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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Das Unvermeidliche.

Der Inquisitionsrichter W. hatte vier Kinder.
Die beiden ältesten Söhne studirten eben auf der Univer¬
sität, die sich am Orte befand, der dritte besuchte noch
die Schule, und das jüngste Kind, ein Mädchen Na¬
mens Charlotte, sollte in Kürze nach einer Pensionsan¬
stalt gegeben werden. Die beiden Studenten galten in
der Stadt als flotte Gesellen. Sie waren in eine Ver¬
bindung eingetreten, machten allen in solchem Fall noth¬
wendigen Luxus und "Ulk" mit, und renommirten auf
Mensur, Kneipe und sonstigen Gelegenheiten bestens für
ihr Corps. Sie waren, was man so ein paar "Hähne"
nennt, und standen bei Philistern, Weibern und Kom¬
militonen wohl angeschrieben.

Eines Abends kamen sie in trunkenem Zustande von
ihrer Kneipe und stießen dicht vor der Thür taumelnd
auf eine in einen Mantel gehüllte Gestalt. Mit bar¬
schen Worten forderte der Fremde sie auf, ihm aus dem
Wege zu gehen, die beiden Studenten aber lachten und
hielten ihn fest, um ihm ins Gesicht zu sehen. Der
Unbekannte stieß sie heftig zurück, es fielen Beleidigungen
und die Studenten begannen zu Thätlichkeiten zu greifen.
Der Fremde trat nun einen Schritt zurück und ver¬
langte Genugthuung für diesen Schimpf, die Beleidiger

Das Unvermeidliche.

Der Inquiſitionsrichter W. hatte vier Kinder.
Die beiden aͤlteſten Soͤhne ſtudirten eben auf der Univer¬
ſitaͤt, die ſich am Orte befand, der dritte beſuchte noch
die Schule, und das juͤngſte Kind, ein Maͤdchen Na¬
mens Charlotte, ſollte in Kuͤrze nach einer Penſionsan¬
ſtalt gegeben werden. Die beiden Studenten galten in
der Stadt als flotte Geſellen. Sie waren in eine Ver¬
bindung eingetreten, machten allen in ſolchem Fall noth¬
wendigen Luxus und „Ulk“ mit, und renommirten auf
Menſur, Kneipe und ſonſtigen Gelegenheiten beſtens fuͤr
ihr Corps. Sie waren, was man ſo ein paar „Haͤhne“
nennt, und ſtanden bei Philiſtern, Weibern und Kom¬
militonen wohl angeſchrieben.

Eines Abends kamen ſie in trunkenem Zuſtande von
ihrer Kneipe und ſtießen dicht vor der Thuͤr taumelnd
auf eine in einen Mantel gehuͤllte Geſtalt. Mit bar¬
ſchen Worten forderte der Fremde ſie auf, ihm aus dem
Wege zu gehen, die beiden Studenten aber lachten und
hielten ihn feſt, um ihm ins Geſicht zu ſehen. Der
Unbekannte ſtieß ſie heftig zuruͤck, es fielen Beleidigungen
und die Studenten begannen zu Thaͤtlichkeiten zu greifen.
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langte Genugthuung fuͤr dieſen Schimpf, die Beleidiger

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[171/0185] Das Unvermeidliche. Der Inquiſitionsrichter W. hatte vier Kinder. Die beiden aͤlteſten Soͤhne ſtudirten eben auf der Univer¬ ſitaͤt, die ſich am Orte befand, der dritte beſuchte noch die Schule, und das juͤngſte Kind, ein Maͤdchen Na¬ mens Charlotte, ſollte in Kuͤrze nach einer Penſionsan¬ ſtalt gegeben werden. Die beiden Studenten galten in der Stadt als flotte Geſellen. Sie waren in eine Ver¬ bindung eingetreten, machten allen in ſolchem Fall noth¬ wendigen Luxus und „Ulk“ mit, und renommirten auf Menſur, Kneipe und ſonſtigen Gelegenheiten beſtens fuͤr ihr Corps. Sie waren, was man ſo ein paar „Haͤhne“ nennt, und ſtanden bei Philiſtern, Weibern und Kom¬ militonen wohl angeſchrieben. Eines Abends kamen ſie in trunkenem Zuſtande von ihrer Kneipe und ſtießen dicht vor der Thuͤr taumelnd auf eine in einen Mantel gehuͤllte Geſtalt. Mit bar¬ ſchen Worten forderte der Fremde ſie auf, ihm aus dem Wege zu gehen, die beiden Studenten aber lachten und hielten ihn feſt, um ihm ins Geſicht zu ſehen. Der Unbekannte ſtieß ſie heftig zuruͤck, es fielen Beleidigungen und die Studenten begannen zu Thaͤtlichkeiten zu greifen. Der Fremde trat nun einen Schritt zuruͤck und ver¬ langte Genugthuung fuͤr dieſen Schimpf, die Beleidiger

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/185>, abgerufen am 30.04.2024.