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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die Rechtsfrage.
"Wer ist da noch sicher, von einem Polizeidiener nicht
im eignen Hause umgebracht zu werden? Aber hoffent¬
lich giebt es noch Gerechtigkeit im Lande! Apropos,
Herr Kriminalrath, was wird wohl mit dem Gensd'armen
geschehen?" --

Der Kriminalrath hatte mit dem Löffel tiefsinnig den
Inhalt seiner Theetasse untersucht, indem er den zergehen¬
den Zucker bald auf die Oberfläche brachte, bald wieder
in das Getränk versenkte. Jetzt erhob er halb das Haupt,
und sah über die Gläser seiner Brille zu der Fragen¬
den auf.

"Wenig oder Nichts!" antwortete er ruhig.

"Der Kriminalrath will damit nur sagen," nahm
in dem allgemein entstehenden Lärm ein junger Maler
das Wort, daß man höheren Orts den Amtseifer immer
gern sieht, und auch seine Uebertreibungen mit Rücksicht
auf die veranlassende Pflichttreue stets gnädig zu beur¬
theilen weiß. Es ist ja bekannt, daß die uniformirten
Helden des dreißigjährigen Friedens, wenn sie ihre Schutz¬
waffe gegen die beschirmten Unterthanen in Anwendung
gebracht und pro forma ein Urtheil von einigen Mona¬
ten Festungshaft erhalten haben, später desto sicherer auf
Avancement rechnen können. Auch weiß ich von einer

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Die Rechtsfrage.
„Wer iſt da noch ſicher, von einem Polizeidiener nicht
im eignen Hauſe umgebracht zu werden? Aber hoffent¬
lich giebt es noch Gerechtigkeit im Lande! Apropos,
Herr Kriminalrath, was wird wohl mit dem Gensd'armen
geſchehen?“ —

Der Kriminalrath hatte mit dem Loͤffel tiefſinnig den
Inhalt ſeiner Theetaſſe unterſucht, indem er den zergehen¬
den Zucker bald auf die Oberflaͤche brachte, bald wieder
in das Getraͤnk verſenkte. Jetzt erhob er halb das Haupt,
und ſah uͤber die Glaͤſer ſeiner Brille zu der Fragen¬
den auf.

„Wenig oder Nichts!“ antwortete er ruhig.

„Der Kriminalrath will damit nur ſagen,“ nahm
in dem allgemein entſtehenden Laͤrm ein junger Maler
das Wort, daß man hoͤheren Orts den Amtseifer immer
gern ſieht, und auch ſeine Uebertreibungen mit Ruͤckſicht
auf die veranlaſſende Pflichttreue ſtets gnaͤdig zu beur¬
theilen weiß. Es iſt ja bekannt, daß die uniformirten
Helden des dreißigjaͤhrigen Friedens, wenn ſie ihre Schutz¬
waffe gegen die beſchirmten Unterthanen in Anwendung
gebracht und pro forma ein Urtheil von einigen Mona¬
ten Feſtungshaft erhalten haben, ſpaͤter deſto ſicherer auf
Avancement rechnen koͤnnen. Auch weiß ich von einer

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[99/0113] Die Rechtsfrage. „Wer iſt da noch ſicher, von einem Polizeidiener nicht im eignen Hauſe umgebracht zu werden? Aber hoffent¬ lich giebt es noch Gerechtigkeit im Lande! Apropos, Herr Kriminalrath, was wird wohl mit dem Gensd'armen geſchehen?“ — Der Kriminalrath hatte mit dem Loͤffel tiefſinnig den Inhalt ſeiner Theetaſſe unterſucht, indem er den zergehen¬ den Zucker bald auf die Oberflaͤche brachte, bald wieder in das Getraͤnk verſenkte. Jetzt erhob er halb das Haupt, und ſah uͤber die Glaͤſer ſeiner Brille zu der Fragen¬ den auf. „Wenig oder Nichts!“ antwortete er ruhig. „Der Kriminalrath will damit nur ſagen,“ nahm in dem allgemein entſtehenden Laͤrm ein junger Maler das Wort, daß man hoͤheren Orts den Amtseifer immer gern ſieht, und auch ſeine Uebertreibungen mit Ruͤckſicht auf die veranlaſſende Pflichttreue ſtets gnaͤdig zu beur¬ theilen weiß. Es iſt ja bekannt, daß die uniformirten Helden des dreißigjaͤhrigen Friedens, wenn ſie ihre Schutz¬ waffe gegen die beſchirmten Unterthanen in Anwendung gebracht und pro forma ein Urtheil von einigen Mona¬ ten Feſtungshaft erhalten haben, ſpaͤter deſto ſicherer auf Avancement rechnen koͤnnen. Auch weiß ich von einer 7 *

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/113>, abgerufen am 29.04.2024.