p1c_455.007
dem allgemeinen gesetzlichen Bewußtseyn unterworfen p1c_455.008
sind. Gott offenbart sich also im religiösen p1c_455.009
Glauben als Beherrscher der Erscheinungswelt.

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Der Mensch nennt das Objektive, was er p1c_455.011
vor sich in der Zeit als vergangen denkt, Geschichte. p1c_455.012
Jn so fern er sie sich durch den Verstand zu erklären p1c_455.013
sucht, ist sie menschliche Geschichte und eine p1c_455.014
Sache der Erfahrung. Jn so fern aber der religiöse p1c_455.015
Glaube die Erscheinungswelt als ein der idealen p1c_455.016
Gesetzlichkeit unterworfenes und von ihr regiertes p1c_455.017
Ganzes ansieht, so postulirt der religiöse Glaube p1c_455.018
eine allgemeine Weltgeschichte. Diese läßt p1c_455.019
sich nicht mehr von dem Verstande erklären. Sie p1c_455.020
geht also in das Wunderbare über. Diese allgemeine p1c_455.021
ideale
Weltgeschichte, welche die Begebenheiten p1c_455.022
der Erscheinungswelt in der Zeit unter göttlicher p1c_455.023
Leitung darstellt, ist nur durch eine religiöse p1c_455.024
Ansicht möglich. Sie ist keine menschliche Ge=

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soll, der Erscheinungswelt mit den Anforderungen p1c_455.002
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[455/0513] p1c_455.001 soll, der Erscheinungswelt mit den Anforderungen p1c_455.002 des Geistes in uns erweckt wird, das p1c_455.003 religiöse Gewissen aber die Hervorbringung der Objekte p1c_455.004 um des absolut nothwendigen Bewußtseyns willen p1c_455.005 gebietet, so bestätigt der religiöse Glaube, was p1c_455.006 schon das religiöse Gewissen andeutet, daß die Objekte p1c_455.007 dem allgemeinen gesetzlichen Bewußtseyn unterworfen p1c_455.008 sind. Gott offenbart sich also im religiösen p1c_455.009 Glauben als Beherrscher der Erscheinungswelt. p1c_455.010 Der Mensch nennt das Objektive, was er p1c_455.011 vor sich in der Zeit als vergangen denkt, Geschichte. p1c_455.012 Jn so fern er sie sich durch den Verstand zu erklären p1c_455.013 sucht, ist sie menschliche Geschichte und eine p1c_455.014 Sache der Erfahrung. Jn so fern aber der religiöse p1c_455.015 Glaube die Erscheinungswelt als ein der idealen p1c_455.016 Gesetzlichkeit unterworfenes und von ihr regiertes p1c_455.017 Ganzes ansieht, so postulirt der religiöse Glaube p1c_455.018 eine allgemeine Weltgeschichte. Diese läßt p1c_455.019 sich nicht mehr von dem Verstande erklären. Sie p1c_455.020 geht also in das Wunderbare über. Diese allgemeine p1c_455.021 ideale Weltgeschichte, welche die Begebenheiten p1c_455.022 der Erscheinungswelt in der Zeit unter göttlicher p1c_455.023 Leitung darstellt, ist nur durch eine religiöse p1c_455.024 Ansicht möglich. Sie ist keine menschliche Ge=

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/513>, abgerufen am 27.04.2024.