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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die vorgesetzte Dienstbehörde.
er muß sich durch Lügen und Kniffe zu helfen suchen;
er wird ja dazu gezwungen. Die meisten thun das denn
auch. Entweder geben sie einem Bauer, der in die
Stadt fährt, ihren Ranzen, Stock und Hut in Ver¬
wahrung, und gehen wie Tagelöhner hinein; oder wenn
mehrere zusammen sind, so geben sie Einem ihr gesamm¬
tes Geld, damit dieser zuerst in die Stadt geht, auf der
Herberge seine Sachen ablegt, und den draußen War¬
tenden das Geld zurückbringt. So kömmt denn Einer
nach dem Andern hinein." --

"Und die Leute sind immer so ehrlich, und bringen
das Geld zurück?" fragte ich den Handwerker. "Es
macht sich nie Einer mit dem Geld fort, und läßt die
Andern sitzen?" --

"Das kommt wohl nie vor," antwortete Schwind
mit dem Ausdruck ehrlicher Ueberraschtheit. "Die Leute
sind durch die Gleichheit ihres Looses fast an Gemeinleben
gewöhnt, und da betrügt nie Einer den Andern. Ich
habe wenigstens nie davon gehört." --

"Aber wie hängt das nun mit Eurer Verhaftung
zusammen?" --

"Ja, sehen Sie also, Herr Doktor, nachdem wir
in die Stadt gekommen waren, begleitete ich meinen

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Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde.
er muß ſich durch Luͤgen und Kniffe zu helfen ſuchen;
er wird ja dazu gezwungen. Die meiſten thun das denn
auch. Entweder geben ſie einem Bauer, der in die
Stadt faͤhrt, ihren Ranzen, Stock und Hut in Ver¬
wahrung, und gehen wie Tageloͤhner hinein; oder wenn
mehrere zuſammen ſind, ſo geben ſie Einem ihr geſamm¬
tes Geld, damit dieſer zuerſt in die Stadt geht, auf der
Herberge ſeine Sachen ablegt, und den draußen War¬
tenden das Geld zuruͤckbringt. So koͤmmt denn Einer
nach dem Andern hinein.“ —

„Und die Leute ſind immer ſo ehrlich, und bringen
das Geld zuruͤck?“ fragte ich den Handwerker. „Es
macht ſich nie Einer mit dem Geld fort, und laͤßt die
Andern ſitzen?“ —

„Das kommt wohl nie vor,“ antwortete Schwind
mit dem Ausdruck ehrlicher Ueberraſchtheit. „Die Leute
ſind durch die Gleichheit ihres Looſes faſt an Gemeinleben
gewoͤhnt, und da betruͤgt nie Einer den Andern. Ich
habe wenigſtens nie davon gehoͤrt.“ —

„Aber wie haͤngt das nun mit Eurer Verhaftung
zuſammen?“ —

„Ja, ſehen Sie alſo, Herr Doktor, nachdem wir
in die Stadt gekommen waren, begleitete ich meinen

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[129/0143] Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde. er muß ſich durch Luͤgen und Kniffe zu helfen ſuchen; er wird ja dazu gezwungen. Die meiſten thun das denn auch. Entweder geben ſie einem Bauer, der in die Stadt faͤhrt, ihren Ranzen, Stock und Hut in Ver¬ wahrung, und gehen wie Tageloͤhner hinein; oder wenn mehrere zuſammen ſind, ſo geben ſie Einem ihr geſamm¬ tes Geld, damit dieſer zuerſt in die Stadt geht, auf der Herberge ſeine Sachen ablegt, und den draußen War¬ tenden das Geld zuruͤckbringt. So koͤmmt denn Einer nach dem Andern hinein.“ — „Und die Leute ſind immer ſo ehrlich, und bringen das Geld zuruͤck?“ fragte ich den Handwerker. „Es macht ſich nie Einer mit dem Geld fort, und laͤßt die Andern ſitzen?“ — „Das kommt wohl nie vor,“ antwortete Schwind mit dem Ausdruck ehrlicher Ueberraſchtheit. „Die Leute ſind durch die Gleichheit ihres Looſes faſt an Gemeinleben gewoͤhnt, und da betruͤgt nie Einer den Andern. Ich habe wenigſtens nie davon gehoͤrt.“ — „Aber wie haͤngt das nun mit Eurer Verhaftung zuſammen?“ — „Ja, ſehen Sie alſo, Herr Doktor, nachdem wir in die Stadt gekommen waren, begleitete ich meinen 9

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/143>, abgerufen am 29.04.2024.