Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Adam suchte nach einem unbesetzten Tische. Er
suchte vergebens. Da kam der Zahlkellner auf ihn
zugelaufen, nahm ihm Hut und Ueberzieher ab und
machte ihn in seiner souverän-zudringlichen, gleich-
gültig-interessirten Art auf einige leere Stühle
aufmerksam. Schließlich ließ sich Adam an einem
kleinen, runden, so ziemlich in der Mitte des Cafes
stehenden Tische nieder, an dem schon ein Herr und
eine Dame saßen. Die Dame hatte Adam nun links
neben sich, den Herrn sich gegenüber. Er betrachtete
seine Nachbarn.

Aber jetzt tauchte vorerst ein Kellner auf.

"Was darf ich bringen? .."

"Einen Absynth und 'n paar Cigaretten --"

So gut wie Deine Sorte, geliebte Lydia, mo-
nologisirte Adam leise, werden sie wohl nicht sein ...
aber Feuer zu fangen ... hm! .. dazu wird man
sie wohl auch noch bewegen können --

Das kleine Weib hat ein verdammt hübsches
Profil, constatirte der Herr Doctor jetzt mit großer
Befriedigung. Und Er dagegen! Stutzerhaft elegant,
sehr patent, sehr rasirt und tadellos frisirt. Aber
wie dumm, wie ausgefahren war dieses Gesicht!
Der liebe Gott mußte schlechterdings gerade am
Asthma gelitten haben, als er diesem Menschen da
seinen Odem in die Nase blies. Aber was so'n
Fatzke für Glück hat! Das Mädel war wirklich sehr
appetitlich. Die zollschmale, im Gaslicht discret
mattroth aufschimmernde, entzückend abgerundete
Fleischspanne am rechten Unterarm zwischen dem

Adam ſuchte nach einem unbeſetzten Tiſche. Er
ſuchte vergebens. Da kam der Zahlkellner auf ihn
zugelaufen, nahm ihm Hut und Ueberzieher ab und
machte ihn in ſeiner ſouverän-zudringlichen, gleich-
gültig-intereſſirten Art auf einige leere Stühle
aufmerkſam. Schließlich ließ ſich Adam an einem
kleinen, runden, ſo ziemlich in der Mitte des Cafés
ſtehenden Tiſche nieder, an dem ſchon ein Herr und
eine Dame ſaßen. Die Dame hatte Adam nun links
neben ſich, den Herrn ſich gegenüber. Er betrachtete
ſeine Nachbarn.

Aber jetzt tauchte vorerſt ein Kellner auf.

„Was darf ich bringen? ..“

„Einen Abſynth und 'n paar Cigaretten —“

So gut wie Deine Sorte, geliebte Lydia, mo-
nologiſirte Adam leiſe, werden ſie wohl nicht ſein ...
aber Feuer zu fangen ... hm! .. dazu wird man
ſie wohl auch noch bewegen können —

Das kleine Weib hat ein verdammt hübſches
Profil, conſtatirte der Herr Doctor jetzt mit großer
Befriedigung. Und Er dagegen! Stutzerhaft elegant,
ſehr patent, ſehr raſirt und tadellos friſirt. Aber
wie dumm, wie ausgefahren war dieſes Geſicht!
Der liebe Gott mußte ſchlechterdings gerade am
Aſthma gelitten haben, als er dieſem Menſchen da
ſeinen Odem in die Naſe blies. Aber was ſo'n
Fatzke für Glück hat! Das Mädel war wirklich ſehr
appetitlich. Die zollſchmale, im Gaslicht discret
mattroth aufſchimmernde, entzückend abgerundete
Fleiſchſpanne am rechten Unterarm zwiſchen dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="167"/>
Adam &#x017F;uchte nach einem unbe&#x017F;etzten Ti&#x017F;che. Er<lb/>
&#x017F;uchte vergebens. Da kam der Zahlkellner auf ihn<lb/>
zugelaufen, nahm ihm Hut und Ueberzieher ab und<lb/>
machte ihn in &#x017F;einer &#x017F;ouverän-zudringlichen, gleich-<lb/>
gültig-intere&#x017F;&#x017F;irten Art auf einige leere Stühle<lb/>
aufmerk&#x017F;am. Schließlich ließ &#x017F;ich Adam an einem<lb/>
kleinen, runden, &#x017F;o ziemlich in der Mitte des Caf<hi rendition="#aq">é</hi>s<lb/>
&#x017F;tehenden Ti&#x017F;che nieder, an dem &#x017F;chon ein Herr und<lb/>
eine Dame &#x017F;aßen. Die Dame hatte Adam nun links<lb/>
neben &#x017F;ich, den Herrn &#x017F;ich gegenüber. Er betrachtete<lb/>
&#x017F;eine Nachbarn.</p><lb/>
        <p>Aber jetzt tauchte vorer&#x017F;t ein Kellner auf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was darf ich bringen? ..&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einen Ab&#x017F;ynth und 'n paar Cigaretten &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>So gut wie Deine Sorte, geliebte Lydia, mo-<lb/>
nologi&#x017F;irte Adam lei&#x017F;e, werden &#x017F;ie wohl nicht &#x017F;ein ...<lb/>
aber Feuer zu fangen ... hm! .. dazu wird man<lb/>
&#x017F;ie wohl auch noch bewegen können &#x2014;</p><lb/>
        <p>Das kleine Weib hat ein verdammt hüb&#x017F;ches<lb/>
Profil, con&#x017F;tatirte der Herr Doctor jetzt mit großer<lb/>
Befriedigung. Und Er dagegen! Stutzerhaft elegant,<lb/>
&#x017F;ehr patent, &#x017F;ehr ra&#x017F;irt und tadellos fri&#x017F;irt. Aber<lb/>
wie dumm, wie ausgefahren war die&#x017F;es Ge&#x017F;icht!<lb/>
Der liebe Gott mußte &#x017F;chlechterdings gerade am<lb/>
A&#x017F;thma gelitten haben, als er die&#x017F;em Men&#x017F;chen da<lb/>
&#x017F;einen Odem in die Na&#x017F;e blies. Aber was &#x017F;o'n<lb/>
Fatzke für Glück hat! Das Mädel war wirklich &#x017F;ehr<lb/>
appetitlich. Die zoll&#x017F;chmale, im Gaslicht discret<lb/>
mattroth auf&#x017F;chimmernde, entzückend abgerundete<lb/>
Flei&#x017F;ch&#x017F;panne am rechten Unterarm zwi&#x017F;chen dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0175] Adam ſuchte nach einem unbeſetzten Tiſche. Er ſuchte vergebens. Da kam der Zahlkellner auf ihn zugelaufen, nahm ihm Hut und Ueberzieher ab und machte ihn in ſeiner ſouverän-zudringlichen, gleich- gültig-intereſſirten Art auf einige leere Stühle aufmerkſam. Schließlich ließ ſich Adam an einem kleinen, runden, ſo ziemlich in der Mitte des Cafés ſtehenden Tiſche nieder, an dem ſchon ein Herr und eine Dame ſaßen. Die Dame hatte Adam nun links neben ſich, den Herrn ſich gegenüber. Er betrachtete ſeine Nachbarn. Aber jetzt tauchte vorerſt ein Kellner auf. „Was darf ich bringen? ..“ „Einen Abſynth und 'n paar Cigaretten —“ So gut wie Deine Sorte, geliebte Lydia, mo- nologiſirte Adam leiſe, werden ſie wohl nicht ſein ... aber Feuer zu fangen ... hm! .. dazu wird man ſie wohl auch noch bewegen können — Das kleine Weib hat ein verdammt hübſches Profil, conſtatirte der Herr Doctor jetzt mit großer Befriedigung. Und Er dagegen! Stutzerhaft elegant, ſehr patent, ſehr raſirt und tadellos friſirt. Aber wie dumm, wie ausgefahren war dieſes Geſicht! Der liebe Gott mußte ſchlechterdings gerade am Aſthma gelitten haben, als er dieſem Menſchen da ſeinen Odem in die Naſe blies. Aber was ſo'n Fatzke für Glück hat! Das Mädel war wirklich ſehr appetitlich. Die zollſchmale, im Gaslicht discret mattroth aufſchimmernde, entzückend abgerundete Fleiſchſpanne am rechten Unterarm zwiſchen dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/175
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/175>, abgerufen am 30.04.2024.