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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera spathulata. Cap. 12.
erheben sich von einer beinahe holzigen Achse, und ihre gröszte Eigen-
thümlichkeit besteht in ihren blättrigen grünen Stielen, welche beinahe
so breit und selbst noch länger sind als die drüsentragende Scheibe.
Diese Species zieht daher wahrscheinlich mehr Nahrung aus der Luft und
weniger aus gefangenen Insecten als die anderen Arten der Gattung.
Nichtsdestoweniger sind doch die Tentakeln auf der Scheibe zusammen-
gedrängt und sind äuszerst zahlreich, die an den Rändern sind viel länger
als die mittleren. Alle Drüsen haben eine und dieselbe Form; ihr Secret
ist äuszerst klebrig und sauer.

Das Exemplar, welches ich untersuchte, hatte sich soeben erst von
einem schwachen Gesundheitszustande erholt. Dies dürfte es erklären,
dasz die Tentakeln sich sehr langsam bewegten, wenn Stückchen Fleisch
auf die Drüsen gelegt wurden, und vielleicht auch die Thatsache, dasz
es mir niemals gelang, irgend eine Bewegung durch wiederholte Berührung
derselben mit einer Nadel zu verursachen. Aber bei allen Arten der
Gattung ist dies letztere Reizmittel das wenigst wirksamste von allen.
Stückchen von Glas, Kork, Kohlenasche wurden auf die Drüsen von sechs
Tentakeln gebracht; und einer allein bewegte sich nach Verlauf von
2 Stunden 30 Minuten. Trotzdem aber waren zwei Drüsen äuszerst em-
pfindlich gegen sehr kleine Dosen von salpetersaurem Ammoniak, nämlich
gegen ungefähr Minim einer Lösung (ein Theil auf 5250 Theile
Wasser), welches nur Gran (0,000562 Milligr.) des Salzes ent-
hielt. Fragmente von Fliegen wurden auf zwei Blätter in die Nähe ihrer
Spitzen gelegt; in wenig Stunden umfaszten sie die Tentakeln auf jeder
Seite, und in 8 Stunden war das ganze Blatt direct unterhalb der Fliege
ein wenig quer gebogen. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden, war
das Blatt so vollständig eingerollt, dasz die Spitze auf dem oberen Ende
des Stieles lag. In keinem Falle wurden die Seiten des Blattes einge-
bogen. Eine zerquetschte Fliege wurde auf den blattartigen Stiel gelegt,
brachte aber keine Wirkung hervor.

Drosera spathulata (von Dr. Hooker mir geschickt). -- Ich habe
nur einige wenige Beobachtungen über diese australische Art gemacht,
welche lange, schmale, sich allmählich nach der Spitze zu verbreiternde
Blätter hat. Die Drüsen der äuszersten randständigen Tentakeln sind
verlängert und weichen von den übrigen ab, wie es bei Drosera rotundi-
folia
der Fall ist. Eine Fliege wurde auf ein Blatt gelegt, und in
18 Stunden war sie von den angrenzenden Tentakeln umfaszt. Gummi-
wasser auf mehrere Blätter getropft, brachte keine Wirkung hervor. Ein
Bruchstück eines Blattes wurde in einige Tropfen einer Lösung von einem
Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser eingetaucht; alle
Drüsen waren augenblicklich geschwärzt; man konnte sehen, wie der Pro-
cesz der Zusammenballung sehr schnell die Zellen der Tentakeln hinab-
gieng; die Protoplasma-Körnchen vereinigten sich bald zu Kugeln und
verschieden geformten Massen, welche die gewöhnlichen Bewegungen dar-
boten. Ein halbes Minim einer Lösung von einem Theil salpetersauren
Ammoniaks auf 146 Theile Wasser wurde dann auf die Mitte eines Blat-
tes gebracht; nach 6 Stunden waren einige randständige Tentakeln auf
beiden Seiten eingebogen, und nach 9 Stunden trafen sie sich in der
Mitte. Auch die seitlichen Ränder des Blattes wurden einwärts gekrümmt,

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erheben sich von einer beinahe holzigen Achse, und ihre gröszte Eigen-
thümlichkeit besteht in ihren blättrigen grünen Stielen, welche beinahe
so breit und selbst noch länger sind als die drüsentragende Scheibe.
Diese Species zieht daher wahrscheinlich mehr Nahrung aus der Luft und
weniger aus gefangenen Insecten als die anderen Arten der Gattung.
Nichtsdestoweniger sind doch die Tentakeln auf der Scheibe zusammen-
gedrängt und sind äuszerst zahlreich, die an den Rändern sind viel länger
als die mittleren. Alle Drüsen haben eine und dieselbe Form; ihr Secret
ist äuszerst klebrig und sauer.

Das Exemplar, welches ich untersuchte, hatte sich soeben erst von
einem schwachen Gesundheitszustande erholt. Dies dürfte es erklären,
dasz die Tentakeln sich sehr langsam bewegten, wenn Stückchen Fleisch
auf die Drüsen gelegt wurden, und vielleicht auch die Thatsache, dasz
es mir niemals gelang, irgend eine Bewegung durch wiederholte Berührung
derselben mit einer Nadel zu verursachen. Aber bei allen Arten der
Gattung ist dies letztere Reizmittel das wenigst wirksamste von allen.
Stückchen von Glas, Kork, Kohlenasche wurden auf die Drüsen von sechs
Tentakeln gebracht; und einer allein bewegte sich nach Verlauf von
2 Stunden 30 Minuten. Trotzdem aber waren zwei Drüsen äuszerst em-
pfindlich gegen sehr kleine Dosen von salpetersaurem Ammoniak, nämlich
gegen ungefähr Minim einer Lösung (ein Theil auf 5250 Theile
Wasser), welches nur Gran (0,000562 Milligr.) des Salzes ent-
hielt. Fragmente von Fliegen wurden auf zwei Blätter in die Nähe ihrer
Spitzen gelegt; in wenig Stunden umfaszten sie die Tentakeln auf jeder
Seite, und in 8 Stunden war das ganze Blatt direct unterhalb der Fliege
ein wenig quer gebogen. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden, war
das Blatt so vollständig eingerollt, dasz die Spitze auf dem oberen Ende
des Stieles lag. In keinem Falle wurden die Seiten des Blattes einge-
bogen. Eine zerquetschte Fliege wurde auf den blattartigen Stiel gelegt,
brachte aber keine Wirkung hervor.

Drosera spathulata (von Dr. Hooker mir geschickt). — Ich habe
nur einige wenige Beobachtungen über diese australische Art gemacht,
welche lange, schmale, sich allmählich nach der Spitze zu verbreiternde
Blätter hat. Die Drüsen der äuszersten randständigen Tentakeln sind
verlängert und weichen von den übrigen ab, wie es bei Drosera rotundi-
folia
der Fall ist. Eine Fliege wurde auf ein Blatt gelegt, und in
18 Stunden war sie von den angrenzenden Tentakeln umfaszt. Gummi-
wasser auf mehrere Blätter getropft, brachte keine Wirkung hervor. Ein
Bruchstück eines Blattes wurde in einige Tropfen einer Lösung von einem
Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser eingetaucht; alle
Drüsen waren augenblicklich geschwärzt; man konnte sehen, wie der Pro-
cesz der Zusammenballung sehr schnell die Zellen der Tentakeln hinab-
gieng; die Protoplasma-Körnchen vereinigten sich bald zu Kugeln und
verschieden geformten Massen, welche die gewöhnlichen Bewegungen dar-
boten. Ein halbes Minim einer Lösung von einem Theil salpetersauren
Ammoniaks auf 146 Theile Wasser wurde dann auf die Mitte eines Blat-
tes gebracht; nach 6 Stunden waren einige randständige Tentakeln auf
beiden Seiten eingebogen, und nach 9 Stunden trafen sie sich in der
Mitte. Auch die seitlichen Ränder des Blattes wurden einwärts gekrümmt,

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[254/0268] Drosera spathulata. Cap. 12. erheben sich von einer beinahe holzigen Achse, und ihre gröszte Eigen- thümlichkeit besteht in ihren blättrigen grünen Stielen, welche beinahe so breit und selbst noch länger sind als die drüsentragende Scheibe. Diese Species zieht daher wahrscheinlich mehr Nahrung aus der Luft und weniger aus gefangenen Insecten als die anderen Arten der Gattung. Nichtsdestoweniger sind doch die Tentakeln auf der Scheibe zusammen- gedrängt und sind äuszerst zahlreich, die an den Rändern sind viel länger als die mittleren. Alle Drüsen haben eine und dieselbe Form; ihr Secret ist äuszerst klebrig und sauer. Das Exemplar, welches ich untersuchte, hatte sich soeben erst von einem schwachen Gesundheitszustande erholt. Dies dürfte es erklären, dasz die Tentakeln sich sehr langsam bewegten, wenn Stückchen Fleisch auf die Drüsen gelegt wurden, und vielleicht auch die Thatsache, dasz es mir niemals gelang, irgend eine Bewegung durch wiederholte Berührung derselben mit einer Nadel zu verursachen. Aber bei allen Arten der Gattung ist dies letztere Reizmittel das wenigst wirksamste von allen. Stückchen von Glas, Kork, Kohlenasche wurden auf die Drüsen von sechs Tentakeln gebracht; und einer allein bewegte sich nach Verlauf von 2 Stunden 30 Minuten. Trotzdem aber waren zwei Drüsen äuszerst em- pfindlich gegen sehr kleine Dosen von salpetersaurem Ammoniak, nämlich gegen ungefähr [FORMEL] Minim einer Lösung (ein Theil auf 5250 Theile Wasser), welches nur [FORMEL] Gran (0,000562 Milligr.) des Salzes ent- hielt. Fragmente von Fliegen wurden auf zwei Blätter in die Nähe ihrer Spitzen gelegt; in wenig Stunden umfaszten sie die Tentakeln auf jeder Seite, und in 8 Stunden war das ganze Blatt direct unterhalb der Fliege ein wenig quer gebogen. Am nächsten Morgen, nach 23 Stunden, war das Blatt so vollständig eingerollt, dasz die Spitze auf dem oberen Ende des Stieles lag. In keinem Falle wurden die Seiten des Blattes einge- bogen. Eine zerquetschte Fliege wurde auf den blattartigen Stiel gelegt, brachte aber keine Wirkung hervor. Drosera spathulata (von Dr. Hooker mir geschickt). — Ich habe nur einige wenige Beobachtungen über diese australische Art gemacht, welche lange, schmale, sich allmählich nach der Spitze zu verbreiternde Blätter hat. Die Drüsen der äuszersten randständigen Tentakeln sind verlängert und weichen von den übrigen ab, wie es bei Drosera rotundi- folia der Fall ist. Eine Fliege wurde auf ein Blatt gelegt, und in 18 Stunden war sie von den angrenzenden Tentakeln umfaszt. Gummi- wasser auf mehrere Blätter getropft, brachte keine Wirkung hervor. Ein Bruchstück eines Blattes wurde in einige Tropfen einer Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser eingetaucht; alle Drüsen waren augenblicklich geschwärzt; man konnte sehen, wie der Pro- cesz der Zusammenballung sehr schnell die Zellen der Tentakeln hinab- gieng; die Protoplasma-Körnchen vereinigten sich bald zu Kugeln und verschieden geformten Massen, welche die gewöhnlichen Bewegungen dar- boten. Ein halbes Minim einer Lösung von einem Theil salpetersauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser wurde dann auf die Mitte eines Blat- tes gebracht; nach 6 Stunden waren einige randständige Tentakeln auf beiden Seiten eingebogen, und nach 9 Stunden trafen sie sich in der Mitte. Auch die seitlichen Ränder des Blattes wurden einwärts gekrümmt,

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/268>, abgerufen am 29.04.2024.