[M]ensch imponirte diese Theilnahmlosigkeit immerhin [ei]n Wenig. Und sie imponirte ihm vor allem darum, [w]eil seine eigene, sehr nervöse und unruhige Natur [si]ch von Jedwedem in Anspruch nehmen ließ, was auf [si]e eindrängte, auf Alles eingehen mußte, was um [si]e herum athmete, lebte und sprach.
Nun fiel es ihm gerade ein, sich der Dame einmal b[e]merklich zu machen. Er ging hart an ihr vorüber, s[a]h sie scharf von der Seite an und schritt ihr d[a]nn voraus. Jetzt blieb er vor dem Schaufenster [ei]nes großen Delicatessengeschäftes stehen und wandte si[ch] auffällig um, als er annehmen konnte, daß F[r]äulein Irmer in seiner Nähe war. Er fixirte si[e] scharf und suchte ihr Auge festzuhalten. Die [D]ame streifte ihn mit einem kurzen Blicke und sah d[a]nn über ihn hinweg. Das ärgerte den Herrn [D]octor ein Wenig. Er hielt sich jetzt in ihrer [int]imen Nähe und folgte ihr dicht auf den Sohlen. F[r]äulein Irmer wurde augenscheinlich unruhig. D[e]r Kopf senkte sich und drehte sich in kurzen, h[a]rten Bewegungen, bald nach links, bald nach re[ch]ts. Sie hatte begonnen, von ihrem Begleiter N[o]tiz zu nehmen.
Die Dämmerung wuchs. Die Schatten der au[s]einanderquellenden Nacht fielen dichter und dunk- le[r.] Jetzt flammten die ersten Laternen auf.
Eine Buchhandlung lag am Wege. Fräulein I[r]mer trat in den Laden, Adam Mensch folgte ihr nach ein[i]gen Secunden. Er hörte, wie sich die Dame mit et[w]as belegt-ausgefranster Stimme Eugen Dühring's
[M]enſch imponirte dieſe Theilnahmloſigkeit immerhin [ei]n Wenig. Und ſie imponirte ihm vor allem darum, [w]eil ſeine eigene, ſehr nervöſe und unruhige Natur [ſi]ch von Jedwedem in Anſpruch nehmen ließ, was auf [ſi]e eindrängte, auf Alles eingehen mußte, was um [ſi]e herum athmete, lebte und ſprach.
Nun fiel es ihm gerade ein, ſich der Dame einmal b[e]merklich zu machen. Er ging hart an ihr vorüber, ſ[a]h ſie ſcharf von der Seite an und ſchritt ihr d[a]nn voraus. Jetzt blieb er vor dem Schaufenſter [ei]nes großen Delicateſſengeſchäftes ſtehen und wandte ſi[ch] auffällig um, als er annehmen konnte, daß F[r]äulein Irmer in ſeiner Nähe war. Er fixirte ſi[e] ſcharf und ſuchte ihr Auge feſtzuhalten. Die [D]ame ſtreifte ihn mit einem kurzen Blicke und ſah d[a]nn über ihn hinweg. Das ärgerte den Herrn [D]octor ein Wenig. Er hielt ſich jetzt in ihrer [int]imen Nähe und folgte ihr dicht auf den Sohlen. F[r]äulein Irmer wurde augenſcheinlich unruhig. D[e]r Kopf ſenkte ſich und drehte ſich in kurzen, h[a]rten Bewegungen, bald nach links, bald nach re[ch]ts. Sie hatte begonnen, von ihrem Begleiter N[o]tiz zu nehmen.
Die Dämmerung wuchs. Die Schatten der au[s]einanderquellenden Nacht fielen dichter und dunk- le[r.] Jetzt flammten die erſten Laternen auf.
Eine Buchhandlung lag am Wege. Fräulein I[r]mer trat in den Laden, Adam Menſch folgte ihr nach ein[i]gen Secunden. Er hörte, wie ſich die Dame mit et[w]as belegt-ausgefranſter Stimme Eugen Dühring's
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[5/0013]
Menſch imponirte dieſe Theilnahmloſigkeit immerhin
ein Wenig. Und ſie imponirte ihm vor allem darum,
weil ſeine eigene, ſehr nervöſe und unruhige Natur
ſich von Jedwedem in Anſpruch nehmen ließ, was auf
ſie eindrängte, auf Alles eingehen mußte, was um
ſie herum athmete, lebte und ſprach.
Nun fiel es ihm gerade ein, ſich der Dame einmal
bemerklich zu machen. Er ging hart an ihr vorüber,
ſah ſie ſcharf von der Seite an und ſchritt ihr
dann voraus. Jetzt blieb er vor dem Schaufenſter
eines großen Delicateſſengeſchäftes ſtehen und wandte
ſich auffällig um, als er annehmen konnte, daß
Fräulein Irmer in ſeiner Nähe war. Er fixirte
ſie ſcharf und ſuchte ihr Auge feſtzuhalten. Die
Dame ſtreifte ihn mit einem kurzen Blicke und ſah
dann über ihn hinweg. Das ärgerte den Herrn
Doctor ein Wenig. Er hielt ſich jetzt in ihrer
intimen Nähe und folgte ihr dicht auf den Sohlen.
Fräulein Irmer wurde augenſcheinlich unruhig.
Der Kopf ſenkte ſich und drehte ſich in kurzen,
harten Bewegungen, bald nach links, bald nach
rechts. Sie hatte begonnen, von ihrem Begleiter
Notiz zu nehmen.
Die Dämmerung wuchs. Die Schatten der
auseinanderquellenden Nacht fielen dichter und dunk-
ler. Jetzt flammten die erſten Laternen auf.
Eine Buchhandlung lag am Wege. Fräulein
Irmer trat in den Laden, Adam Menſch folgte ihr nach
einigen Secunden. Er hörte, wie ſich die Dame mit
etwas belegt-ausgefranſter Stimme Eugen Dühring's
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/13>, abgerufen am 15.10.2024.
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