Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die Idee des Königthums. von Staaten, welche als Anhängsel genußsüchtiger Höfe be¬trachtet wurden, stellte er seine ganze Person in den Dienst des Staats und übernahm aus eigenem Entschlusse die Last einer ungeheuern Arbeit; denn der Staat, dem er sich weihte, mußte erst geschaffen, ja die Idee des Staats erst wieder ge¬ weckt werden. Waren doch damals die besten Deutschen, auch Lessing und Winckelmann, vaterlandslose Menschen! Man hatte sich der Dienstleistung für das Gemeinwesen ganz entwöhnt und kannte kein höheres Lebensglück als ein ungestörtes Ge¬ nießen, das Jeder nach seiner Weise auffaßte. Eine solche Zeit war es, in der Friedrich den Staat wiederum in den Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stellte und anstatt kleinbürgerlicher Behaglichkeit die Arbeit am öffentlichen Leben als den Zweck unsers Daseins angesehen wissen wollte. Bei der unbedingten Ueberlegenheit seines Geistes, bei Er hat seiner Ueberzeugung ein eigenthümliches Gepräge Die Idee des Königthums. von Staaten, welche als Anhängſel genußſüchtiger Höfe be¬trachtet wurden, ſtellte er ſeine ganze Perſon in den Dienſt des Staats und übernahm aus eigenem Entſchluſſe die Laſt einer ungeheuern Arbeit; denn der Staat, dem er ſich weihte, mußte erſt geſchaffen, ja die Idee des Staats erſt wieder ge¬ weckt werden. Waren doch damals die beſten Deutſchen, auch Leſſing und Winckelmann, vaterlandsloſe Menſchen! Man hatte ſich der Dienſtleiſtung für das Gemeinweſen ganz entwöhnt und kannte kein höheres Lebensglück als ein ungeſtörtes Ge¬ nießen, das Jeder nach ſeiner Weiſe auffaßte. Eine ſolche Zeit war es, in der Friedrich den Staat wiederum in den Mittelpunkt unſeres Denkens und Handelns ſtellte und anſtatt kleinbürgerlicher Behaglichkeit die Arbeit am öffentlichen Leben als den Zweck unſers Daſeins angeſehen wiſſen wollte. Bei der unbedingten Ueberlegenheit ſeines Geiſtes, bei Er hat ſeiner Ueberzeugung ein eigenthümliches Gepräge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0382" n="366"/><fw place="top" type="header">Die Idee des Königthums.<lb/></fw> von Staaten, welche als Anhängſel genußſüchtiger Höfe be¬<lb/> trachtet wurden, ſtellte er ſeine ganze Perſon in den Dienſt<lb/> des Staats und übernahm aus eigenem Entſchluſſe die Laſt<lb/> einer ungeheuern Arbeit; denn der Staat, dem er ſich weihte,<lb/> mußte erſt geſchaffen, ja die Idee des Staats erſt wieder ge¬<lb/> weckt werden. Waren doch damals die beſten Deutſchen, auch<lb/> Leſſing und Winckelmann, vaterlandsloſe Menſchen! Man hatte<lb/> ſich der Dienſtleiſtung für das Gemeinweſen ganz entwöhnt<lb/> und kannte kein höheres Lebensglück als ein ungeſtörtes Ge¬<lb/> nießen, das Jeder nach ſeiner Weiſe auffaßte. Eine ſolche<lb/> Zeit war es, in der Friedrich den Staat wiederum in den<lb/> Mittelpunkt unſeres Denkens und Handelns ſtellte und anſtatt<lb/> kleinbürgerlicher Behaglichkeit die Arbeit am öffentlichen Leben<lb/> als den Zweck unſers Daſeins angeſehen wiſſen wollte.</p><lb/> <p>Bei der unbedingten Ueberlegenheit ſeines Geiſtes, bei<lb/> ſeiner alles Große und Kleine umfaſſenden Regententhätigkeit<lb/> hatte er mehr Recht als irgend ein Fürſt des achtzehnten Jahr¬<lb/> hunderts zu ſagen: der Staat ruht auf mir, ich bin der Staat!<lb/> Aber gerade in dieſem Punkt hat er von dem Einfluſſe roma¬<lb/> niſcher Civiliſation am entſchiedenſten ſich losgemacht, nicht<lb/> in der Theorie vom Staate, in welcher er Rouſſeau folgte,<lb/> aber in ſeinem Handeln, indem er, von dem Zuge eines edlen<lb/> und reinen Wollens ſicher geleitet, dieſelbe Ueberzeugung be¬<lb/> währte, welche die Weiſen des Alterthums gelehrt hatten, daß<lb/> der Staat das Urſprüngliche und Ganze ſei, dem der Einzelne<lb/> als Theil und Glied ſich ein- und unterzuordnen habe, und<lb/> in der That war er bereit, wie der alte König von Athen,<lb/> jeden Augenblick ſein Leben für das Vaterland als Opfer hin¬<lb/> zugeben.</p><lb/> <p>Er hat ſeiner Ueberzeugung ein eigenthümliches Gepräge<lb/> gegeben, indem er mit dem ritterlichen Sinne, den das Alter¬<lb/> thum nicht kannte, das »ich dien« als Wahlſpruch auf ſeinen<lb/> Königsſchild ſchrieb und im Sinne des Chriſtenthums, deſſen<lb/> Lehre ihm für das menſchliche Zuſammenleben als höchſte<lb/> Richtſchnur galt, der Anſicht war, daß der, welcher der Größeſte<lb/> unter den Seinen ſein wolle, der Dienende ſein müſſe.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [366/0382]
Die Idee des Königthums.
von Staaten, welche als Anhängſel genußſüchtiger Höfe be¬
trachtet wurden, ſtellte er ſeine ganze Perſon in den Dienſt
des Staats und übernahm aus eigenem Entſchluſſe die Laſt
einer ungeheuern Arbeit; denn der Staat, dem er ſich weihte,
mußte erſt geſchaffen, ja die Idee des Staats erſt wieder ge¬
weckt werden. Waren doch damals die beſten Deutſchen, auch
Leſſing und Winckelmann, vaterlandsloſe Menſchen! Man hatte
ſich der Dienſtleiſtung für das Gemeinweſen ganz entwöhnt
und kannte kein höheres Lebensglück als ein ungeſtörtes Ge¬
nießen, das Jeder nach ſeiner Weiſe auffaßte. Eine ſolche
Zeit war es, in der Friedrich den Staat wiederum in den
Mittelpunkt unſeres Denkens und Handelns ſtellte und anſtatt
kleinbürgerlicher Behaglichkeit die Arbeit am öffentlichen Leben
als den Zweck unſers Daſeins angeſehen wiſſen wollte.
Bei der unbedingten Ueberlegenheit ſeines Geiſtes, bei
ſeiner alles Große und Kleine umfaſſenden Regententhätigkeit
hatte er mehr Recht als irgend ein Fürſt des achtzehnten Jahr¬
hunderts zu ſagen: der Staat ruht auf mir, ich bin der Staat!
Aber gerade in dieſem Punkt hat er von dem Einfluſſe roma¬
niſcher Civiliſation am entſchiedenſten ſich losgemacht, nicht
in der Theorie vom Staate, in welcher er Rouſſeau folgte,
aber in ſeinem Handeln, indem er, von dem Zuge eines edlen
und reinen Wollens ſicher geleitet, dieſelbe Ueberzeugung be¬
währte, welche die Weiſen des Alterthums gelehrt hatten, daß
der Staat das Urſprüngliche und Ganze ſei, dem der Einzelne
als Theil und Glied ſich ein- und unterzuordnen habe, und
in der That war er bereit, wie der alte König von Athen,
jeden Augenblick ſein Leben für das Vaterland als Opfer hin¬
zugeben.
Er hat ſeiner Ueberzeugung ein eigenthümliches Gepräge
gegeben, indem er mit dem ritterlichen Sinne, den das Alter¬
thum nicht kannte, das »ich dien« als Wahlſpruch auf ſeinen
Königsſchild ſchrieb und im Sinne des Chriſtenthums, deſſen
Lehre ihm für das menſchliche Zuſammenleben als höchſte
Richtſchnur galt, der Anſicht war, daß der, welcher der Größeſte
unter den Seinen ſein wolle, der Dienende ſein müſſe.
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