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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Da war der Bauer froh und sagte zu mir: "Nun wollen wir uns erst was zu gute thun hier." - Allein ich sagte: "Hier ist nun nicht lange zu warten, spannet an. Wir wollen fort; denn der hinkende Bote möchte hinterher kommen!" - Als auch geschahe. Denn sie hatten uns in allen Wirtshäusern aufgesucht. Und wir waren fort! - Hier hieß es mit mir recht: "Was deines Ambtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz". Denn ich das größte Unglück davon hätte haben können.

Denn nach zwei Jahren kam des verstorbenen leiblicher Bruder, ein langer Soldat von Stettin, so unter hiesiges Regiment vertauscht worden. Selbiger fraget nach seines verstorbenen Bruders Erbe. Sie weisen selbigen aber von Erfurt zu mir und zum Bauer nach Passendorf. Der Bauer, als ein listiger Gast, wie rot Köpfe gemeiniglich, verträget sich mit dem Bruder, so gut er kann, beim Trunk; giebet ihm auch dreißig Thaler und beredet ihn, daß er muß mit ins Ambt gehen und sich lossagen, weil er sich mit seinem Bruder verglichen hätte. Verschweigen aber, daß sein völliges Erbe in guter Sub-Hypothek (wie ihm der Bruder versprochen, daß er's allezeit finden könnte, sonst aber im Soldaten-Stand drum kommen möchte) bestehen bleiben sollte.

NB. Darum nimmermehr einem zu raten: daß er sich in Gerichten, oder schriftlich von einer Sache lossagen, oder sich unterschreiben solle, wann er vorhero nicht gnugsam befriediget oder versichert ist.

Was geschicht unterdessen? - Stirbt der Bauer und seine Frau. Da der Soldat seine dreißig Thaler verzehret hat, kombt er wieder und will mehr holen. Des Bauers Sohn und Kinder wollen von nichts wissen. Der Soldat trotzet und pocht, wie sie pflegen. Des verstorbenen Erben rufen gleich die andern Bauern, welche

Da war der Bauer froh und sagte zu mir: „Nun wollen wir uns erst was zu gute thun hier.“ – Allein ich sagte: „Hier ist nun nicht lange zu warten, spannet an. Wir wollen fort; denn der hinkende Bote möchte hinterher kommen!“ – Als auch geschahe. Denn sie hatten uns in allen Wirtshäusern aufgesucht. Und wir waren fort! – Hier hieß es mit mir recht: „Was deines Ambtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz“. Denn ich das größte Unglück davon hätte haben können.

Denn nach zwei Jahren kam des verstorbenen leiblicher Bruder, ein langer Soldat von Stettin, so unter hiesiges Regiment vertauscht worden. Selbiger fraget nach seines verstorbenen Bruders Erbe. Sie weisen selbigen aber von Erfurt zu mir und zum Bauer nach Passendorf. Der Bauer, als ein listiger Gast, wie rot Köpfe gemeiniglich, verträget sich mit dem Bruder, so gut er kann, beim Trunk; giebet ihm auch dreißig Thaler und beredet ihn, daß er muß mit ins Ambt gehen und sich lossagen, weil er sich mit seinem Bruder verglichen hätte. Verschweigen aber, daß sein völliges Erbe in guter Sub-Hypothek (wie ihm der Bruder versprochen, daß er’s allezeit finden könnte, sonst aber im Soldaten-Stand drum kommen möchte) bestehen bleiben sollte.

NB. Darum nimmermehr einem zu raten: daß er sich in Gerichten, oder schriftlich von einer Sache lossagen, oder sich unterschreiben solle, wann er vorhero nicht gnugsam befriediget oder versichert ist.

Was geschicht unterdessen? – Stirbt der Bauer und seine Frau. Da der Soldat seine dreißig Thaler verzehret hat, kombt er wieder und will mehr holen. Des Bauers Sohn und Kinder wollen von nichts wissen. Der Soldat trotzet und pocht, wie sie pflegen. Des verstorbenen Erben rufen gleich die andern Bauern, welche

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[0298] Da war der Bauer froh und sagte zu mir: „Nun wollen wir uns erst was zu gute thun hier.“ – Allein ich sagte: „Hier ist nun nicht lange zu warten, spannet an. Wir wollen fort; denn der hinkende Bote möchte hinterher kommen!“ – Als auch geschahe. Denn sie hatten uns in allen Wirtshäusern aufgesucht. Und wir waren fort! – Hier hieß es mit mir recht: „Was deines Ambtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz“. Denn ich das größte Unglück davon hätte haben können. Denn nach zwei Jahren kam des verstorbenen leiblicher Bruder, ein langer Soldat von Stettin, so unter hiesiges Regiment vertauscht worden. Selbiger fraget nach seines verstorbenen Bruders Erbe. Sie weisen selbigen aber von Erfurt zu mir und zum Bauer nach Passendorf. Der Bauer, als ein listiger Gast, wie rot Köpfe gemeiniglich, verträget sich mit dem Bruder, so gut er kann, beim Trunk; giebet ihm auch dreißig Thaler und beredet ihn, daß er muß mit ins Ambt gehen und sich lossagen, weil er sich mit seinem Bruder verglichen hätte. Verschweigen aber, daß sein völliges Erbe in guter Sub-Hypothek (wie ihm der Bruder versprochen, daß er’s allezeit finden könnte, sonst aber im Soldaten-Stand drum kommen möchte) bestehen bleiben sollte. NB. Darum nimmermehr einem zu raten: daß er sich in Gerichten, oder schriftlich von einer Sache lossagen, oder sich unterschreiben solle, wann er vorhero nicht gnugsam befriediget oder versichert ist. Was geschicht unterdessen? – Stirbt der Bauer und seine Frau. Da der Soldat seine dreißig Thaler verzehret hat, kombt er wieder und will mehr holen. Des Bauers Sohn und Kinder wollen von nichts wissen. Der Soldat trotzet und pocht, wie sie pflegen. Des verstorbenen Erben rufen gleich die andern Bauern, welche

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/298>, abgerufen am 30.04.2024.