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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Das Unvermeidliche.
und er sagte mit größerer Lebhaftigkeit, indem er bewegt
einen Schritt näher trat:

"Sie haben auch Kinder! Sie wissen, welches Leid
in dem Gedanken ist, aus dem Kreis der Seinen zu
scheiden! Um Ihrer Kinder willen denn: gönnen Sie
einem Vater den Trost, die Seinen noch einmal, bevor
er zu spät kommt, wiedersehn zu dürfen! Gönnen Sie
einer Mutter, wenigstens im Kreis der Ihren zu sterben,
damit Sie nicht selbst in der Todesstunde verlassen sein
mögen!" --

Ueber die Züge des Beamten zuckte eine seltsame
Regung. Die Welt sagte, daß dieser starre, egoistische
Mann dennoch einen Rest menschlicher Gefühle habe,
daß er an seinen Kindern mit einer Liebe hänge, die man
in diesem hartherzigen, verschlossenen Sinn nicht ahne.
Man wollte zuweilen ein Bild häuslicher Glückseligkeit
hier gesehen haben, in welchem der tyrannische, freund¬
lose Beamte mit dem Ausdruck weiblicher Innigkeit im
Kreis seiner Kinder gesessen, -- und doch gab ihm wie¬
derum das Gerücht Schuld an dem Tod seiner Frau.
Sei es nun wirklich, daß die bewegten Worte Arthurs
eine Saite in seinem Innern berührt hatten, sei es, daß
er den Bittenden nur eine kurze Hoffnung fassen lassen

Das Unvermeidliche.
und er ſagte mit groͤßerer Lebhaftigkeit, indem er bewegt
einen Schritt naͤher trat:

„Sie haben auch Kinder! Sie wiſſen, welches Leid
in dem Gedanken iſt, aus dem Kreis der Seinen zu
ſcheiden! Um Ihrer Kinder willen denn: goͤnnen Sie
einem Vater den Troſt, die Seinen noch einmal, bevor
er zu ſpaͤt kommt, wiederſehn zu duͤrfen! Goͤnnen Sie
einer Mutter, wenigſtens im Kreis der Ihren zu ſterben,
damit Sie nicht ſelbſt in der Todesſtunde verlaſſen ſein
moͤgen!“ —

Ueber die Zuͤge des Beamten zuckte eine ſeltſame
Regung. Die Welt ſagte, daß dieſer ſtarre, egoiſtiſche
Mann dennoch einen Reſt menſchlicher Gefuͤhle habe,
daß er an ſeinen Kindern mit einer Liebe haͤnge, die man
in dieſem hartherzigen, verſchloſſenen Sinn nicht ahne.
Man wollte zuweilen ein Bild haͤuslicher Gluͤckſeligkeit
hier geſehen haben, in welchem der tyranniſche, freund¬
loſe Beamte mit dem Ausdruck weiblicher Innigkeit im
Kreis ſeiner Kinder geſeſſen, — und doch gab ihm wie¬
derum das Geruͤcht Schuld an dem Tod ſeiner Frau.
Sei es nun wirklich, daß die bewegten Worte Arthurs
eine Saite in ſeinem Innern beruͤhrt hatten, ſei es, daß
er den Bittenden nur eine kurze Hoffnung faſſen laſſen

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[166/0180] Das Unvermeidliche. und er ſagte mit groͤßerer Lebhaftigkeit, indem er bewegt einen Schritt naͤher trat: „Sie haben auch Kinder! Sie wiſſen, welches Leid in dem Gedanken iſt, aus dem Kreis der Seinen zu ſcheiden! Um Ihrer Kinder willen denn: goͤnnen Sie einem Vater den Troſt, die Seinen noch einmal, bevor er zu ſpaͤt kommt, wiederſehn zu duͤrfen! Goͤnnen Sie einer Mutter, wenigſtens im Kreis der Ihren zu ſterben, damit Sie nicht ſelbſt in der Todesſtunde verlaſſen ſein moͤgen!“ — Ueber die Zuͤge des Beamten zuckte eine ſeltſame Regung. Die Welt ſagte, daß dieſer ſtarre, egoiſtiſche Mann dennoch einen Reſt menſchlicher Gefuͤhle habe, daß er an ſeinen Kindern mit einer Liebe haͤnge, die man in dieſem hartherzigen, verſchloſſenen Sinn nicht ahne. Man wollte zuweilen ein Bild haͤuslicher Gluͤckſeligkeit hier geſehen haben, in welchem der tyranniſche, freund¬ loſe Beamte mit dem Ausdruck weiblicher Innigkeit im Kreis ſeiner Kinder geſeſſen, — und doch gab ihm wie¬ derum das Geruͤcht Schuld an dem Tod ſeiner Frau. Sei es nun wirklich, daß die bewegten Worte Arthurs eine Saite in ſeinem Innern beruͤhrt hatten, ſei es, daß er den Bittenden nur eine kurze Hoffnung faſſen laſſen

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/180>, abgerufen am 30.04.2024.