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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Charakter von Zone II.
Temperaturen mit anhaltender oder rasch vorübergehen-
der Schneebedeckung bedingt, während die Vegetations-
periode 3--7 Monate währt und in ihrer Mitte den Juli
als Zeit der höchsten Entwickelung einschliesst.

Von Vegetationsformen finden sich in dieser Zone
besonders die sommergrünen Wipfelbäume und die zuge-
hörigen Sträucher, welche im Herbst die Blätter gänzlich
abwerfen und mit Winterknospen die Ruhezeit überdauern;
neben ihnen die immergrünen Nadelhölzer, welche hier
nicht so sehr in ihrem systematischen Range gemeint sind
als in der Hinsicht, dass sie frostharte immergrüne Be-
laubung bilden können durch den physiologischen Schutz
des Harzes in den Blattzellen gegenüber der oft sehr
strengen Winterkälte. Nächstdem sind hier die Vegeta-
tionsklassen der Halbsträucher und Stauden, der Moose und
Flechten in einer die nordpolare Glacial- und Tundra-
zone meistens übertreffenden Mannigfaltigkeit entwickelt,
die ein- und zweijährigen Kräuter treten an entsprechen-
den Plätzen ein, Süsswassergewächse entfalten sich in
grösserem Reichtum auch von Blütenpflanzen; auch schwache
Vertretung einiger anderer Vegetationsklassen tritt auf.

Diese zweite Zone fällt ziemlich scharf mit Köppens
nördlichem "kalten Gürtel" (1--4 Monate gemäßigt, die
übrigen kalt) und dem daran südlich sich anschliessenden,
durch "gemäßigten Sommer und kalten Winter" charak-
terisierten Gürtel zusammen. Die Grenzlinie, welche Köppen
zwischen dem kalten und nördlich gemäßigten Gürtel
gezogen hat, und welche in Nordamerika um den 50° N.
schwankt, in der Alten Welt dagegen vom südlichen
Skandinavien über den Oberlauf der Wolga nach Sibirien
unter 55° N. zieht und endlich am Amur verschwindet,
hat auch für uns Bedeutung, indem sie eine nördliche
Abteilung der Zone mit 3--5 Monate währender, und
eine südliche Abteilung mit 5--7 Monate währender Ve-
getationsperiode trennt und in der südlicheren selbstver-
ständlich den Reichtum an Vegetationsformen wesentlich
erhöht erscheinen lässt.

Für botanische Zwecke ist es aber natürlicher, die
Regenfälle in ihrer Verteilungsweise zur Bildung von

Charakter von Zone II.
Temperaturen mit anhaltender oder rasch vorübergehen-
der Schneebedeckung bedingt, während die Vegetations-
periode 3—7 Monate währt und in ihrer Mitte den Juli
als Zeit der höchsten Entwickelung einschliesst.

Von Vegetationsformen finden sich in dieser Zone
besonders die sommergrünen Wipfelbäume und die zuge-
hörigen Sträucher, welche im Herbst die Blätter gänzlich
abwerfen und mit Winterknospen die Ruhezeit überdauern;
neben ihnen die immergrünen Nadelhölzer, welche hier
nicht so sehr in ihrem systematischen Range gemeint sind
als in der Hinsicht, dass sie frostharte immergrüne Be-
laubung bilden können durch den physiologischen Schutz
des Harzes in den Blattzellen gegenüber der oft sehr
strengen Winterkälte. Nächstdem sind hier die Vegeta-
tionsklassen der Halbsträucher und Stauden, der Moose und
Flechten in einer die nordpolare Glacial- und Tundra-
zone meistens übertreffenden Mannigfaltigkeit entwickelt,
die ein- und zweijährigen Kräuter treten an entsprechen-
den Plätzen ein, Süsswassergewächse entfalten sich in
grösserem Reichtum auch von Blütenpflanzen; auch schwache
Vertretung einiger anderer Vegetationsklassen tritt auf.

Diese zweite Zone fällt ziemlich scharf mit Köppens
nördlichem „kalten Gürtel“ (1—4 Monate gemäßigt, die
übrigen kalt) und dem daran südlich sich anschliessenden,
durch „gemäßigten Sommer und kalten Winter“ charak-
terisierten Gürtel zusammen. Die Grenzlinie, welche Köppen
zwischen dem kalten und nördlich gemäßigten Gürtel
gezogen hat, und welche in Nordamerika um den 50° N.
schwankt, in der Alten Welt dagegen vom südlichen
Skandinavien über den Oberlauf der Wolga nach Sibirien
unter 55° N. zieht und endlich am Amur verschwindet,
hat auch für uns Bedeutung, indem sie eine nördliche
Abteilung der Zone mit 3—5 Monate währender, und
eine südliche Abteilung mit 5—7 Monate währender Ve-
getationsperiode trennt und in der südlicheren selbstver-
ständlich den Reichtum an Vegetationsformen wesentlich
erhöht erscheinen lässt.

Für botanische Zwecke ist es aber natürlicher, die
Regenfälle in ihrer Verteilungsweise zur Bildung von

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[84/0106] Charakter von Zone II. Temperaturen mit anhaltender oder rasch vorübergehen- der Schneebedeckung bedingt, während die Vegetations- periode 3—7 Monate währt und in ihrer Mitte den Juli als Zeit der höchsten Entwickelung einschliesst. Von Vegetationsformen finden sich in dieser Zone besonders die sommergrünen Wipfelbäume und die zuge- hörigen Sträucher, welche im Herbst die Blätter gänzlich abwerfen und mit Winterknospen die Ruhezeit überdauern; neben ihnen die immergrünen Nadelhölzer, welche hier nicht so sehr in ihrem systematischen Range gemeint sind als in der Hinsicht, dass sie frostharte immergrüne Be- laubung bilden können durch den physiologischen Schutz des Harzes in den Blattzellen gegenüber der oft sehr strengen Winterkälte. Nächstdem sind hier die Vegeta- tionsklassen der Halbsträucher und Stauden, der Moose und Flechten in einer die nordpolare Glacial- und Tundra- zone meistens übertreffenden Mannigfaltigkeit entwickelt, die ein- und zweijährigen Kräuter treten an entsprechen- den Plätzen ein, Süsswassergewächse entfalten sich in grösserem Reichtum auch von Blütenpflanzen; auch schwache Vertretung einiger anderer Vegetationsklassen tritt auf. Diese zweite Zone fällt ziemlich scharf mit Köppens nördlichem „kalten Gürtel“ (1—4 Monate gemäßigt, die übrigen kalt) und dem daran südlich sich anschliessenden, durch „gemäßigten Sommer und kalten Winter“ charak- terisierten Gürtel zusammen. Die Grenzlinie, welche Köppen zwischen dem kalten und nördlich gemäßigten Gürtel gezogen hat, und welche in Nordamerika um den 50° N. schwankt, in der Alten Welt dagegen vom südlichen Skandinavien über den Oberlauf der Wolga nach Sibirien unter 55° N. zieht und endlich am Amur verschwindet, hat auch für uns Bedeutung, indem sie eine nördliche Abteilung der Zone mit 3—5 Monate währender, und eine südliche Abteilung mit 5—7 Monate währender Ve- getationsperiode trennt und in der südlicheren selbstver- ständlich den Reichtum an Vegetationsformen wesentlich erhöht erscheinen lässt. Für botanische Zwecke ist es aber natürlicher, die Regenfälle in ihrer Verteilungsweise zur Bildung von

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/106>, abgerufen am 28.04.2024.