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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Ein merkwürdiges Buch, durchaus im Geiste der beiden west-
europäischen Autoren und des Revolutionszeitalters. Reizvoll
zu lesen für die Gegenwart und im Angesichte der heutigen
deutschen Frauenbewegung, wenn auch der Reiz sich auf den
Jnhalt beschränkt und die Form des Reizes entbehren mag.
Gerade so wie die Zeitgenossen vor den kühnsten Consequenzen
nicht zurückschreckend, keinen Gegensatz bemerken lassend zwischen
den Erlebnissen in der staatlichen Cultur des Westens und der
Wirklichkeit des östlichen Gemeinwesens - und eben dieses so
recht im Sinne der Zeit. Jm Einzelnen Vieles, was hellen
Lebensverstand zeigt, ja was seine Anerkennung von den That-
sachen unterdessen erzwungen hat oder was eben jetzt durch die
Bewegung mit guten Aussichten gefordert wird.

Dabei ist das Buch Hippel's, mit den anderen verglichen,
das inhaltreichste und vielseitigste. Denn Condorcet hat seine
Aufgabe beschränkt auf die Folgerichtigkeit der politischen Gleich-
berechtigung durch den Unterschied des Geschlechts hindurch, und
hat sie gelöst in kurzen Journalartikeln. Mary Wollstonecraft
schreibt wohl ein Buch wie Hippel, von ähnlichem Umfange;
aber es ist ein turbulenter Protest mit ewigen Wiederholungen.
Hippel plaudert und erzählt mit breitem Humor Erlebtes, und
noch viel mehr Erlesenes, dessen Bunterlei an Jean Paul er-
innert, nicht sonderlich geordnet oder methodisch, aber doch in
einer Weise, daß er das Ganze der Frage erschöpft.

Von einer Untersuchung darüber, ob es neben dem Unter-
schiede des Geschlechts noch andere Unterschiede zwischen Mann
und Weib gebe, geht Hippel zu einer geschichtlichen Betrachtung
älterer und neuerer Zeiten über, um festzustellen, woher die

daher beschränke man sich zunächst auf die Herausgabe der erheblichen
Verbesserungen, die der Verfasser beabsichtigt habe.

Ein merkwürdiges Buch, durchaus im Geiste der beiden west-
europäischen Autoren und des Revolutionszeitalters. Reizvoll
zu lesen für die Gegenwart und im Angesichte der heutigen
deutschen Frauenbewegung, wenn auch der Reiz sich auf den
Jnhalt beschränkt und die Form des Reizes entbehren mag.
Gerade so wie die Zeitgenossen vor den kühnsten Consequenzen
nicht zurückschreckend, keinen Gegensatz bemerken lassend zwischen
den Erlebnissen in der staatlichen Cultur des Westens und der
Wirklichkeit des östlichen Gemeinwesens – und eben dieses so
recht im Sinne der Zeit. Jm Einzelnen Vieles, was hellen
Lebensverstand zeigt, ja was seine Anerkennung von den That-
sachen unterdessen erzwungen hat oder was eben jetzt durch die
Bewegung mit guten Aussichten gefordert wird.

Dabei ist das Buch Hippel's, mit den anderen verglichen,
das inhaltreichste und vielseitigste. Denn Condorcet hat seine
Aufgabe beschränkt auf die Folgerichtigkeit der politischen Gleich-
berechtigung durch den Unterschied des Geschlechts hindurch, und
hat sie gelöst in kurzen Journalartikeln. Mary Wollstonecraft
schreibt wohl ein Buch wie Hippel, von ähnlichem Umfange;
aber es ist ein turbulenter Protest mit ewigen Wiederholungen.
Hippel plaudert und erzählt mit breitem Humor Erlebtes, und
noch viel mehr Erlesenes, dessen Bunterlei an Jean Paul er-
innert, nicht sonderlich geordnet oder methodisch, aber doch in
einer Weise, daß er das Ganze der Frage erschöpft.

Von einer Untersuchung darüber, ob es neben dem Unter-
schiede des Geschlechts noch andere Unterschiede zwischen Mann
und Weib gebe, geht Hippel zu einer geschichtlichen Betrachtung
älterer und neuerer Zeiten über, um festzustellen, woher die

daher beschränke man sich zunächst auf die Herausgabe der erheblichen
Verbesserungen, die der Verfasser beabsichtigt habe.
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[95/0111] Ein merkwürdiges Buch, durchaus im Geiste der beiden west- europäischen Autoren und des Revolutionszeitalters. Reizvoll zu lesen für die Gegenwart und im Angesichte der heutigen deutschen Frauenbewegung, wenn auch der Reiz sich auf den Jnhalt beschränkt und die Form des Reizes entbehren mag. Gerade so wie die Zeitgenossen vor den kühnsten Consequenzen nicht zurückschreckend, keinen Gegensatz bemerken lassend zwischen den Erlebnissen in der staatlichen Cultur des Westens und der Wirklichkeit des östlichen Gemeinwesens – und eben dieses so recht im Sinne der Zeit. Jm Einzelnen Vieles, was hellen Lebensverstand zeigt, ja was seine Anerkennung von den That- sachen unterdessen erzwungen hat oder was eben jetzt durch die Bewegung mit guten Aussichten gefordert wird. Dabei ist das Buch Hippel's, mit den anderen verglichen, das inhaltreichste und vielseitigste. Denn Condorcet hat seine Aufgabe beschränkt auf die Folgerichtigkeit der politischen Gleich- berechtigung durch den Unterschied des Geschlechts hindurch, und hat sie gelöst in kurzen Journalartikeln. Mary Wollstonecraft schreibt wohl ein Buch wie Hippel, von ähnlichem Umfange; aber es ist ein turbulenter Protest mit ewigen Wiederholungen. Hippel plaudert und erzählt mit breitem Humor Erlebtes, und noch viel mehr Erlesenes, dessen Bunterlei an Jean Paul er- innert, nicht sonderlich geordnet oder methodisch, aber doch in einer Weise, daß er das Ganze der Frage erschöpft. Von einer Untersuchung darüber, ob es neben dem Unter- schiede des Geschlechts noch andere Unterschiede zwischen Mann und Weib gebe, geht Hippel zu einer geschichtlichen Betrachtung älterer und neuerer Zeiten über, um festzustellen, woher die *) *) daher beschränke man sich zunächst auf die Herausgabe der erheblichen Verbesserungen, die der Verfasser beabsichtigt habe.

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/111>, abgerufen am 28.04.2024.