Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

wo die Pflicht keine Kriegsdienste zu thun? wo die
abscheuliche Lehre einer geheiligten Desertion? wo
ein göttliches Verbot der Todesstrafen? -- wie sind
alle diese Lehren so ganz verschwunden? -- Ich habe
sie mit Mühe aus den Werken einiger dem großen
Haufen unserer itzigen Christen ganz unbekannten
Kirchenväter, aufsuchen müssen, und manche mei-
ner Leser werden vielleicht dergleichen Behauptungen
mit verwunderndem Zweifel itzt zum erstenmal er-
fahren. So sehr haben sich diese religiösen Grund-
sätze nach und nach verlohren, daß auch selbst ihre
Spur verlöscht und ihr ehemaliges Daseyn beynahe
unwahrscheinlich geworden ist. Schon unter der Re-
gierung der heidnischen Kaiser, haben die zahlreicher
gewordenen Christen sich nicht mehr geweigert dem
Staate bürgerliche und Kriegsdienste zu leisten. Vor-
urtheile, die der Erhaltung der Gesellschaft so gerade
zu widersprechen, mußten schlechterdings verschwin-
den, sobald die christliche Religion ausgebreiteter
wurde. Die Lehre einer kleinen Secte muß sich noth-
wendig umbilden, wenn der Haufe ihrer Anhänger
größer wird. Ihr Glaube muß es sich gefallen las-
sen, alsdann vom Himmel auf die Erde herabzustei-
gen, und er mag noch soviel Anweisungen auf jenen
geben, so wird er sich doch nie dem Glück, der Ruhe

der

wo die Pflicht keine Kriegsdienſte zu thun? wo die
abſcheuliche Lehre einer geheiligten Deſertion? wo
ein goͤttliches Verbot der Todesſtrafen? — wie ſind
alle dieſe Lehren ſo ganz verſchwunden? — Ich habe
ſie mit Muͤhe aus den Werken einiger dem großen
Haufen unſerer itzigen Chriſten ganz unbekannten
Kirchenvaͤter, aufſuchen muͤſſen, und manche mei-
ner Leſer werden vielleicht dergleichen Behauptungen
mit verwunderndem Zweifel itzt zum erſtenmal er-
fahren. So ſehr haben ſich dieſe religioͤſen Grund-
ſaͤtze nach und nach verlohren, daß auch ſelbſt ihre
Spur verloͤſcht und ihr ehemaliges Daſeyn beynahe
unwahrſcheinlich geworden iſt. Schon unter der Re-
gierung der heidniſchen Kaiſer, haben die zahlreicher
gewordenen Chriſten ſich nicht mehr geweigert dem
Staate buͤrgerliche und Kriegsdienſte zu leiſten. Vor-
urtheile, die der Erhaltung der Geſellſchaft ſo gerade
zu widerſprechen, mußten ſchlechterdings verſchwin-
den, ſobald die chriſtliche Religion ausgebreiteter
wurde. Die Lehre einer kleinen Secte muß ſich noth-
wendig umbilden, wenn der Haufe ihrer Anhaͤnger
groͤßer wird. Ihr Glaube muß es ſich gefallen laſ-
ſen, alsdann vom Himmel auf die Erde herabzuſtei-
gen, und er mag noch ſoviel Anweiſungen auf jenen
geben, ſo wird er ſich doch nie dem Gluͤck, der Ruhe

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="210"/>
wo die Pflicht keine Kriegsdien&#x017F;te zu thun? wo die<lb/>
ab&#x017F;cheuliche Lehre einer geheiligten De&#x017F;ertion? wo<lb/>
ein go&#x0364;ttliches Verbot der Todes&#x017F;trafen? &#x2014; wie &#x017F;ind<lb/>
alle die&#x017F;e Lehren &#x017F;o ganz ver&#x017F;chwunden? &#x2014; Ich habe<lb/>
&#x017F;ie mit Mu&#x0364;he aus den Werken einiger dem großen<lb/>
Haufen un&#x017F;erer itzigen Chri&#x017F;ten ganz unbekannten<lb/>
Kirchenva&#x0364;ter, auf&#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und manche mei-<lb/>
ner Le&#x017F;er werden vielleicht dergleichen Behauptungen<lb/>
mit verwunderndem Zweifel itzt zum er&#x017F;tenmal er-<lb/>
fahren. So &#x017F;ehr haben &#x017F;ich die&#x017F;e religio&#x0364;&#x017F;en Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze nach und nach verlohren, daß auch &#x017F;elb&#x017F;t ihre<lb/>
Spur verlo&#x0364;&#x017F;cht und ihr ehemaliges Da&#x017F;eyn beynahe<lb/>
unwahr&#x017F;cheinlich geworden i&#x017F;t. Schon unter der Re-<lb/>
gierung der heidni&#x017F;chen Kai&#x017F;er, haben die zahlreicher<lb/>
gewordenen Chri&#x017F;ten &#x017F;ich nicht mehr geweigert dem<lb/>
Staate bu&#x0364;rgerliche und Kriegsdien&#x017F;te zu lei&#x017F;ten. Vor-<lb/>
urtheile, die der Erhaltung der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;o gerade<lb/>
zu wider&#x017F;prechen, mußten &#x017F;chlechterdings ver&#x017F;chwin-<lb/>
den, &#x017F;obald die chri&#x017F;tliche Religion ausgebreiteter<lb/>
wurde. Die Lehre einer kleinen Secte muß &#x017F;ich noth-<lb/>
wendig umbilden, wenn der Haufe ihrer Anha&#x0364;nger<lb/>
gro&#x0364;ßer wird. Ihr Glaube muß es &#x017F;ich gefallen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, alsdann vom Himmel auf die Erde herabzu&#x017F;tei-<lb/>
gen, und er mag noch &#x017F;oviel Anwei&#x017F;ungen auf jenen<lb/>
geben, &#x017F;o wird er &#x017F;ich doch nie dem Glu&#x0364;ck, der Ruhe<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0218] wo die Pflicht keine Kriegsdienſte zu thun? wo die abſcheuliche Lehre einer geheiligten Deſertion? wo ein goͤttliches Verbot der Todesſtrafen? — wie ſind alle dieſe Lehren ſo ganz verſchwunden? — Ich habe ſie mit Muͤhe aus den Werken einiger dem großen Haufen unſerer itzigen Chriſten ganz unbekannten Kirchenvaͤter, aufſuchen muͤſſen, und manche mei- ner Leſer werden vielleicht dergleichen Behauptungen mit verwunderndem Zweifel itzt zum erſtenmal er- fahren. So ſehr haben ſich dieſe religioͤſen Grund- ſaͤtze nach und nach verlohren, daß auch ſelbſt ihre Spur verloͤſcht und ihr ehemaliges Daſeyn beynahe unwahrſcheinlich geworden iſt. Schon unter der Re- gierung der heidniſchen Kaiſer, haben die zahlreicher gewordenen Chriſten ſich nicht mehr geweigert dem Staate buͤrgerliche und Kriegsdienſte zu leiſten. Vor- urtheile, die der Erhaltung der Geſellſchaft ſo gerade zu widerſprechen, mußten ſchlechterdings verſchwin- den, ſobald die chriſtliche Religion ausgebreiteter wurde. Die Lehre einer kleinen Secte muß ſich noth- wendig umbilden, wenn der Haufe ihrer Anhaͤnger groͤßer wird. Ihr Glaube muß es ſich gefallen laſ- ſen, alsdann vom Himmel auf die Erde herabzuſtei- gen, und er mag noch ſoviel Anweiſungen auf jenen geben, ſo wird er ſich doch nie dem Gluͤck, der Ruhe der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/218
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/218>, abgerufen am 01.05.2024.