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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Da er mir unterwegens erzählete, wie er von GOtt so wunderbarlich geführet, erhalten und zu einer Barbierstube gekommen und sie bezahlet, da er doch kein Geld, und ein armes Kind gewesen ec.

Bei diesem sagte er: hätte noch einen guten Freund, itzo in Augsburg, der ohnlängst an ihn geschrieben, auch vor ihn zu sorgen, wenn etwa eine Gelegenheit sich ereigenete. Wies mir auch den Brief. - Ich fragte: "Was ist es vor ein Mensch, verstehet er auch was?" - "Ja, sagte er, ist schon sechs Jahr aus der Lehr; hat auch hier bei Gardwichen gedienet; er kennt ihn wohl." - "Nun, sagte ich, ich habe eine Stieftochter, die ist fast mannbar, hat auch ihres Vaters Barbierstube, und ich will ihr noch hundert Thaler Geld mitgeben, ob ihr wohl nicht mehr, als fünfundsiebenzig Thaler Vaterteil zukombt. Das kann er ihme schreiben; ob's ihm anstehet; so kann er mir davon Versichrung machen."

In vierzehen Tagen war schon ein Brief von ihm da mit der größten Obligation und Danksagung. Bat: ich möchte doch auf seine Kosten seine künftige Liebste lassen abmalen, weil er solche niemaln gesehen. - Ich sagte der Mutter und Tochter nicht, zu was Ende solches geschahe. Aber der Maler, Herr Rode, der seine Kunst recht wohl hatte, und sie gegen die Augsburger Maler wollte sehen lassen und sie auf gut italienisch hatte machen wollen, war darauf verfallen, daß sie, wie eine Mohrin, mit großen Lippen worden war. Ich trug anfangs Bedenken, solches naus zu schicken. Aber weil es einmal dawar und die Sache keinen Verzug litte, that ich's. Zumal die Frau diese Barbierstube, wider meinen Willen, und da solche mir von Rechtswegen zugekommen, zum Verkauf gerichtlich anschlagen lassen, worauf Rolle, der Einnehmer, bereitest vor seinen Vetter fünfhundert Thaler geboten.

Als nun der Bräutigam, Johann Gabriel Schmidt

Da er mir unterwegens erzählete, wie er von GOtt so wunderbarlich geführet, erhalten und zu einer Barbierstube gekommen und sie bezahlet, da er doch kein Geld, und ein armes Kind gewesen ec.

Bei diesem sagte er: hätte noch einen guten Freund, itzo in Augsburg, der ohnlängst an ihn geschrieben, auch vor ihn zu sorgen, wenn etwa eine Gelegenheit sich ereigenete. Wies mir auch den Brief. – Ich fragte: „Was ist es vor ein Mensch, verstehet er auch was?“ – „Ja, sagte er, ist schon sechs Jahr aus der Lehr; hat auch hier bei Gardwichen gedienet; er kennt ihn wohl.“ – „Nun, sagte ich, ich habe eine Stieftochter, die ist fast mannbar, hat auch ihres Vaters Barbierstube, und ich will ihr noch hundert Thaler Geld mitgeben, ob ihr wohl nicht mehr, als fünfundsiebenzig Thaler Vaterteil zukombt. Das kann er ihme schreiben; ob’s ihm anstehet; so kann er mir davon Versichrung machen.“

In vierzehen Tagen war schon ein Brief von ihm da mit der größten Obligation und Danksagung. Bat: ich möchte doch auf seine Kosten seine künftige Liebste lassen abmalen, weil er solche niemaln gesehen. – Ich sagte der Mutter und Tochter nicht, zu was Ende solches geschahe. Aber der Maler, Herr Rode, der seine Kunst recht wohl hatte, und sie gegen die Augsburger Maler wollte sehen lassen und sie auf gut italienisch hatte machen wollen, war darauf verfallen, daß sie, wie eine Mohrin, mit großen Lippen worden war. Ich trug anfangs Bedenken, solches naus zu schicken. Aber weil es einmal dawar und die Sache keinen Verzug litte, that ich’s. Zumal die Frau diese Barbierstube, wider meinen Willen, und da solche mir von Rechtswegen zugekommen, zum Verkauf gerichtlich anschlagen lassen, worauf Rolle, der Einnehmer, bereitest vor seinen Vetter fünfhundert Thaler geboten.

Als nun der Bräutigam, Johann Gabriel Schmidt

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[0265] Da er mir unterwegens erzählete, wie er von GOtt so wunderbarlich geführet, erhalten und zu einer Barbierstube gekommen und sie bezahlet, da er doch kein Geld, und ein armes Kind gewesen ec. Bei diesem sagte er: hätte noch einen guten Freund, itzo in Augsburg, der ohnlängst an ihn geschrieben, auch vor ihn zu sorgen, wenn etwa eine Gelegenheit sich ereigenete. Wies mir auch den Brief. – Ich fragte: „Was ist es vor ein Mensch, verstehet er auch was?“ – „Ja, sagte er, ist schon sechs Jahr aus der Lehr; hat auch hier bei Gardwichen gedienet; er kennt ihn wohl.“ – „Nun, sagte ich, ich habe eine Stieftochter, die ist fast mannbar, hat auch ihres Vaters Barbierstube, und ich will ihr noch hundert Thaler Geld mitgeben, ob ihr wohl nicht mehr, als fünfundsiebenzig Thaler Vaterteil zukombt. Das kann er ihme schreiben; ob’s ihm anstehet; so kann er mir davon Versichrung machen.“ In vierzehen Tagen war schon ein Brief von ihm da mit der größten Obligation und Danksagung. Bat: ich möchte doch auf seine Kosten seine künftige Liebste lassen abmalen, weil er solche niemaln gesehen. – Ich sagte der Mutter und Tochter nicht, zu was Ende solches geschahe. Aber der Maler, Herr Rode, der seine Kunst recht wohl hatte, und sie gegen die Augsburger Maler wollte sehen lassen und sie auf gut italienisch hatte machen wollen, war darauf verfallen, daß sie, wie eine Mohrin, mit großen Lippen worden war. Ich trug anfangs Bedenken, solches naus zu schicken. Aber weil es einmal dawar und die Sache keinen Verzug litte, that ich’s. Zumal die Frau diese Barbierstube, wider meinen Willen, und da solche mir von Rechtswegen zugekommen, zum Verkauf gerichtlich anschlagen lassen, worauf Rolle, der Einnehmer, bereitest vor seinen Vetter fünfhundert Thaler geboten. Als nun der Bräutigam, Johann Gabriel Schmidt

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/265>, abgerufen am 30.04.2024.