Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen, inconsequent und wider ihre Grundsätze
handelten. Leichtsinniger Spott dessen, was An-
dern ehrwürdig ist und mit ihrer Tugend und
Glückseeligkeit zusammenhängt, ist wider die Würde
jedes edeln und rechtschaffenen Mannes. Oft wur-
de derselbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg-
nung mancher ohne Verstand eifernder Gegner ge-
reitzt. Aber wahrscheinlich würde die Vernunftreli-
gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere
(herrschende wird sie nie heissen und seyn wollen)
Parthey ausmachen sollten, sich von aller Verfolgung
und Drückung rein erhalten, die wenigstens bis itzt
noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren
Mittheilung der Gottheit, einer ausschliessend
beseeligenden Wahrheit
, ihre vornehmste Stütze
hatten, und nur bey diesen Lehren consequent seyn
können.

Daß die Religion der Juden, wenn sie auch nicht
bis zur natürlichen sich reinigen sollte, doch wenig-
stens nach und nach sich so weit modificiren würde,
um alle nachtheilige Einflüsse auf bürgerliche Ver-
hältnisse zu verliehren, beweißt die Geschichte aller
Religionen, welche durch die äußere Lage, in denen sich
ihre Bekenner befanden und die Fortschritte der übri-
gen Cultur derselben, solche Umwandlungen erfah-

ren

Menſchen, inconſequent und wider ihre Grundſaͤtze
handelten. Leichtſinniger Spott deſſen, was An-
dern ehrwuͤrdig iſt und mit ihrer Tugend und
Gluͤckſeeligkeit zuſammenhaͤngt, iſt wider die Wuͤrde
jedes edeln und rechtſchaffenen Mannes. Oft wur-
de derſelbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg-
nung mancher ohne Verſtand eifernder Gegner ge-
reitzt. Aber wahrſcheinlich wuͤrde die Vernunftreli-
gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere
(herrſchende wird ſie nie heiſſen und ſeyn wollen)
Parthey ausmachen ſollten, ſich von aller Verfolgung
und Druͤckung rein erhalten, die wenigſtens bis itzt
noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren
Mittheilung der Gottheit, einer ausſchlieſſend
beſeeligenden Wahrheit
, ihre vornehmſte Stuͤtze
hatten, und nur bey dieſen Lehren conſequent ſeyn
koͤnnen.

Daß die Religion der Juden, wenn ſie auch nicht
bis zur natuͤrlichen ſich reinigen ſollte, doch wenig-
ſtens nach und nach ſich ſo weit modificiren wuͤrde,
um alle nachtheilige Einfluͤſſe auf buͤrgerliche Ver-
haͤltniſſe zu verliehren, beweißt die Geſchichte aller
Religionen, welche durch die aͤußere Lage, in denen ſich
ihre Bekenner befanden und die Fortſchritte der uͤbri-
gen Cultur derſelben, ſolche Umwandlungen erfah-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="187"/>
Men&#x017F;chen, incon&#x017F;equent und wider ihre Grund&#x017F;a&#x0364;tze<lb/>
handelten. Leicht&#x017F;inniger Spott de&#x017F;&#x017F;en, was An-<lb/>
dern ehrwu&#x0364;rdig i&#x017F;t und mit ihrer Tugend und<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngt, i&#x017F;t wider die Wu&#x0364;rde<lb/>
jedes edeln und recht&#x017F;chaffenen Mannes. Oft wur-<lb/>
de der&#x017F;elbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg-<lb/>
nung mancher ohne Ver&#x017F;tand eifernder Gegner ge-<lb/>
reitzt. Aber wahr&#x017F;cheinlich wu&#x0364;rde die Vernunftreli-<lb/>
gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere<lb/>
(<hi rendition="#fr">herr&#x017F;chende</hi> wird &#x017F;ie nie hei&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;eyn wollen)<lb/>
Parthey ausmachen &#x017F;ollten, &#x017F;ich von aller Verfolgung<lb/>
und Dru&#x0364;ckung rein erhalten, die wenig&#x017F;tens bis itzt<lb/>
noch immer an dem Glauben einer <hi rendition="#fr">unmittelbaren<lb/>
Mittheilung der Gottheit, einer aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;end<lb/>
be&#x017F;eeligenden Wahrheit</hi>, ihre vornehm&#x017F;te Stu&#x0364;tze<lb/>
hatten, und nur bey die&#x017F;en Lehren con&#x017F;equent &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Daß die Religion der Juden, wenn &#x017F;ie auch nicht<lb/>
bis zur natu&#x0364;rlichen &#x017F;ich reinigen &#x017F;ollte, doch wenig-<lb/>
&#x017F;tens nach und nach &#x017F;ich &#x017F;o weit modificiren wu&#x0364;rde,<lb/>
um alle nachtheilige Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e auf bu&#x0364;rgerliche Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu verliehren, beweißt die Ge&#x017F;chichte aller<lb/>
Religionen, welche durch die a&#x0364;ußere Lage, in denen &#x017F;ich<lb/>
ihre Bekenner befanden und die Fort&#x017F;chritte der u&#x0364;bri-<lb/>
gen Cultur der&#x017F;elben, &#x017F;olche Umwandlungen erfah-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0195] Menſchen, inconſequent und wider ihre Grundſaͤtze handelten. Leichtſinniger Spott deſſen, was An- dern ehrwuͤrdig iſt und mit ihrer Tugend und Gluͤckſeeligkeit zuſammenhaͤngt, iſt wider die Wuͤrde jedes edeln und rechtſchaffenen Mannes. Oft wur- de derſelbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg- nung mancher ohne Verſtand eifernder Gegner ge- reitzt. Aber wahrſcheinlich wuͤrde die Vernunftreli- gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere (herrſchende wird ſie nie heiſſen und ſeyn wollen) Parthey ausmachen ſollten, ſich von aller Verfolgung und Druͤckung rein erhalten, die wenigſtens bis itzt noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren Mittheilung der Gottheit, einer ausſchlieſſend beſeeligenden Wahrheit, ihre vornehmſte Stuͤtze hatten, und nur bey dieſen Lehren conſequent ſeyn koͤnnen. Daß die Religion der Juden, wenn ſie auch nicht bis zur natuͤrlichen ſich reinigen ſollte, doch wenig- ſtens nach und nach ſich ſo weit modificiren wuͤrde, um alle nachtheilige Einfluͤſſe auf buͤrgerliche Ver- haͤltniſſe zu verliehren, beweißt die Geſchichte aller Religionen, welche durch die aͤußere Lage, in denen ſich ihre Bekenner befanden und die Fortſchritte der uͤbri- gen Cultur derſelben, ſolche Umwandlungen erfah- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/195
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/195>, abgerufen am 30.04.2024.